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Tertullian: Verteidigung

„Wenn der Tiber bis in die Stadtmauern steigt, wenn der Nil nicht bis über die Feldfluren steigt, wenn die Witterung nicht umschlagen will, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungersnot, wenn es eine Seuche gibt, sogleich wird das Geschrei gehört: „Die Christen vor den Löwen!“ So viele vor einen?! Ich bitte euch, wie viele Kalamitäten haben nicht schon vor Tiberius, d.h. vor der Ankunft Christi, den Erdkreis und die Stadt betroffen?“ – Tertullian in „Verteidigung“.

Es gibt viele Gründe, warum man Tertullian lesen sollte. Da wäre erst einmal die generell anti- oder zumindest unchristliche Atmosphäre des zweiten Jahrhunderts, die unserer nicht unähnlich ist. C. Trueman bemerkte meines Erachtens  zurecht, dass wir vor allem aus dem zweiten und dritten Jahrhundert am meisten für unsere Zeit schöpfen können. Ähnlich wie vor fast zweitausend Jahren, wird das Christentum nicht nur abgelehnt, es gilt als unästhetisch und widerlich. Vom Marktplatz der zulässigen Meinungen ist es schon lange ausgeschloßen.

Doch es liegt auch an Tertullian persönlich, warum seine „Verteidigung des Christentums“ ein guter Startpunkt ist, um die Literatur der Kirchenväter kennenzulernen. Er gehört mit Geburtsjahr 150 n.Chr. noch zu den sehr frühen Kirchenvätern und dürfte die Schnittstelle des Wandels von der griechisch zur lateinisch sprechenden Kirche sein. Was nur Wenige wissen: Tertullian polemisierte gegen eine zu frühe Taufe von Kindern (in „Von der Taufe“). Als Baptist habe ich natürlich eine besondere Freude bei diesem Werk gehabt. Tertullian ist dabei Polemiker durch und durch. Es dürfte natürlich an seiner juristischen und rhetorischen Ausbildung gelegen haben. Aber das alles macht sein Werk nur lesenswerter. So veröffentlicht er sein Apologeticum, also seine Verteidigung des Christentums mitten in einer wüsten Verfolgung der Christen in und um Karthago. Argument für Argument zerlegt er die antichristliche Haltung des römischen Reiches. So frägt er sich, warum Christen gefoltert werden, auch nachdem sie ihr „Verbrechen Christen zu sein“ gestanden haben. Bei allen anderen Verbrechern wende man die Folter schließlich nur bis zum Geständnis ein, ja nach römischem Recht sei Folter nach dem Geständnis gar nicht zulässig. Er enttarnt geschickt die antichristlichen Verschwörungstheorien seiner Zeit: Christen waren als inzestpraktizierende Kannibalen verrufen. Hier zeigt sich sein Wissen der Kultur im römischen Reich. Tatsächlich zeigt er menschenverachtende Praktiken in den unterschiedlichen römischen Götzenkulten auf. Allen diesen ist das Christentum überlegen. Schließlich ist auch das Christentum ein Weg von alters her, eine uralte Religion. Auch hier kann Tertullian darauf verweisen, das Mose als Prophet älter ist, als mancher der römischen Gottheiten und auf jeden Fall älter als die römische Geschichte. Weiterlesen