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Warten auf das Lamm - Laura Richie
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Buchvorstellung: „Warten auf das Lamm“ – Ein Osterbuch für die ganze Familie

Rund ein Drittel der Deutschen verbindet mit Ostern scheinbar nur den blühenden Frühling. Aber Ostern ist mehr. Viel mehr. Und das soll sich wieder herumsprechen.

Kinder lieben Jesus-Geschichten. „Warten auf das Lamm“ von Laura Richie ist ein wunderschön gestaltetes Buch, das Familien durch die Vorbereitungszeit auf Ostern begleitet. In 40 liebevoll erzählten Jesus-Geschichten nimmt es Kinder mit auf eine Reise durch das Leben Jesu – von seiner Kindheit über sein Wirken bis hin zu seinem Tod und seiner Auferstehung. Jedes Kapitel basiert auf einem Abschnitt aus der Bibel und wird mit einer Frage abgeschlossen, die zum Nachdenken und zum Gespräch anregt.

Das Buch beginnt mit dem 12-jährigen Jesus im Tempel und führt durch das Leben von Jesus. Die Geschichten erzählen von bedeutenden Ereignissen aus dem Neuen Testament, wie Jesu Taufe, seine Wunder und Begegnungen mit Menschen, die ihn suchten. Schließlich münden sie in die Karwoche und die Ostererzählung, die die zentrale Botschaft des Christentums verkündet: Jesus ist gekommen, um die Welt zu retten, und er hat den Tod besiegt.

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Was für eine Demokratie ist das?

Dieses Jahr empfinde ich die Aufrufe „das Richtige zu wählen“ als besonders zahlreich. Die Buchhandlung-Kette und die Unfallversicherung rufen dich auf, etwas Vielfältiges zu wählen, das Unternehmen etwas Bewährtes und manch ein Konservativer die Alternative. Geh wählen, ist der Tenor, aber wähle doch das Richtige! Insbesondere die Huldigung der Intellektuellen Elite des Landes vor den Grünen ist dabei, ehrlich gesagt, sowohl besonders aufdringlich, wie verwirrend.

Dieser soziale Druck das Kreuzchen „an die richtige Stelle zu setzen“ rief in mir die Erinnerung an ein Werk wach, dass ich bereits vor einiger Zeit gelesen habe.

Es handelt sich um „Persisches Feuer“, eines der Früheren Werke des Historikers und Autoren Tom Holland, der vor einiger Zeit zum Christentum konvertierte. Wie der Titel erahnen lässt, handelt das Buch vom Persischen Reich. Ich habe zu diesem Buch gegriffen, weil ich mir hilfreiche Hintergrundinformationen zur Umwelt des Alten Testaments versprach, die sich im Buch aber nur spärlich finden. Ein Grund mögen hier auch auf die wenigen (zuverlässigen) Quellen sein, auf die Holland zurückgreifen kann. Insgesamt zeichnet das Buch die Zeit des persischen Reiches von Kyros bis Xerxes auf, doch in diesem Artikel wollte ich auf das Kapitel 4, dass den knappen Titel „Athen“ trägt aufmerksam machen.

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Ein für jede Predigt gefährlicher Bibelvers

Eine beliebte Prediger-Phrase haben wir hier im Blog schon einmal betrachtet. Eine andere Phrase, lose anspielend auf 2. Tim 4,3 bzw. auch 1. Tim 4,1; Jes. 30,10 Jer. 5,30-31 ist der Bezug auf Zuhörer, die nur das hören wollen nach „denen ihnen die Ohren jucken“ (das nun wirklich in 2. Timotheus 4,3 nachzulesen, aber „nur in der Luther“)

Womöglich bin ich auch nur etwas „überprogrammiert“ auf diese Phrase, die meine frühere Kinderstundenleiterin sehr gerne genutzt hat. Keine Ermahnung die nicht damit eingeleitet wurde! Aber mir scheint, dass man sie schon recht häufig auch an vielen anderen Stellen hört.

Der Prediger nutzt diese Phrase gerne: In vielen Kirchen da versammeln sich die Leute, um zu hören, was sie hören wollen, aber bei uns hört man noch den „ganzen Ratschluss Gottes“

Und noch interessanter, auch die Zuhörer selbst nutzen die Phrase gerne: Diese und Jene Kirche verließ man, da man dort nur das predigte, „wonach die Ohren gejuckt haben“. Und an der Stellen wird der Vers wirklich gefährlich, den diese These klingt ja zumindest ein bisschen paradox: Wir wollten a) nicht hören, jetzt hören wir b). a) war uns UNANGENEHM, da es unseren Ohren GENEHM war – Nun sind wir BEREIT das ANGENEHME b) zu hören, was UNANGENEHM im vergleich zu a) ist. – Bitte was?

Ich bin schon der Meinung, dass es möglich ist, gerade mit der Absucht nur das zu hören „was meine Ohren hören wollen“ und gleichzeitig völlig davon überzeugt zu sein, dass man frei jeder Gefahr sei, vor die uns 2. Tim 4,3 warnt. Nun mal den ganzen Vers (nur in der Luther): “Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihrem eigenen Begehren werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken,” (2. Timotheus 4,3). Manche mögen einfach harte ermahnende Predigten – sie sollen ruhig dem nächsten in der wilden Freikirche ins Gewissen reden! So angenehm zu sehen, dass man so viel besser ist, als die meisten „Christen“ (man möchte ja nicht urteilen, aber so richtig als Brüder kann man sie auch nicht annehmen) um einen herum. Diese Art von Geisteseinstellung kann sich einschleichen, während man sich mit 2. Tim 4,3 und ähnlichen Versen seiner eigenen Demut versichert.

Doch nicht nur der Zuhörer verfällt diesem Wechseltausch. Auch der (häufig) sehr beißende, abgrenzende Prediger, begrüßt 2. Tim 4,3 mit Kusshand. Nun kann er problematische, radikale, und alle sonstigen Thesen immer damit verteidigen, dass er ja, die „heilsamen schwer zu ertragende Lehre“ verkündigt. Tatsächlich denke ich da durchaus an ein konkretes Beispiel, weiß aber das einige der Blogleser mit diesem radikalen Anti-Korona-Die-Endzeit-ist-nah Prediger sympathisieren. Es ist ja so einfach geworden, jede Kritik an der Predigt mit „der Nichtertragung der heilsamen“ Lehre niederschmettern zu können.

Übrigens glaube ich sehr wohl an die Wichtigkeit von 2. Tim 4.3, gerade wie der Vers auch sagt für unsere Zeit. Dennoch glaube ich, dass wir gerade auf das hereinfallen, vor was uns Paulus warnt, wenn wir unsere Seelen für irgendwelche gehörten oder gepredigten Phrasen streicheln. Wenn wir anfangen mit diesem Vers nicht uns, sondern die Nächsten zu prüfen. Wenn wir Unsere Ohren zum Massstab für andere Ohren erklären, so als wäre „unser eigenes Begehren“ der Maßstab für Gottes Wort!!! Wenn wir Texte wie 2. Tim. 4.3 als Rechtfertigung für Selbstgefälligkeit (ob nun als Hörer oder Verkündiger) nutzen, statt als das was es ist, eine Ermahnung zur Wachsamkeit für jedermann!

Übrigens glaube ich, dass es ein wichtiges Maß gibt, woran man das „Ohren-Jucken“ als Prediger einschränken und lokalisieren kann: Man betrachte seine Textwahl: Gibt es beliebte Themen, bevorzugte Texte und Texte die ignoriert werden? Ich glaube jeder Prediger wird dann feststellen, dass es doch nicht immer so ist, wie man häufig meint, dass man einzig aufgrund der Führung des Geistes gepredigt hat. Diesen „Ohren-Wähl“-Faktor gilt es möglichst gering zu halten.

Ähnlich geht es dem Zuhörer. Lehne ich eine gehörte Predigt nur, wegen der falschen Person, der mittelmäßigen Exegese oder der ungeeigneten Beispiel wegen ab?

Wann habt ihr euch dabei erwischt, dass ihr gerade das hören wolltet, wonach eure „Ohren gejuckt“ haben? Ich wünsche uns allen, dass dieser „gefährliche“ Vers gefährlich für unser Eigendünkel wird.

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Kurze Texte über historische Persönlichkeiten…

… diesen ungewöhnlichen Titel trägt eine Biographie-Sammlung von Stefan Zweig. Zweig ist ein bekannter Biograph, zu seinen Werken zählen „Sternstunden der Menschheit“, „Baumeister der Welt“ und umfangreiche Biographien über Freud, Marie Antoinette, Maria Stuart, Magellan… Zweig ist immer ein spannender Erzähler, man hat das Gefühl, man ist ihm ganz nah, ich wähle das Bild des Lagerfeuers, so dass man beinahe mitreden kann, während Zweig berichtet. Ich empfehle für den Einstiegs Zweigs Erzählung „Die unsichtbare Sammlung“, oder man schafft sich gleich die Stefan Zweig Box an. Dies ist eine Lesung ausgewählter Texte von Stefan Zweig – erschien im Argon Verlag zum 125. Geburtstag des Autors.

An die größeren und umfangreichen biographischen Werke Zweigs habe ich mich bisher nicht getraut – ich empfinde Biographien zwar einerseits als besonders fruchtbares Lesevergnügen, aber gleichzeitig auch als ein besonders herausforderndes. Entsprechend bot sich die sowohl bei Amazon, wie auch bei Projekt Gutenberg kostenfrei verfügbare Sammlung an Biographien, oder zumindest Texten mit großem biographischem Bezug, an, die unter dem markanten Titel „Kurze Texte über historische Persönlichkeiten“ veröffentlicht werden.

Die Auswahl der Texte ist bunt gemischt und bespricht das Leben der mittelalterlichen Vatermörderin Beatrice Cenci, deren Leben durch Dichtung zur Legende verkam, ähnlich wie den tragischen Tod eines französischen Teenagers (Philippe Daudet) im Jahre 1923.

Beeindruckt hat mich die „Erinnerung an Theodor Herzl“. – Ein Text der auch heute noch große Bedeutung hat und persönliche Eindrücke von Herzl schildert – Überhaupt sind es die persönlichen Erinnerungen, die sich am interessantesten in dieser Auswahl lesen. Dazu gehört im weiteren Verlauf des Buches ein Treffen mit Albert Schweitzer, eine Grabesrede über Sigmund Freud, die Begegnungen mit dem französischen Pazifisten und Sozialisten Jean Jaures und die Schilderung eines ungewöhnlichen Kommilitonen Otto Weininger. All diese Leute kannte Zweig genauso persönlich wie Walther Rathenau, der Grundlage des wohl eindrucksvollsten Textes der Sammlung ist und den Teil bildet, der am ehesten einer (Kurz-)Biographie entspricht. Doch zurück zur Erinnerung an Herzl: Herzl war es, der Zweigs erstes Werk herausgab und Zweig blieb so immer ein wohlwollender Beobachter Herzls und des Zionismus (zu welchem er ansonsten keinen Zugang findet), schildert aber wie viel Benachteiligung und Kummer Herzl für seine Ideen des Zionismus in Kauf nehmen musste. Mit Zweigs Worten: „Diese Erinnerungen, ich weiß es wohl, scheinen von einem anderen Theodor Herzl zu erzählen als dem, den die Gegenwart kennt. Sie sprechen zunächst von einem einst berühmten und heute vollkommen vergessenen Schriftsteller, dessen Bildnis die ins Überzeitliche wachsende Gestalt des Zionisten Herzl vollkommen verschattet hat.“ (Verfasst 1937!) Sich zum jüdischen Volk zu bekennen, verschloss Herzl alle Türen und isolierte ihn in der Welt der europäischen Intellektuellen. Gleichzeitig blieb Herzl für das orthodoxe Judentum selten orthodox oder passend genug. Zweig schreibt über das Erbe von Herzl:

„Die Krankheit, die damals ihn zu beugen begann, hatte ihn plötzlich gefällt, und nur zum Friedhof mehr konnte ich ihn begleiten. Vor genau fünfundzwanzig Jahren. Ein sonderbarer Tag war es, ein Tag im Juli, unvergeßlich jedem, der ihn miterlebte. Denn plötzlich kamen auf allen Bahnhöfen der Stadt, mit jedem Zug bei Tag und Nacht aus allen Reichen und Ländern Menschen gefahren, westliche, östliche, russische, türkische Juden, aus allen Provinzen und kleinen Städten stürmten sie plötzlich herbei, den Schreck der Nachricht noch im Gesicht; niemals spürte man deutlicher, was früher das Gestreite und Gerede unsichtbar gemacht, daß hier einer großen Bewegung der Führer gefallen war. Es war ein endloser Zug. Mit einmal merkte Wien, daß hier nicht nur ein Feuilletonist gestorben war, ein Schriftsteller oder mittlerer Dichter, sondern einer jener Gestalter von Ideen, wie sie in einem Land, in einem Volk nur in ungeheuren Intervallen sich sieghaft erheben. Am Friedhof entstand ein Tumult, zu viele strömten plötzlich zu seinem Sarge, weinend, heulend, schreiend in einer wild explodierenden Verzweiflung, es wurde ein Toben, ein Wüten fast; alle Ordnung war zerbrochen durch eine Art elementarer und ekstatischer Trauer, wie ich sie niemals vordem und nachher bei einem Begräbnis gesehen: und an diesem ungeheuren, aus der Tiefe eines ganzen Millionenvolkes stoßhaft aufstürmenden Schmerz konnte ich zum erstenmal ermessen, wieviel Leidenschaft und Hoffnung dieser einzelne und einsame Mensch durch die Gewalt eines einzigen Gedankens in die Welt getragen.“

Zweig ist stets bemüht das Gute, Kräftige, Nützliche, Vorbildliche in den Personen zu schildern, seine Rede über Freud wirft ein ganz anderes Licht auf diesen Vater der Psychoanalyse, den Zweig für die Entdeckung der Seele nicht hochgenug preisen kann. Aus materialistischer Sicht betrachtet ist es sicher ein großer Gewinn, wenn man die Seele, den inneren Menschen neu erkennt! Leider blieb hier der noch wichtigere Schritt, den Erhalter der Seele zu erkennen, aus. Manchmal sind die Farben der Schilderungen sicherlich etwas überzeichnet und triumphalistisch (Zweig würde wohl sagen „idealistisch“). Am selbstkritischsten ließt sich Zweig in der Schilderung des Studenten Otto Weininger, – die Schilderung trägt den Untertitel „Vorbeigehen an einem unauffälligen Menschen“. Dieses immer vorangetriebene hohe Ideal dürfte es sein, an dem Zweig letzendlich selber zerbrach, als er in den Unruhen des zweiten Weltkriegs seine Welt brennen sah und als Flüchtling gleich auf seiner ersten Station Selbstmord beging.

Der Text über Walther Rathenau ist ein würdiger Abschluss für dieses Werk. Rathenaus Begabungen waren mir bis dahin nicht bekannt. ein jüdischer Deutscher, wohlhabender Industriellensohn, Chemiker, Halter mehrerer Patente, Dichter, Poet, weitreichender Autor, Fähig flüssig in Englisch, Italienisch und Französich zu kommunizieren, und heute vor allem als tragischer Reichsaußenminister bekannt. – Zweig trifft ihn mehrmals persönlich und ist tief beeindruckt: „Nichts hat mich mehr an ihm erstaunt als die geniale Organisation seines äußeren Lebens, während solcher Vielfalt der Interessen, dieses Freisein und Zeit-haben für Alles und Jedes bei unerhörtester Tätigkeit. Es war mein stärkster Eindruck, als ich ihn zum erstenmal sah, mein stärkster, als ich ihn das letztemal sah. Das erstemal – vor mehr als fünfzehn Jahren –, als ich nach längerer brieflicher Bekanntschaft ihn in Berlin anrief, sagte er mir am Telefon, er reise am nächsten Morgen für drei Monate nach Südafrika. Ich wollte natürlich sofort auf den doch gänzlich gelegentlichen Besuch verzichten, aber er hatte inzwischen schon zu Ende kalkuliert, die Stunden gezählt und bat mich, um 1/4 12 Uhr nachts zu ihm kommen, wir könnten dort zwei Stunden angenehm verplaudern. Und wir sprachen zwei und drei Stunden: nichts deutete auf irgendeine Spannung, auf eine Unruhe knapp vor einer Dreimonatsreise in einen andern Erdteil an. Sein Tag war eingeteilt, dem Schlaf sowie dem Gespräch ein gewisses Maß zugewiesen, das er voll erfüllte mit seiner leidenschaftlichen und unendlich anregenden Rede. Und so war es immer: man mochte kommen, wann man wollte, dieser tätigste Mensch hatte für den gelegentlichsten Menschen Zeit bei Tag und bei Nacht, es gab für ihn kein unerfülltes Versprechen, keine unerledigten Briefe, keinen vergessenen Anlaß im Tumult seiner Tätigkeit, und mit genau derselben bewundernden Stärke wie das erstemal habe ich dieses Genie seiner Lebensorganisation bei der letzten Begegnung gespürt“. Die Schilderung Rathenaus ist ein hilfreiches Korrektiv für die heutige Ignoranz gegenüber der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Um bei Rathenau zu bleiben- prophetisch korrekt deutet Zweig den Märtyrertods Rathenaus (Der Text erschien 1922!):

„Die dummen Jungen, die mit ihrer eingepeitschten Hinterhaltsheldentat dem deutschen Geiste zu dienen meinten, waren unbewußt im Einklang mit dem tiefsten Sinn seines Schicksals, denn nur durch das Hingeopfertsein ward das Opfer sichtbar, das Walther Rathenau auf sich genommen hatte. Aber vielleicht ist die Nation mehr um diesen Tod zu bedauern als er selbst. Welthistorische Gestalten soll man nicht sentimentalisch sehen und nicht ihnen langgemächliches Leben und umhüteten Bettod wünschen wie braven bürgerlichen Familienvätern: ihr wahres Schicksal ist nicht das persönliche, sondern das historische, das zeitlos bildsame, und das liegt in wenigen großen Augenblicken beschlossen. Das Höchste, das solchen Naturen verstattet ist, bleibt immer im Sinne Schopenhauers ein heroischer Lebenslauf. Rathenau hat diese letzte, diese höchste Lebensform eben durch seinen Tod erreicht: eine Stunde Weltwirken nur war ihm gegeben, die hat er groß genützt, und ein Beispiel steht nun dauernd an der Stelle, wo flüchtig, allzuflüchtig seine irdische Gestalt gestanden“

Das Buch ist ein großer Gewinn für jeden, der Zweig at his best in Kombination mit interessanten Biographien lesen möchte. – Zu weiteren biographischen Texten von Zweig werde ich unbedingt greifen!

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Der Mut des John Paton!

Einmal im Jahr stellte John Piper eine Lebensgeschichte auf der Bethlehem Conference for Pastors vor. 1993 war es J. Gresham Machen, ein Lebensbild, dass wir auch auf deutsch veröffentlicht haben. 2000 war es das wirklich herausfordernde Leben John Patons, des Kannibalen Missionars der Inseln, die heute als Vanuatu bekannt sind.

Die Lebensgeschichte Patons war für mich eine große Ermutigung. Als Paton mit etwa 30 Jahren seinen Wunsch vor den Gemeindeältesten äußert, Missionar unter den Kannibalen zu werden, die noch wenige Jahre zuvor mehrere Missionare verspeist haben, erwidern diese: „Die Kannibalen! Sie werden sie auffressen!“ Doch Paton erwidert ziemlich schroff (eigene Übersetzung, hier und an allen Stellen):

„Herr Dickson, Sie sind jetzt in fortgeschrittenem Alter, und Ihre Aussicht ist die, bald ins Grab gelegt zu werden, um dort von Würmern gefressen zu werden; ich gestehe Ihnen, dass, wenn ich nur leben und sterben kann, um dem Herrn Jesus zu dienen und ihn zu ehren, es für mich keinen Unterschied machen wird, ob ich von Kannibalen oder von Würmern gefressen werde; und am ebendiesen gleichen Tag wird mein Auferstehungsleib so schön wie der Ihre auferstehen…“

Patons Dienst war so fruchtbar, das bis Heute Vanuatu ein christliches Land ist, und sich 22% der Einwohner als Evangelikal bezeichnen. Zeit für Feigheit gab es dabei nicht viel, denn kaum kommt Paton in Vanuatu an, verstirbt erst seine Frau und kurze Zeit später sein Kind. Er ist nun allein auf sich gestellt, umgeben von zahlreichen Feinden. Patton hält seinen Kummer fest (fast auch zeigt, dass sein Mut nicht eine Art von Abgestumpftheit war):

„Betäubt von diesem schrecklichen Verlust, als ich dieses Arbeitsfeld betrat, zu dem mich der Herr so offensichtlich geführt hatte, schien meine Vernunft eine Zeit lang fast zu versagen. Der immer barmherzige Herr hat mich gestützt … und dieser Ort (Anm.: Das Grab des Kindes und der Frau, das Paton eigenhändig ausgegraben hat) wurde zu meinem heiligen und viel besuchten Heiligtum während all der folgenden Monate und Jahre, in denen ich mich unter Schwierigkeiten, Gefahren und Todesfällen für die Rettung der wilden Inselbewohner einsetzte. . . . Ohne Jesus und die Gemeinschaft, die er mir dort gewährte, wäre ich wohl verrückt geworden und neben dem einsamen Grab gestorben…“

4 Jahre bleibt Paton nun auf der Insel, und kehrt zwischendurch nach England um anschließend für 30 Jahre erneut auf diese pazifischen Inseln zurückzukehren. Leichte Phasen gab es dabei nur selten. Meistens stand ein ganzes Band an Prüfungen vor Paton. Dabei wird deutlich, dass gerade die Prüfungen Patons Glauben gestärkt haben.

„Meine Feinde ließen nur selten von ihren hasserfüllten Plänen gegen mein Leben ab, auch wenn sie für den Moment besänftigt oder verwirrt waren. . . . Ein wilder Häuptling verfolgte mich vier Stunden lang mit seiner geladenen Muskete, und obwohl er oft auf mich zielte, hielt Gott seine Hand zurück. Ich sprach freundlich mit ihm und ging meiner Arbeit nach, als ob er nicht da gewesen wäre, in der festen Überzeugung, dass mein Gott mich dort hingestellt hatte und mich beschützen würde, bis die mir zugewiesene Aufgabe erfüllt war. In unablässigem Gebet zu unserem lieben Herrn Jesus aufblickend, überließ ich alles seinen Händen und fühlte mich unsterblich, bis mein Werk vollendet war. Die Prüfungen, denen ich nur um Haaresbreite entkam, stärkten meinen Glauben und schienen mir nur Mut zu machen für das, was noch folgen sollte, und sie folgten rasch aufeinander. „

Der Widerstand der Kannibalen reduzierte seinen Eifer für die Mission nicht. Schon zu Beginn seines Dienstes hat Paton einen Ureinwohner namens Abraham als Unterstützer. Paton sah darin die positive Wirkung der Missionsarbeit:

„Wenn ich die oberflächlichen Einwände irreligiöser Schreiberlinge und Schwätzer gelesen oder gehört habe, die andeuteten, dass Bekehrungen nicht der Realität entsprächen und dass Missionsbemühungen nur Verschwendung seien, oh, wie sehr hat sich mein Herz danach gesehnt, sie nur eine Woche auf Tanna einzupflanzen, mit dem „natürlichen“ Menschen überall in der Person des Kannibalen und Heiden, und nur der eine „geistliche“ Mensch in der Person des bekehrten Abraham, der sie pflegt, ernährt und „aus Liebe zu Jesus“ rettet – damit ich erfahre, wie viele Stunden es dauert, sie davon zu überzeugen, dass Christus im Menschen doch eine Realität ist! Der ganze Skeptizismus Europas würde sein Haupt in törichter Scham verbergen; und all seine Zweifel würden sich auflösen unter einem Blick des neuen Lichts, das Jesus, und nur Jesus, aus dem Auge des bekehrten Kannibalen gießt.“

Nur verbissener Mut? Patons Leben war voller Freude, er bezeugt selbst:

„Ach, könnten die vergnügungssüchtigen Männer und Frauen der Welt doch nur die wahre Freude derer schmecken und fühlen, die den wahren Gott kennen und lieben – ein Erbe, das die Welt ihnen nicht geben kann, das aber die ärmsten und bescheidensten Nachfolger Jesu erben und genießen! Mein Herz sagt oft in sich selbst – wann, wann werden den Menschen zu Hause die Augen geöffnet werden? Wann werden die Reichen und die Gelehrten … ihren seichten Frivolitäten entsagen und unter den Armen, den Unwissenden, den Ausgestoßenen und den Verlorenen leben und ihren ewigen Ruhm auf die Seelen schreiben, die sie gesegnet und zum Erlöser gebracht haben? Diejenigen, die diese höchste Freude, „die Freude des Herrn“, gekostet haben, werden nie wieder fragen: „Ist das Leben lebenswert?““

Alle Zitate kommen aus John Pipers Artikel, der diese Zitate sämtlich aus John Patons Autobiographie entnommen hat.

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Die krasse Verswahl eines frommen Fürsten

Über Friedrich III. den Frommen, Kurfürst der Pfalz und – man muss es fast so sagen – Mitautor (Hier wird auf einiges seines Einflusses auf den Katechismus eingegangen) des Heidelberger Katechismus weiß ich nicht allzu viel. Aber die Begebenheiten lassen mir diesen Mann legendär erscheinen.

Diese Version des Katechismus besitzt im Anhang eine historische Einführung und schildert einen herausfordernden Moment in einem Reichstag, der vor allem wegen der „unlutherischen“ Formulierung des Katechismus zum Abendmahl durchgeführt wird. (Ich habe alle meine Exemplare verschenkt und muss aus der Erinnerung berichten). Man droht dem Fürsten mit dem Ausschluss aus dem Religionsfrieden mit den Katholischen Fürstentümern. Die Pfalz wäre damit „Freiwild“. Doch der Fürst ergreift sein Schwert und sagt, dass er seine Meinung nicht ändern wird, er weder lutherisch noch calvinistisch sein will, sondern Christ und wen das stört, der solle ihn doch gleich hier auf der Stelle töten. Nun reagieren die anderen Fürsten (von denen es einige Sympathisanten gabt) bestürzt und versichern ihm: Wer rede schon von Töten, alle wissen doch, dass er Frömmer sei als sie alle. – Bei allen politischen Entwicklungen, Machtbestrebungen und Wirrungen der Zeit eine schöne Geschichte, die die Ernsthaftigkeit des Glaubens eines Fürsten zeigt.

Ich habe nie verstanden warum am Heidelberger Katechismus gerade das kritisiert wird, was mir am besten gefällt, nämlich die Angaben der Bibelstellen. 700 sind es insgesamt, davon 75% aus dem Neuen Testament. Genau diese Bibelstellenangaben sind auf ausdrücklichen Wunsch des Fürsten in den Katechismus aufgenommen worden. Diese Webseite führt eine ausführliche Übersicht über die Bibelstellen im Werk.

Ich verstehe ehrlich gesagt die gelegentlich aufgeführte Kritik von einigen Theologen an diesem Vorgehen nicht. Damit betreibe man „billiges Proof-Texting“, rümpft man die Nase. Ich dachte lange darüber nach, ob da etwas dran ist, bin aber mittlerweile der Meinung, dass es wirklich nur „Nase-Rümpfen“ ist. Da ist nichts weiter dran!

Denn ist es doch klar, das wir nichts über Gott und sein Werk lehren können, ohne diese Lehre mit seinem Wort zu begründen. Die ganze Struktur eines Katechismus lebt schließlich davon: Man stellt eine Frage: „Was ist Gott?“, Gibt die kurze Antwort: „Gott ist Geist“ und nun bleibt ja die Frage: Warum sagst du das, warum stimmt diese Antwort? Warum ist genau diese Antwort wichtig? Und man sollte diese dann nennen können: Joh. 4,24; 1 Kor. 2,11-12.

Dieses Vorgehen für wichtige Fragen entscheidende „Stützstellen“ zu haben, wird mir persönlich immer wichtiger. Gerade in der religiösen Erziehung von Kindern erlebe ich hier großen Segen, wenn man versucht auf gestellte Fragen in die Schrift zu gehen und gute und biblisch fundierte Antworten zu finden und diese so auch in der Schrift nachzulesen. Dass gibt eine große Gewissheit und Sicherheit, dass die Antwort auch wirklich begründet ist.

Das kann man dann auch für viele andere Fragen anwenden, als die 129 des Katechismus. Mir gefällt gerade diese Strategie: „Frage – Antwort – Stützstelle“.

Ich möchte hier noch aus einer persönlichen Erfahrung berichten, warum ich etwas von der Anwendung von Stützstellen in religiösen Gesprächen abgekommen bin und warum ich sie neu entdeckt habe. Man stelle die Frage: „Werden alle Kinder Gottes bis zum Schluss ausharren?“ oder „Was meint der Begriff der Auserwählung?“ – Dann sind zentrale Stützstellen meist sehr schnell lokalisiert (für die erste Frage: Joh 10,27-29; Röm 8,31-37, für die zweite Frage: Röm 9,6-18; Eph 1,3-13) . Ich weiß nicht wie viele unzählige Male ich mit vielen meiner Brüder und Schwestern über diese Fragen debattiert habe, aber fast immer (wenn eine gewisse vorgeprägte Meinung schon festlag) waren diese Texte „verbrannt“. Was ich damit meine ist dieses: Man war nicht bereit in diese Texte genauer reinzuschauen, da man überzeugt war, hierrüber schon alles zu wissen und diese erklären zu können. Das habe ich sehr häufig erlebt und mir irgendwann für bestimmte Fragen angewöhnt „unverbrannte“ Texte zu suchen. Also Stellen zu finden, wo Menschen bereit sind, auf diese zu schauen, diese Wirken zu lassen. Ging ich der Frage nach dem Ausharren nach, wurde dann Röm. 5,6-10 eine wichtige Stelle für mich, für die Frage nach der Auserwählung z.B. 1 Pet 1,1-2 oder Joh 12,37-43).

Ich bin immer noch der Meinung, dass diese Strategie manchmal berechtigt sein kann, ich habe sie aber zu oft verwendet. So habe ich oft zentrale Stellen ignoriert, und unvoreingenommene Leser NICHT auf die zentralen Stellen geführt. Andererseits hat jede Stelle auch ihre spezielle Nuance, ihren besonderen Aspekt, ihre aktuelle Lehre. Hier habe ich dann einerseits von Neuentdeckungen profitiert, nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ zu analysieren. Andererseits waren es aber nicht immer die beste Stelle für die vorhandene Frage. Im obigen Beispiel z.B. beantwortet Joh 12,37-43 weniger die Frage der Auserwählung als Gottes Souveränität und Verantwortung des Menschen im Umgang mit der Annahme oder Verwerfung Jesu.

Es macht vor allem Spaß mit Kindern über Gottes Wort zu sprechen, weil hier die größte Bereitschaft vorhanden ist, den Text so wie er ist zu betrachten. Hier ist es immer ein Gewinn vor allem die entscheidenden und besten Stützstellen zu betrachten.

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Ein Aufruf zum fleißigen Bibellesen

„Das große Problem mit dem Bibelstudium heute ist,mit der Einstellung, dass wir es für einfacher halten, als andere Dinge, die wir tun. Wir studieren Rezepte für gute Mahlzeiten, Anleitungsbücher für alle möglichen Dinge – Schreinerarbeiten, Klempnerarbeiten, Autoreparatur und so weiter – und lesen eifrig für unsere Hobbys. Warum denken wir, dass die Bibel das einzige Fach ist, das wir nicht studieren müssen?! Ich möchte euch herausfordern: Macht die Bibel zu eurem Hobby. Auf der einen Seite gefällt mir diese Analogie nicht; die Bibel muss so viel mehr sein als ein Hobby! Aber was wäre, wenn wir für das Bibelstudium genauso viel Zeit und Geld aufwenden würden wie für unsere Hobbys? Was wäre, wenn wir den gleichen Betrag, den wir für Golfschläger und -kurse oder für Skiausrüstung und Skireisen ausgeben, in das Bibelstudium stecken würden? Ja, Enzyklopädien, Kommentare und andere Nachschlagewerke sind teuer. Aber das gilt für alles, was wir tun. Es geht um die Frage der Prioritäten: Das was uns wichtig ist, darf uns Zeit und Geld kosten. Ich möchte euch ermutigen, sich die Hilfsmittel anzuschaffen und zu benutzen, die es uns ermöglichen, eine Brücke zurück in die biblische Zeit und zu den Absichten der (biblischen) Autoren zu schlagen“

aus „Grant R. Osborne, The hermeneutical spiral: a comprehensive introduction to biblical interpretation, Rev. and expanded, 2nd ed. (Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2006), S. 25.“ Eigene Hervorhebung und eigene Übersetzung

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Morgen-, Abend- und Tischgebete aus Luthers kleinem Katechismus

Während der Vorbereitung zu einem Vortrag über Martin Luthers Leben und Werk bin ich auch auf manch ein Kuriosum gestoßen, z.B. diese Gebete aus dem Kleinen Katechismus:

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren morgens und abends sich segnen.

Der Morgensegen

 Des Morgens, so du aus dem Bette fährst, sollt du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: „Das walt Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen.“

 Darauf knieend oder stehend den Glauben und Vater unser. Willst du, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen: „Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch JEsum Christum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht vor allem Schaden und Fahr behütet hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Uebel, daß Dir alle mein Thun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde! Amen.“

 Und alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen, oder die zehen Gebot oder was dein Andacht gibt.

Der Abendsegen

 Des Abends, wenn du zu Bette gehst, sollt du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walt Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen. Darauf knieend oder stehend den Glauben und Vater unser. Willtu, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen: „Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch JEsum Christum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast, – und bitte Dich, Du wollest mir vergeben alle meine Sünde, wo ich unrecht gethan habe, und mich diese Nacht gnädiglich behüten. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seel und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde! Amen.“

 Und alsdann flugs und fröhlich geschlafen.

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren das Segensgebet und das Dankgebet zu sprechen.

 Die Kinder und Gesinde sollen mit gefalteten Händen und züchtig vor den Tisch treten und sprechen: „Aller Augen warten auf Dich, HErr, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust Deine milde Hand auf und sättigest alles, was lebt, mit Wohlgefallen.„(Erklärung: Wohlgefallen heißt, dass alle Tiere so viel zu essen kriegen, dass sie fröhlich und guter Ding darüber sind; denn Sorgen und Geiz hindern solch Wohlgefallen.)

Darnach das Vater unser und dies folgende Gebet: „HErr Gott, himmlischer Vater, segne uns und diese Deine Gaben, die wir von Deiner milden Güte zu uns nehmen, durch JEsum Christum, unsern Herrn! Amen.“

Also auch nach dem Essen sollen sie gleicher Weise tun, züchtig und mit gefalteten Händen sprechen: „Danket dem HErrn, denn Er ist freundlich und Seine Güte währet ewiglich, der allem Fleische Speise gibt, der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die Ihn anrufen. Er hat nicht Lust an der Stärke des Rosses, noch Gefallen an jemandes Beinen. Der Herr hat Gefallen an denen, die Ihn fürchten und auf Seine Güte warten.“

 Darnach das Vaterunser und dies folgende Gebet: „Wir danken Dir, HErr Gott Vater, durch JEsum Christum, unsern HErrn, für alle Deine Wolthat, der Du lebst und regierest in Ewigkeit! Amen.“

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Die Krone des Lebens – Das Leben von Blanche Gamond von E.E. Ronner

Endlich habe ich Zeit gehabt, die eindrucksvolle Biographie von Blanche Gamond zu lesen. Der Schweizer, der die Geschichte dieser Leidens- und Glaubensheldin niederschrieb, hat viele solcher Biographien aufgearbeitet und erhält so die Geschichte vom schweren Schicksal der Hugenotten auch für unsere Zeit.

Blanche ist einzige Tochter einer wohlhabenden Seidenzüchter-Familie in Saint-Paul. Obwohl der Druck auf die französischen Protestanten immer mehr zunimmt und sie z.B. zwangsweise die Einquartierung von Dragonern (= „gestiefelte Missionare“) dulden müssen (natürlich auf eigene Kosten), ist ihnen im Edikt von Nantes Toleranz zugesagt. Doch König Ludwig XIV widerruft dieses Edikt 1685. Er hat ein Ziel, zu dem er von den Engsten Beratern am Hofe mit angefeuert wird: Frankreich frei von „Ketzerei“ zu machen. Dabei setzt er zunächst auf Zwangsbekehrungen. Jede Ausreise aus dem Land ist den Hugenotten untersagt. Was nun anfängt sind einige Jahre brutale Verfolgung sämtlicher Protestanten (und ihrer Sympathisanten) in Frankreich. In genau diese Zeit fällt Blanche junges Leben. Auf der Flucht, während sie schon das rettende Ufer der „Schweiz“ sieht, wird sie und ihre Mutter ergriffen. Sie muss ansehen, wie viele Hugenotten der Haft/Folter/Verachtung/Ausgrenzung nachgeben und zum Papismus konvertieren, so auch ihre Eltern. Doch Blanche und viele andere Schwestern bleiben treu. Selbst dann als sie in die Hände von niemand geringerem als La Rapine landen. Er ist Spezialist für die „Unverbesserlichen“ im Spital von Valence und denkt sich nahezu täglich neue Teufeleien für die Ketzer aus. Eine Odyssee des Leidens beginnt nun für Blanche, aus der Sie mit Gottes Hilfe siegreich hervorgeht.

Das Buch von Ronner ist hervorragend recherchiert. Die individuelle Geschichte von Blanche wird mit vielen Informationen über das Schicksal der Hugenotten erläutert. Immer wieder zitiert er offizielle Dokumente, Predigttexte, Briefe. Die Grundlage seines Werkes ist aber vor allem die Aufzeichnung über ihre Leiden, die Blanche Gamond in ihrem Exil in Bern selbst verfasst hat.

Insgesamt ein lesenswertes Buch und ein guter Einstieg in die Geschichte der leidenden protestantischen Kirche Frankreichs.

Das Buch ist leider nur noch antiquarisch erhältlich.

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Der Herr von Narnia oder der König der Ringe?

Ich denke Werke wie Narnia, Herr der Ringe (im Folgenden auch LoR) oder nehmen wir auch Harry Potter“ dazu, sind gut geeignet die „Konservativität“ vor allem reformierter Kreise zu bewerten. Da gibt es die schrumpfende Gruppe der Strengen, die Fantasy-Literatur völlig verbannt, dann finden sich nicht ganz so scharf getrennte Bereiche, die je nach dem nur Lewis den Vorzug geben, oder gleich von LoR und Narnia schwärmen. Mich irritierte an diesen Gruppen immer, warum die Liste immer so klein ist. Das führt eine andere Gruppe ein: Überall erkennt sie  eine Parallele zu Jesus, ob es nun Aslan, Gandalf, Harry Potter oder Batman sei (Die Parallele dieser Fälle ist schließlich geradezu aufdringlich groß : alle sterben für ihr Volk!)

Einerseits frustriert es mich, dass Tony Reinke in seinem Trauerartikel über Tim Keller vor allem an Kellers Art der Auslegung von Herr der Ringe zurückblickt. Aber noch mehr frustrierter bin ich an der Kritik an den sogenannten „New Calvinists“,  die von den „sogenannten echten Calvinisten“ ausgeht. Da kann man viele Leser mit Artikeln wie „Keller loves Harry Potter“ erreichen (es muss auch irgendwo ein deutsches Analog zu finden sein, dass ich gerade nicht auftreiben kann). Andererseits stimmt es mich doch nachdenklich, wenn ich mehr als 600 Ergebnisse für Lord of the Rings bei „The Gospel Coalition“ finde, die sich vor allem durch ihre Undifferenziertheit hervorheben.  Fünf der ersten sechs gefunden Artikel sind diese: Justin Taylor hat 2010 eine „Konkordanz für „the Lord of the Rings““ und über die fünf Dimensionen einer großen Geschichte veröffentlicht, 2012 sprach er über die Philosophie der Bücher, 2013 wo man die Hörbücher günstig erwerben kann und 2014 schließlich darüber, welche christlichen Themen Peter Kreeft in diesem Buch entdeckt hat. My oh My.

Letzlich spricht vor allem über ein äußerst zurückentwickeltes Unterscheidungsvermögen, wenn wir an Büchern die gelesen werden Menschen in vollständig vergitterte Schubladen schieben. Doch ein anderes Problem tut sich auf: Eigentlich tue ich mich mit allen drei Gruppen schwer. Die Märchenverweigerer habe ich schon in anderen Artikeln kritisiert (z.B. hier), so dass ich mich vor allem mit den Befürwortern chirstlicher Fantasy auseinanderswetzen möchte. Einige der Argumente hier finde ich verkürzt, andere konstruiert und wiederum andere nicht richtig dargestellt.  Ich möchte einige Beispiele ausführen, damit aber entblöße ich ein Stückweit auch meine Ratlosigkeit in diesen Fragen.  aber ich möchte lieber auf eine zufriedenstellende Position warten, als mich mit einer löchrigen zufriedenzugeben.

Kommt da eigentlich mehr?

Ich frage mich, warum die begeisterten Leser von LoR/Narnia eigentlich nicht auf die derart naheliegende Frage kommen: Warum finden sich nur diese beiden Autoren, die in den Kreis „guter Fantasy“ gelangen? Ich denke, diese Frage wird deswegen so selten gestellt, weil sie so unbequem ist. Denn sie offenbart mehrere Baustellen:

  • Warum z.B. hat manch ein Reformierter Nachsicht mit den nicht reformierten Positionen von Lewis und (noch mehr) Tolkien, während er doch gleichzeitig überall strengste Orthodoxie einfordert
  • Warum gibt es solche Autoren heute nicht mehr? Man würde doch bei mehr als 600 Artikeln erwarten, dass da eine ganze Schar christlicher Autoren im kommen ist, aber was man sieht ist im wesentlichen Wüste.
  • Warum ist die Liste überhaupt so klein und dreht sich ständig um die beiden Beispiele Lewis und Tolkien (Ich verrate eine Antwort: Es liegt daran, dass man zu wenig liest)

Wenn jemand wie J. Taylor über LoR schwärmt, bleibt für mich immer die Frage, warum dieses Schwärmen so überschwänglich ist. Ich frage mich, ob er eigentlich wirklich diese Art von Literatur heute in seinem Umfeld, in seiner Gemeinde haben möchte. Denn wenn er sie so gerne hätte, warum wird absolut nichts gemacht, um diese Art der Ausdrucksweise zu fördern.

Allgemeine Gnade goes wild!

Einst sagte Abraham Kuyper dass es nicht ein Quadratzentimeter Lebenssphäre auf dieser Erde gibt, die Jesus nicht vollständig für sich beansprucht. Damit unterstrich er den weiten Gebrauch dessen, was in der reformierten Theologie als „allgemeine Gnade“ bekannt ist. Ich glaube, dass die Reformierten damit etwas sehr deutlich sahen, nämlich das kein Lebensbereich gewirkt, kein Schicksal gelebt, keine Geschichte erzählt wird, ohne dass Gott darüber die völlige Herrschaft besitzt. Dennoch glaube ich, dass uns die Zügel schießen, wenn wir in allen Dingen, die wir sehen und erleben eine undifferenzierte Parabel für das Evangelium erblicken. Es ist keine Predigt von Jesus, nur weil mich etwas an Jesus erinnert. Blicke auf das goldene Kalb: Es war aus einem Edelmetall, es symbolisierte Stärke. Zeigte es uns so nicht den Unvergänglich Mächtigen? Sollte Aron und Mose nun nicht mit dem Kalb anfangen, um das Volk die ersten Schritte „echter Gotteserkenntnis“ zu lehren? Die Frage der Parallele der heidnischen Götter wird in der Geschichte Israels nur dringender: Da sind die babylonischen Götter, Marduk ganz vorne dabei. Marduk ist ein freier Gott, er ist ewig und herrscht voller Führung über die anderen Götter und die Menschheit. Wie viel Parallele zu Jahwe braucht es da noch? Macht es da so viel aus vor Marduk statt vor Jahwe niederzufallen, wenn doch Marduk eigentlich nur ein Gottesbild ist, dass aus allgemeiner Gnade geboren wird.

In „Herr der Ringe“ findet sich immer die Hoffnung auf „das gute Schicksal“, die auch „das Böse gebraucht“. Nun kann ich das wohl auch als Startrampe benutzen um über „Gottes Vorsehung zu sprechen. Oder sollte ich das als Kritikpunkt sehen, dass dieses Schicksal im ganzen Werk unpersönlich und unbekannt bleibt? Erinnert mich die regierende Hand des Schicksals wirklich an JHWH oder eigentlich vielmehr an Marduk?

Der Antichrist erinnert mich an Jesus?

Das man nicht am Wegweiser hängen sollte, sondern zum Ort ziehen muss, dahin er weist ist klar. Aber nicht jedes Schild zeigt in der tat den rechten Weg (auch wenn es einen Weg an sich zeigt und so ja schon ein Bild dafür ist, dass alles einen Weg zeigt, so wie ja Jesus der Weg ist). Ich werde zynisch! Aber das liegt daran, dass diese Metaphern so furchtbar verführerisch sein können. Nehmen wir an dem deutlichsten Symbol, dass auf Jesus zeigt: Da lässt jemand sein Leben, um andere zu retten. Aber wird der Antichrist selbst nicht einst versuchen das Sterben und die Auferstehung Christi „zu faken“. In Offenbarung 13 wird uns berichtet, dass das Tier gerade dadurch die Erde in Verwunderung setzten wird, dass es eine tödliche Wunde besitzen wird und doch wieder gesund wird (13,3). Gerade dass führt dann zur Anbetung des Tieres (13,14). Wie auch immer diese Verse praktisch realisiert werden, sprechen sie doch die Sprache, dass der Antichrist selbst das Sterben und die Auferstehung Christi „pervertieren wird“.  Doch steigt der Wert von Katzengold etwa dadurch, dass es wie Gold aussieht?

Wird der Antichrist zu einem Bild für Christus, weil er sein Sterben kopiert? Das ist vor allem ein Kritikpunkt an denen, die überall eine Parallele zu Christus sehen. Natürlich bietet sich die Parallele der Rettung aus der „Matrix“ nach „Zion“ in der Matrix-Trilogie geradezu von selbst an. Aber gleichzeitig bleibt der Film dennoch von gnostischen Motiven durchzogen. Erinnert mich Neo nun wirklich an Jesus oder doch eher an den Anitchristen? Natürlich muss Batman sterben, um Gotham City zu retten. Aber übersehe ich damit bloß, dass er ein Mann ohne Gewissheit und Zuversicht bleibt, niemals mit wirklichem Halt an einem fixen Gesetz, so wie es der Sohn an den Worten seines Vaters war? Es ist letztlich wahr, dass selbst der Antichrist mich an Christus erinnern wird, aber wie bringt mich das meinem Heiland näher?

Ist jede Fiktion okkult?

Wer Tolkien & Co verteidigt, greift oft zum Angriff und deckt auf, wie töricht es ist, Fiktion abzulehnen. Schließlich lese selbst der konservativste Christ unseres Zeitalters mit Hochachtung die Pilgerreise! Eine Allegorie, in der Christian selbst Dämonen und Riesen über den Weg laufen! Die Argumentation bekämpft aber ein Strohmann-Argument. Dass man bekümmert ist, über okkulte Literatur, was sollte da verkehrt sein. Als Vater von Schulkindern kann ich ein Lied singen. Wie froh wäre ich, wenn meine Kinder nun mal endlich nicht ein Buch über Gespenstervampire (Nur Gespenster oder nur Vampire reichen nicht mehr aus), Hexenaustreibungen, fantastische Tierwelten etc. lesen müssten. Das Zeug käst mich furchtbar an. Und ja, diese Bücher sind wirklich nicht mit dem hohen Niveau von Lord of the Rings vergleichbar und doch ist es eine Frage die mich beschäftigt: Sollte man nach der magischen Schule der Tiere noch nach Narnia reisen?

Ich teile die Besorgnis der Eltern, die nicht möchten, dass ihre Kinder erneut ein okkultes Buch lesen möchten (damit sage ich nicht, dass LoR oder Narnia okkult wären). Ich will nur sagen, dass von den Verteidigern der Fiktion manchmal so getan wird, als gebe es gar keinen Unterschied darin, welche Art von fiktiver Literatur man ablehnt oder akzeptiert.

Ist Realismus ein unterentwickelter Literaturstil?

Ich liebe den literarischen Realismus. Die Verteidiger von christlicher Fantasy-Literatur tun manchmal so, als wäre Realismus nur eine primitive Art der Literatur. Als hätte Dostojewski, ein ganz klassischer Autor des russischen Realismus nicht die Vorstellung gehabt, einem der Brüder Karamasow den Teufel zu Besuch zu schicken, als könnte Jeremias Gotthelf (der biedermeierischste Realist ever!) nicht in „die Schwarze Spinne“ über den Handel des Teufels mit in Not getriebenen Bauern schreiben, die dazu führt, dass sie überall Beulen bekommen, aus denen Spinnen schlüpfen.

Manchen mag hier nicht klar sein, was mich hier schmerzt. Vielleicht bin ich zu kleinlich, wenn ich in den Verteidigern der „christlichen Fantasy“ vorwerfe, dass sie zu gering über Realismus, zu oberflächlich über Literatur als ganzes denken.

Und Nu?

Man könnte mein Gerede von Tolkien/Lewis Fanboys als verächtliche Deklassifizierung aufnehmen. So ist es aber nicht gemeint. Ich würde mich als Lewis Fanboy sehen, ich lese ihn ungemein gern. LoR, wie auch der Hobbit fesselten mich sehr. Doch letztlich gibt Tolkien LoR im Vorwort selbst das Maß vor: Er wollte wissen, wie ein besonders großes Märchen sich entwickeln wird. LoR ist eben ein Märchen; ich habe von LoR in etwa genauso viel gelernt wie von den Märchen von  Wilhelm Hauff. Das Gottesbild dass LoR entwickelt ist verwirrend, vielleicht muss ich mit einem Katholiken bloß nachsichtig sein, aber vielleicht muss ich ihn auch dafür rügen, dass er mir das goldene Kalb vorzeichnet. Ich war noch ein Kind als ich Harry Potter las und kann mich nur noch rudimentär an das Werk erinnern, aber mir ist nicht wirklich klar, was der entscheidende Unterschied zwischen LoR und Harry Potter sein sollte. (Ich habe schon ein paar Mal das Experiment durchgeführt, in dem ich mich beraten lies, ob denn meine Kinder Harry Potter lesen sollen, und man verwies mich darauf, dass es ja bessere Bücher wie LoR und Narnia gebe).  

Lewis finde ich entschieden eindeutiger. Narnia ist explizit und eindeutig eine christliche Allegorie und als solche ausgelegt. Narnia erinnert mich eindeutig an Werke wie die Pilgerreise.

Für ein letztes Wort ist noch Raum: Wahrlich töricht ist es, all diese Werke nach ihren Verfilmungen zu bewerten. Ich weiß, wie entsetzt ich war, als ich die „Faune“ auf der Leinwand sah. Sie waren allen frohen Scheins beraubt, denn sie in den Büchern besaßen. Leider haben viele vor allem deswegen eine geringschätzige Meinung von LoR und Narnia, weil sie die Filme gesehen haben.