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Wo ist Kirche?
Artikel 27 des niederländischen Bekenntnisses

Im 27ten Artikel des niederländischen Glaubensbekenntnisses findet sich ein bemerkenswerter Satz, umgeben in einer gelungenen Zusammenfassung:

„Wir glauben und bekennen eine katholische oder allgemeine Kirche, welche ist eine heilige Vereinigung oder Gemeinschaft aller gläubigen Christen, welche ihr ganzes Heil von dem einen Jesus Christus erwarten, gereinigt durch sein Blut und durch seinen Geist geheiligt und versiegelt. Diese Kirche ferner war vom Anfang der Welt und wird bis zu ihrem Ende bleiben, wie dies auch daraus erhellt, dass Christus ein ewiger König ist, der niemals ohne Untertanen sein kann. Übrigens schützt Gott diese heilige Kirche gegen alle Wut und Angriffe der Welt, wenn sie auch für einige Zeit nur sehr klein und fast verlöscht in den Augen der Menschen erscheint, wie Gott in jener sehr gefährlichen Zeit des Ahab sich siebentausend Männer bewahrt haben soll, die ihre Knie nicht vor dem Baal beugten. Endlich ist diese heilige Kirche an keinem bestimmten Ort gelegen oder beschränkt oder irgend an bestimmte Personen gebunden oder gekettet, sondern sie ist über den ganzen Erdkreis zerstreut und verbreitet, obgleich sie in Herz und Willen in ein und demselben Geiste durch die Kraft des Glaubens ganz verbunden und vereinigt ist.

Guy de Brès, Autor des Bekenntnisses, erfuhr an eigener Haut, was es heißt, zu einer „kleinen, fast verlöschten Kirche“ anzugehören. Für sein Bekenntnis, mit dem er die protestantische Minderheit Hollands vor dem rigorose Verfolgung von Prinz Philipp II verteidigen wollte, sollte er den Widerstand der Behörden auf sich ziehen. Einige Jahre später wurde er gefangengenommen und mit gerade mal 45 Jahren zum Tode verurteilt.

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„Nicht den Gegenstand, der mir zum Falle wurde, nein, den Fall selbst liebte ich“

Auf diesen Auszug aus den Bekenntnissen von Augustinus bin ich durch eine sehr gelungen Predigt von Paul Koch aus der St. Martini Kirche in Bremen aufmerksam geworden. Dieser Text findet sich im Vierten Kapitel des zweiten Buches. Die deutsche Übersetzung der Confessiones  findet man lizenzfrei im Internet.

„Bekannt ist, dass dein Gesetz, o Herr, den Diebstahl bestraft, und zwar sogar das in die Herzen der Menschen eingegrabene Naturgesetz, das nicht einmal ihre Bosheit auszulöschen vermag. Denn welcher Dieb ertrüge, auch wenn er begütert ist, gleichmütig den Diebstahl eines, den Not dazu treibt? Ich aber wollte einen Diebstahl begehen und habe ihn auch begangen, nicht durch irgendwelche Notwendigkeit veranlasst: an Gerechtigkeit fehlte es mir, ja ich hatte Ekel vor ihr, und vor Bosheit erstickte ich. Denn ich stahl, was ich im Überfluß, ja noch viel besser besaß. Auch wollte ich nicht, was der Diebstahl mir verschaffte, genießen, sondern den Diebstahl selbst und die Sünde.

Nahe unserm Weinberg stand ein Birnbaum mit zwar zahlreichen, jedoch häßlichen und unschmackhaften Früchten. Diese abzuschütteln und hinwegzuschleppen, machten wir jungen Leute uns ohne Scham- und Ehrgefühl bei tiefer Nacht auf – so lange hatten wir unser verderbliches Spiel auf dem Platze getrieben – und trugen gewaltige Lasten von dort hinweg, nicht um sie zu essen, sondern um sie den Schweinen vorzuwerfen. Und wenn wir auch eine Kleinigkeit davon aßen, so geschah es nur deshalb, weil wir damit etwas Unerlaubtes tun konnten.

Sieh mein Herz, o mein Gott, sieh mein Herz, dessen du dich erbarmt hast in der Tiefe seiner Bosheit. Sieh, mein Herz soll dir nun sagen, was es dort suchte, dass ich nämlich ohne jeden Grund böse und meiner Bosheit Grund nur die Bosheit selbst war. Abscheulich war sie, und trotzdem liebte ich sie, liebte mein Verderben, liebte meinen Fehltritt.; als ich in der Verworfenheit meines Gemütes. mich von deiner Grundfeste ins Verderben stürzte, da begehrte ich nicht schimpflich irgendeinen Gegenstand, sondern die Schande selbst.“

Augustinus, der auch seine sexuellen Ausschweifungen vor seiner Bekehrung bereut, wählt doch gerade ein Ereignis seiner Kindheit als Generalexempel für seine abgrundtief böse Veranlagung. Trueman weist in Grace Alone  (S. 58, eigene Übersetzung) zurecht darauf hin, dass, „diese Passage eine wunderschöne Vereinigung aus Erzählung und Theologie ist. Die trivialen Details der Erzählung ziehen den Leser in die Begebenheit hinein, ganz subtil aber auch persönlich. Hätte Augustinus ein Schwerverbrechen, z.B. einen Mord, einen Raubüberfall oder einen Staatsverrat, wäre der Leser wohl schockiert, würde sich aber kaum mit dem Protagonisten identifizieren. Nur wenige Leser hätten Erfahrung gehabt solche Verbrechen zu begehen noch das Verlangen gespürt so etwas zu tun. Doch die Handlung eines kindlichen Diebstahls ist die Art von Sünde, die jedes Kind entweder begangen hat oder versucht hat. Die Erzählung zieht den Leser in etwas hinein, mit der er sich identifizieren kann: Den Diebstahl einer Frucht vom Baum des Nachbarn. Wir lesen den Abschnitt und wir erkennen etwas von uns selbst. Die Erzählung stellt eine theologische Falle dar.“