Sinclair Ferguson ist mit „The Whole Christ“ in mehrfacher Hinsicht ein Spagat gelungen. Einerseits gelingt es ihm, eine trocken wirkende Debatte der schottischen Presbyterianer im 18ten Jahrhundert in unsere Zeit zu holen. Dabei erweist er sich als Experte in den Lebensläufen vieler Puritaner und der Gläubigen Schottlands. Seine Detailangaben erleichtern dabei den Lesefluss und öffnen mit diesen Darstellungen eine weite Tür in das bunte und lebendige Werk der Puritaner (Ich denke persönlich, dass ihm das sogar viel besser gelingt als z.B. Beeke in der „Puritan Theology“). Doch worum ging es bei dieser Debatte, die als „the Marrow Controversy“ bis heute fast jeden Theologiestudenten Schottlands beschäftigt? Ferguson arbeitet die Relevanz der dahinterstehenden Frage heraus: Gibt es eine Bedingung, um zu Jesus zu kommen bzw. von seinen Segnungen zu profitieren. Wir kennen diese Frage oft im Rahmen der Frage: „Kann ich jedem sagen, dass Christus für ihn gestorben ist?“ Wer bis dahin dachte, dass es bloß ein calvinistisches Problem ist, wird von den Ausführungen Fergusons überrascht:
„Leider sind Calvinisten und Arminianer (historisch gesehen, deformierte Calvinisten in ihrer Theologie) genau an diesem Punkt in denselben Fehler verfallen, (nämlich) die Segnungen des Evangeliums von der Person Christi zu abstrahieren.
Arminianer glauben an ein universales Sühnopfer, das jedem Menschen das Heil ermöglicht (wenn auch keinem garantiert), weil Christus ausnahmslos für alle gestorben ist. Eine typische arminianische Antwort auf die persönliche Sühne (oder das „begrenzte Sühnopfer“) ist daher die Aussage: „Wenn ich das glauben würde, könnte ich nicht mehr allen das Evangelium predigen, weil ich ihnen nicht mehr sagen könnte: „Christus ist für dich gestorben“. Das kann also unmöglich eine biblische Lehre sein, denn wir sollen ja allen Menschen das Evangelium verkünden.“
In gewisser Weise stimmte der deformierte Calvinismus des frühen achtzehnten Jahrhunderts mit der gleichen zugrunde liegenden Logik überein, argumentierte aber vor dem Hintergrund der persönlichen Sühne, dass die Wohltaten des Todes Christi nicht allen gehören und daher auch nicht allen angeboten werden sollten.
Wir haben gesehen, dass der falsche Schritt hier die Trennung von Nutzen und Wohltäter ist. Was ist dann die biblische Antwort? Es ist einfach so, dass die Apostel das Evangelium an keiner Stelle mit diesen Worten verkündigen: „Glaubt, weil Christus für euch gestorben ist.“ Nein, die Rechtfertigung für den Glauben an Christus ist weder das Wissen um die Erwählung noch die Überzeugung von der universalen Erlösung. Es ist auch nicht das Bewusstsein unserer Sündhaftigkeit. Es ist die Tatsache, dass Jesus Christus in der Lage ist, alle zu retten, die durch ihn zu Gott kommen, denn er ist der einzige Name, der unter dem Himmel gegeben ist, durch den wir gerettet werden können.
Christus selbst ist das Evangelium“ (S. 51f. eigene Übersetzung) Weiterlesen