Archiv des Monats “April 2020

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„Deshalb könnt ihr kühn zum Vater treten und getrost bitten“

„Es gibt außerdem noch einiges andere, das anscheinend zu den Sakramenten gerechnet werden könnte, nämlich all das, dem eine Verheißung Gottes zuteil geworden ist: dazu gehören das Gebet, das Wort, das Kreuz. Denn Christus hat den Betenden an vielen Stellen (der Schrift) Erhörung zugesagt, besonders Luk. 11, 5 ff., wo er uns mit vielen Gleichnissen zum Beten einlädt.“(Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche 1520).

Warum sollen wir beten? Weil Gott es befohlen hat. So führt es Luther in seinem großen Katechismus in der Besprechung des Vater Unsers aus:

„Darum bitten wir und vermahnen aufs fleißigste jedermann, daß man solches zu Herzen nehme und auf keine Weise unsere Gebete verachte. Denn man hat bisher ins Teufels Namen so gelehret, daß niemand solches geachtet und gemeinet hat, es wäre genug, daß das Werk getan wäre, Gott erhörets oder höret es nicht. Das heißt das Gebet auf gut Glück versucht und ins Blaue hinein gemurret; darum ist es ein verlorenes Gebet. Denn wir lassen uns durch solche Gedanken beirren und abschrecken: ich bin nicht heilig noch würdig genug; wenn ich so fromm und heilig wäre wie Petrus oder Paulus, so wollte ich beten. Aber nur weit hinweg mit solchen Gedanken, denn eben das Gebot, das Paulus getroffen hat, das trifft mich auch, und um meinetwillen ist ebensowohl das zweite Gebot gegeben wie um seinetwillen, daß er kein besseres noch heiligeres Gebot zu rühmen hat. Darum sollst Du so sagen: mein Gebet, das ich tue, ist eben so köstlich, heilig und Gott gefällig wie das des Paulus und der Allerheiligsten. – Grund: ich will ihn gern der Person halber heiliger sein lassen, aber des Gebotes halber nicht, weil Gott das Gebet nicht der Person halber ansiehet, sondern seines Worts und Gehorsams halber.“ (Der Große Katechismus, 1529)

Auf die Frage wie wir beten sollen geht Luther in der „Deutschen Auslegung des Vaterunsers für die einfältigen Laien (1519)“ ein: Weiterlesen

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Corona und Christus

„Der Grund, warum wir es alle verdienen, umzukommen, ist nicht eine Liste von Regelverstößen, sondern der unendliche Wert, den wir verachtet haben – der unendliche Wert all dessen, was Gott für uns in Jesus Christus bedeutet“ (J. Piper in Corona und Christus, S 64f.) 

John Piper hat unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Krise ein Buch über dieses alles beherrschende Thema verfasst. Gerade weil wir langsam anfangen, uns auf ein Leben mit dem Virus einzustellen, freue ich mich auf die deutsche Übersetzung des Buches, die von E21 derart schnell realisiert wurde. Hut ab!

Pipers Antwort ist in vielerlei Weise befreiend: Er verweist immer wieder darauf, dass es sich lohnt, Gott zu vertrauen. Gott ist ein unerschütterlicher Fels, dessen Wort absolut zuverlässig ist. Hier zeigen 50 Jahre Pastorendienst ihre feinen und sensiblen Früchte. Damit unterscheidet sich Pipers Ansatz meines Erachtens deutlich von dem Ansatz des evangelikalen Fundamentalismus hierzulande, der keine Antwort auf die Pandemie geben kann und ich würde hinzufügen, auch keine Antwort geben will. Ein Beispiel: Bereits am 22.03.2020 veröffentlichte die EFK Riedlingen auf Youtube eine Predigt, die sich mit der Pandemie auseinandersetzt, die bis heute bereits über 60.000 Mal angehört wurde. Als ich die Zahlen der Aufrufe sah, war ich darüber verwundert, dass es überhaupt so viele Evangelikale (zumindest derart konservativer Prägung) in Deutschland gibt. Völlig mit Entsetzen erfüllt mich aber die Art der Reaktion, die hier gegeben wird. „Als möglicherweise letzter dringender Ruf Gottes zur Buße“ getarnt, wird ein  eigentlich politisches Programm abgespielt, bei dem die Bösen „da oben“ für alles schuld sind. Wer also Buße tun muss, macht der Prediger unbarmerherzig deutlich… Würde also bloß Merkel „und die anderen da oben“ doch umkehren, wäre alles wieder so „großartig wie früher“. Reichlich darunter gestreut sind verschiedene Vermutungen und Anmaßungen, die einen hervorragenden Boden für Verschwörungstheorien bitten und offensichtlich auch mit dem Zweck geäußert werden, diese anzuheizen. Welchen Trost das einem vom Corona-Virus schwer Erkrankten, oder einem indirekt Betroffenen (z.B. durch Arbeitslosigkeit), oder einem Menschen unter Angst geben soll, bleibt dabei völlig unklar. Doch genau diese Art an Antworten zieht in unfassbar vielen Kreisen, zumindest in denen ich mich bewege. Statt in Buße und Glauben umzukehren, statt das Evangelium zu suchen, statt sich am Worte Gottes zu sätigen, tarnt man sich als Verschwörungs-Experte. Das sind mal erbärmliche Feigenblätter. Weiterlesen

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Right in Their Own Eyes

Mit Freuden habe ich George Schwabs mutigen Kommentar über das Buch der Richter gelesen. Der Kommentar besitzt eine spannende Eröffnung über Simson: Wieso befällt der Geist Gottes Simson gerade dann, als er gegen ein Löwenjunges kämpft. Wenn man bedenkt wie selten im Alten Testament der Geist Gottes auf Menschen fällt, findet hier etwas außergewöhnliches statt und ist dabei doch so trivial. Schwab öffnete mir die Augen für die Kompexität und die Kunstfertigkeit des Buches Richters. Der Autor berichtet zuverlässige Geschichte, aber er berichtet sie nicht so, wie wir das als Westler gewöhnt sind. So ist die Chronologie der Ereignisse unwesentlich, während die Richter selbst nach den Stämmen (12 an der Zahl, von jedem Stamm einer), und dann auch eher geographisch sortiert, besprochen werden. Den vor allem ungewöhnlichen und problematischen Kandidaten gilt dabei der besondere Augenmerk. Dass es mehr als unnatürlich ist, dass Bienen in einem toten Kadaver leben ist nur ein Hinweis darauf, dass das Volk Gottes im Land wo Honig fließt, umgeben von toten Heidenvölkern lebt.  Weiterlesen

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„Ruhm dem Luther! Ewiger Ruhm dem teuren Manne…“

Durch Heiko A. Obermans Biographie über Martin Luther bin ich auf ein ungewöhnliches Werk Heinrich Heines aufmerksam geworden: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland.

Das Werk ist in drei Teile aufgeteilt, dessen erster Teil die Religionsgeschichte in Deutschland bis einschließlich Luther beschreibt. Hier schildert Heine Luther als einen Nationalheld, der das Christentum überhaupt nach Deutschland brachte. Gleichzeitig möchte er (da er derzeit als Flüchtling in Frankreich lebt) zeigen, dass die radikalen rationalistischen Freiheits-bewegungen Frankreichs bei weitem nicht so viel „Freiheit“ erreichen werden, weil sie nur alter Katholizismus im säkularen Gewand bleiben:

„Jene Persiflage aber, namentlich die Voltairesche,  hat in Frankreich ihre Mission erfüllt, und wer sie  weiter fortsetzen wollte, handelte ebenso unzeitgemäß wie unklug. Denn wenn man die letzten sichtbaren Reste des Katholizismus vertilgen würde, könnte es  sich leicht ereignen, daß die Idee desselben sich in  eine neue Form, gleichsam in einen neuen Leib flüchtet und, sogar den Namen Christentum ablegend, in  dieser Umwandlung uns noch weit verdrießlicher belästigen könnte als in ihrer jetzigen gebrochenen, ruinierten und allgemein diskreditierten Gestalt. Ja, es hat sein Gutes, daß der Spiritualismus durch eine Religion und eine Priesterschaft repräsentiert werde, wovon die erstere ihre beste Kraft schon verloren und letztere mit dem ganzen Freiheitsenthusiasmus unserer Zeit in direkter Opposition steht.“

Verfolgt Heine hier eine Art Prä-Existentialismus? Interessanterweise schreibt Heine im Vorwort zur zweiten Auflage in aller Deutlichkeit über seine Bekehrung zum Theismus. In typischer sehr offener Heine-Art berichtet er: „Ich könnte zwar, wie manche Schriftsteller in solchen  Fällen tun, zu einer Milderung der Ausdrücke, zu  Verhüllungen durch Phrase meine Zuflucht nehmen; aber ich hasse im Grund meiner Seele die zweideutigen Worte, die heuchlerischen Blumen, die feigen Feigenblätter. Einem ehrlichen Manne bleibt aber  unter allen Umständen das unveräußerliche Recht,  seinen Irrtum offen zu gestehen, und ich will es ohne Scheu hier ausüben. Ich bekenne daher unumwunden, daß alles, was in diesem Buche namentlich auf die große Gottesfrage Bezug hat, ebenso falsch wie unbesonnen ist.“ Heine erklärt auch, wie es zu diesem Wandel kam. Die Bekehrung geschah nicht durch ein Wunder, eine Vision oder eine Stimme vom Himmel, sondern „ganz einfach (durch) die Lektüre eines Buches. – Eines Buches? Ja, und es ist ein altes, schlichtes Buch, bescheiden wie die Natur, auch natürlich wie diese; ein Buch, das werkeltägig und anspruchslos aussieht, wie die Sonne, die uns wärmt, wie das Brot, das uns nährt; ein Buch, das so traulich, so segnend gütig uns anblickt wie eine alte Großmutter, die auch täglich in dem Buche liest, mit den lieben, bebenden Lippen und mit der Brille auf der Nase – und dieses Buch heißt auch ganz kurzweg das Buch, die Bibel. Mit Fug nennt man diese auch die Heilige Schrift; wer seinen Gott verloren hat, der kannihn in diesem Buche wiederfinden, und wer ihn nie gekannt, dem weht hier entgegen der Odem des göttlichen Wortes.Heine war ein Popstar seiner Zeit und ähnlich wie bei Bob Dylan heute bleibt wohl unklar ob er sich nun zum Christentum oder zum Judentum bekehrt hatte. Weiterlesen

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„Den aller Welt Kreis nie beschloß, der liegt in Maria Schoß“

Luther hat das Magnifikat Marias (gemeint ist Luk. 1,46-55) mitten im heftigsten Bruch mit der Katholischen Kirche, noch von der Wartburg aus veröffentlicht. R. Friedenthal schreibt dazu in seiner Biographie über Luther (S. 366): „Noch ist er Mönch, die Marienverehrung ist ihm sehr lebendig geblieben. Mitten unter dem Tumult der Vorladung nach Worms hatte er bereits begonnen, das Magnifikat, den Lobgesang der Mutter Gottes, auszulegen. Jetzt vollendet er das Werk. Das ist ein völlig anderer Luther. Er donnert und tobt nicht. (…) Er sieht Maria in der Tracht und Umgebung seiner Zeit, ein „geringes, armes Dirnlein“, nicht besser als eine Hausmagd, und auch als der Engel ihr die Verkündigung überbracht hat, bleibt sie demütig, „ruft nicht aus, wie sie Gottes Mutter geworden wäre, fordert keine Ehre, geht hin und schafft im Haus wie vorhin, melkt die Kühe, kocht, wäscht Schüssel, kehret, tut wie eine Hausmagd oder Hausmutter tun soll in geringen, verachteten Werken.““. Friedenthal weist zurecht daraufhin, dass dieser „Respekt“ vor Maria noch bis in die Zeit Bachs wirkte, der das Magnifikat vertonte. Tatsächlich ist Luthers Buch über Maria ein gutes Andachtsbuch über das Thema Demut. Zu V.46 (Meine Seele erhebt den Herrn) führt Luther aus:

„Darum ist es hier nötig, (auf) das letzte Wörtlein zu merken: »Gott«. Denn Maria sagt nicht: »Meine Seele macht sich selbst groß« oder »hält viel von sich«. Sie wollte auch gar nichts von sich gehalten haben. Sondern allein Gott macht sie groß, dem schreibt sie es ganz allein zu. Sie nimmt es von sich weg und trägt es allein völlig wieder hin zu Gott, von dem sie es empfangen hatte.“

Rühmt sich Maria aber nicht doch wenigstens ihrer Demut, als sie sagt, dass der Herr ihre Niedrigkeit angesehen hat (V. 48)? Luther kritisiert in aller Schärfe diese falsche Demut:

„Das Wörtlein »humilitas« haben etliche hier zur »Demut« gemacht, als hätte die Jungfrau Maria ihre Demut angeführt und sich deren gerühmt. Daher kommt es, daß sich etliche Prälaten auch »humiles« (Demütige) nennen, welches gar weit von der Wahrheit (entfernt) ist. Denn vor Gottes Augen kann sich niemand einer guten Sache ohne Sünde und Verderben rühmen. Man muß sich vor ihm nichts mehr rühmen, als seiner lauteren Güte und Gnade, uns Unwürdigen erzeigt…“ Weiterlesen

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„Jeder tat, was ihn recht dünkte“

Judges For You (God's Word For You) (English Edition) von [Keller, Timothy]Da man derzeit auch Kinderstunde von zu Hause machen muss, habe ich mir überlegt, die Lektionen aus dem Buch Richter mit den Kindern zu besprechen. Ich bin darüber gestolpert, da das Buch Richter einfach als historische Tatsache wahrgenommen wird. Geistliche Lektion?- zumeist Fehlanzeige! Oder mal eine Predigt außerhalb der üblichen Zyklen Gideon und Simson gehört? Eine Ursache dürfte unsere moralistische Lesart sein: Die meisten Richter taugen höchstens als negatives Beispiel. Der Ansatz von Keller ist eine Wohltat. Richter ist hochaktuell für unsere Zeit: „Trotz der Lücke von mehr als drei Tausend Jahren, gibt es viele Parallelen zwischen unserer Situation und der Zeit des Buches der Richter (…) Es war eine Zeit des geistlichen Pluralismus“.  Eine düstere Geschichte – wo bleiben da die Helden?

Das Buch der Richter erzählt das Evangelium, die Bibel ist kein „Buch der Werte“: „Sie ist nicht voll inspirierender Erzählungen. Warum? Weil die Bibel (im Gegensatz zu den Büchern auf die sich andere Religionen berufen) nicht darüber handelt, wie man moralischen Beispielen nachfolgt. Sie handelt über einen Gott der Gnade und Langmut, der fortschreitend in und durch uns arbeitet, trotz unseres beständigen Widerstandes gegen seine Absichten. Letztlich gibt es nur einen Helden in diesem Buch und er ist göttlich. Wenn wir diesen Teil der Heiligen Schrift als einen historischen Bericht darüber lesen, wie Gott sein unwürdiges Volk durch und aus dem Dreck ihrere Sünde rettet und zu sich bringt, dann wird sie in unseren Köpfen und Herzen lebendig und spricht in unser Leben und in unsere Situation. „Richter“ ist keine leichte Kost. Doch eine essentiell wichtige für unsere Zeit.“

Im Einleitungskapitel bespricht Keller sechs Lektionen oder Leitthemen im Buch der Richter. Diese habe ich im folgenden übersetzt: Weiterlesen