Kommentare 0

Buchvorstellung: Die Vision der Täufer – Ein Vortrag von Harold S. Bender

Die Broschüre Die Vision der Täufer von Harold S. Bender bietet eine kurze, aber prägnante Einführung in die Theologie und das Selbstverständnis der frühen Täufer. Sie vermittelt nicht nur eine historische Perspektive, sondern setzt sich auch reflektiert mit den zentralen Anliegen dieser Bewegung auseinander.

Die Täuferbewegung entstand vor 500 Jahren in Zürich. Das Ringen um ein neutestamentliches Gemeindeverständnis innerhalb des Zwingli-Kreises führte 1525 zur Trennung einiger Brüder und zur Gründung der ersten Täufergemeinden. Aus einstigen Freunden wurden in kurzer Zeit Feinde – und wie bekannt, schreiben die Sieger die Geschichte.

In der Kirchengeschichte wird dieser Wendepunkt von 1525 oft als Randnotiz behandelt, ohne die weitreichenden Folgen bis heute zu würdigen. Die Unterdrückung, Verfolgung und Hinrichtung der Täufer im 16. Jahrhundert führten dazu, dass Abweichler von den großen Kirchen als „Wiedertäufer“, Ketzer oder Schwärmer diffamiert wurden. Ihr zentrales Anliegen wurde zwar von vielen erkannt, letztlich aber doch verworfen.

Im ersten Teil der Broschüre gewährt Bender dem Leser einen Blick auf die Täufer durch die Brille von Zeitgenossen. Höchst interessant ist ein Zitat von Heinrich Bullinger. Wenn man den Kontext des Zitates nicht kennen würde, könnte der Eindruck entstehen, er lobe die Täufer in höchsten Tönen, wenn er ihre Feindesliebe und die Leidensbereitschaft bemerkenswert hervorhebt. Das Zitat dient als kraftvolle Erinnerung an die Bedeutung von Glaubensfreiheit und die Ablehnung von Zwang in religiösen Angelegenheiten. Doch Bullinger berichtet nur scheinbar positiv, um sie im nächsten Schritt zu widerlegen, ermutigt sie zu verfolgen und sogar töten zu lassen.

So gelingt es Bender in einigen Absätzen zu erklären, wer die Täufer waren, welche unterschiedlichen Richtungen es unter ihnen gab, und warum sich eine Beschäftigung mit Täufern heute noch lohnt.

Im Zentrum der Broschüre stehen drei wesentliche Punkte, die das Verständnis der Täufer prägen: die praktische Nachfolge Jesu, das Gemeindeverständnis und die Vision einer neuen Ethik der Liebe. Der erste Punkt betont die Bedeutung der Nachfolge Jesu im Leben der Gläubigen. Die Täufer legen großen Wert auf eine persönliche, bewusste Entscheidung für das Christsein, das in einem Leben nach den Lehren Jesu sichtbar wird. Auch hier erhellen einige Zitate von Bullinger das Selbstverständnis der Täufer.

Das zweite Thema, das Gemeindeverständnis, hebt die freiwillige Mitgliedschaft in der Gemeinde hervor. Anders als in Staatskirchen wird die Zugehörigkeit zur Gemeinde durch die bewusste Entscheidung zur Taufe bestätigt. Die Täufer betonen, dass der Glaube und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft eine freiwillige Entscheidung sein müssen, die auf persönlicher Überzeugung beruht.

Der dritte Punkt, die Vision einer neuen Ethik der Liebe und der Wehrlosigkeit, zeigt die radikale Haltung der Täufer gegenüber Gewalt und Zwang. Sie streben eine Gemeinde an, die auf Liebe, Frieden und Gewaltlosigkeit basiert – ein Ansatz, der bis heute in vielen Glaubensgemeinschaften Anklang findet.

Insgesamt bietet „Die Vision der Täufer“ einen recht umfassenden Überblick über die Grundsätze der Täuferbewegung und ihre Relevanz für die heutige Zeit, und das auf nur 45 Seiten. Die klare Darstellung und die historisch fundierte Analyse machen diese Broschüre zu einer wertvollen Lektüre für alle, die sich mit den Wurzeln der Täufer, des Freikirchentums und der Wehrlosigkeit und Feindesliebe auseinandersetzen möchten.

In Kategorie: Kirchengeschichte, Rezensionen

Über den Autor

Veröffentlicht von

NIMM UND LIES - dieser Aufforderung möchte ich selbst nachkommen und andere dazu motivieren und anleiten. NIMM UND LIES zuerst die Bibel und dann gute christliche Literatur. Denn beim Lesen lässt es sich vortrefflich denken (nach Leo Tolstoi). Ich lebe mit meiner Frau und unseren fünf Kindern in Baden-Württemberg.

Hinterlasse einen Kommentar!

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.