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Kein Buch, sondern ein Erlebnis: „Die Brüder Karamasow“

Ich habe schon einige Werke von Dostojweskij gelesen und hatte immer Mühe mich in der Mitte der Werke durch Abschnitte durchzukämpfen, die ich als zu langmatig empfand (Dostojewskij, der häufig pro Seite bezahlt wurde, „streckte“ seine Romane gelegentlich), deswegen entschied ich mich bei „Die Brüder Karamasow“ für ein Hörbuch.

Doch meine Vorsicht war bei diesem Werk fehl am Platz. Die Brüder Karmasow fesselt von Anfang bis zum Schluss. Im Zentrum des Romans steht vor allem Alexei („Aljoscha“) Karamasow, der Jüngste der drei Söhne von Fjodor Karamasow. Fjodor Karamasow ist ein Säufer, Lüstling, Geizhals und Spötter. Ein furchtbarer, kaum zu ertragender Mann, so dass sich dem Leser (oder Hörer) die gleiche Frage aufdrängt, die der älteste der drei Brüder, Dmitri („Mitja“) schließlich ausspricht: Warum sollte ein solcher Mann überhaupt am Leben bleiben?

Der Vater tut nun auch sein bestes, um die sowieso schon angeschlagene Liebesbeziehung seines Sohnes weiter zu untergraben, indem er um die gleiche Dame buhlt wie sein Sohn. Doch nicht nur das, er prahlt damit bei der ersten Zusammenkunft „der Familie“ nach Jahren. Man trifft sich im Kloster, dessen Mitglied Alexeij werden will. Bald geschieht auch das Drama, dass von Anfang an in der Luft schwebt: Der Vater wird ermordet aufgefunden, und alle Indizien sprechen dafür, dass es gerade der 28-jährige Mitja war, der den Mord begangen hat. Hat er doch wenige Tage vor dem Mord selbst überall herumposaunt, dass er am liebsten seinen Vater töten würde… Soweit der Ausgangspunkt des Romans, der nun sehr viele Seitenwege einschlägt. Sehr ausführlich wird das Leben von Starez Sossima, einem Art Eremetien-Abt geschildert, der der Mentor von Aljoscha ist. Der Starez schildert auf seinem Sterbebett sein Verständnis von Schuld, Vergebung und Verantwortung. Damit findet sich ein Gegenentwurf zum Konzept zum zweiten Bruder Iwan, der Atheist ist. („Ich leugne gar nicht, dass es einen Gott gibt, aber diese von ihm geschaffene Welt lehne ich ab. Ich gebe ihm mein Eintrittsbillett in diese Welt zurück“). Sein Modell schildert Iwan dem gläubigen Aljoscha in seiner Dichtung vom Großinquisition: Hier kehrt Christus während der Hochphase der spanischen Inquisition als Wundertäter auf die Erde zurück und wird natürlich nach dem ersten vollbrachten Wunder vom Großinquisitor inhaftiert, der nun Christus darum bittet, sich aus der Kontrolle der Kirche zurückzuhalten, die man nun im Griff hätte. Für Iwan ist diese Begebenheit nur die Begründung für seinen Nihilismus: „Alles ist erlaubt!“. In seiner Legende sieht er eine überzeugende Argumentation für den Nihilismus selbst aus religiöser Sicht.

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Mein Herz dichtet ein feines Lied… Liederbücher im Review

Wenn ich die Möglichkeiten habe, andere Gemeinden zu besuchen, bin ich immer besonders auf das verwendete Liederbuch gespannt, und konnte so einige interessante Liederbücher kennenlernen. Ich gestatte mir ein Kurzreview über verschiedene Liederbücher, die ich aktiv benutze. Schreibt mir doch im Kommentar, welche Erfahrungen ihr mit Liederbüchern gemacht habt und welche ihr empfehlen könnt?

Glaubenslieder von CV Dillenburg ist ein sehr umfangreiches Liederbuch mit über 550 Liedern. Die Mischung aus alten Glaubensliedern und vielen neuen ist sehr gelungen. Der Brüdergemeindliche Hintergrund birgt für mich teils gänzlich unbekannte Lieder. Von den aktiv von uns genutzten Liedern finden sich am meisten eher in diesem Liederbuch

+ Umfangreiche Liedauswahl
+ Noten und Text gemeinsam
+ Vierstimmiger Satz mit Akkorden
o Preis
– Dünnes Papier empfindlich
Gesamtbewertung: 4,5/5 Sternen

Loben ist der Klassiker unter den CLV-Liederbüchern. Das Liederbuch enthält 365 Lieder, für jeden Tag eines. Auch hier sind die Noten mit Satz und Akkorden versehen. Ich greife zu diesem Liederbuch, wenn ich Lieder von Siebald spielen möchte. Manche der neuen Arrangements sind meines Erachtens zu verkünstelt

+ günstig
+ Für sehr viele Lieder gibt es CD-Fassungen „zum Eintrainieren“
o Arrangements nicht immer gelungen
o Mittlerer Umfang
Gesamtbewertung: 4/5 Sternen

Über Einklang bin ich erst vor Kurzem gestoßen, obwohl das Liederbuch bereits 2019 erschienen ist. Es erscheint mir ein Stückweit wie ein Mix aus Loben und Glaubenslieder, wobei sich im Liederbuch auch einige gänzlich neue Lieder finden. Insgesamt ein gelungener Mix, den ich mir in Zukunft näher anschauen möchte. Vorteilhaft ist die Ringbuchfassung für Klavier und Musikbegleitung, die separat erhältlich ist.

+ Ringbuchfassung für Klavier
+ Neue und unveröffentlichte Lieder
+ Vierstimmiger Satz
Gesamtbewertung: 4,5/5 Sternen

Mit dem Liederbuch der Friedensstimme bin ich aufgewachsen. Der Umfang des Liederbuches mit über 1300 Lieder seine Stärke. Es sind auch einige gute Übersetzungen russischsprachiger Lieder dabei (ich persönlich hätte mir ein paar mehr gewünscht). Leider besitzt die recht teure Notenfassung keine Gitarrengriffe. Im Grunde rächt sich an dieser Stelle der große Umfang des Buches.

+ günstig
+ umfangreich
+ enthält Übersetzungen russischer
– Notenfassung ist zu umständlich (2 Bde.) und besitzt keine Gitarrengriffe
– gegenwärtig nur die Großdruckfassung erhältlich
Gesamtbewertung: 4/5 Sternen

Jugend für Christus wiederum war mein Jugendliederbuch. Wer die Möglichkeit hat, die Alte Auflage von vor 2009 zu erwerben, sollte es tun, denn mit der Revision 2009 wurden etwa 20 der fröhlichsten Lieder durch „gottesfürchtige ersetzt“. Die Stärke des Liederbuches sind gelungen anlassbezogene Lieder (Weihnachten, Ostern, Hochzeit, Erntedank usw…)

+ vierstimmiger Satz mit Akkorden
o nicht ganz so günstig
Gesamtbewertung: 4-4,5 (alte Auflage) / 5 Sternen

Bei „Sing auf dem Weg“ bin ich gespaltener Meinung. Einerseits freut es mich, dass viele auch komplexere russische Lieder mit ihrer emotionalen und künstlerischen Art nun auch auf deutsch erhältlich sind. Andererseits lässt manch einer der Liedtexte einen fragen, ob es sich dabei überhaupt um ein christliches Lied handelt, wenn vor allem z.B. die eigenen Emotionen besungen werden.

+ Vierstimmiger Satz mit Akkorden
+ viele kunstvolle Lieder aus dem Russischen übersetzt
– Text gelegentlich nicht sonderlich wertvoll
Gesamtbewertung 3,5/5 Sternen

„Seht unseren Gott“ von E21 ist schon so ein Liederbuch, wo eigentlich gleich alle mitsingen können. Die Schwäche des Buches ist neben seiner doch beschränkten Auswahl die Tatsache, dass sämtliche Lieder nur einstimmig notiert sind.

+ günstiges Ringbuch mit einer griffigen Auswahl
o- geringe Liedauswahl (136 Lieder)
– sämtliche Lieder nur einstimmig notiert
– gegenwärtig nicht verfügbar
Gesamtbewertung 3/5 Sternen

Man darf sich bei diesem Liederbuch von dem Jungen im Sakko auf dem Cover nicht abschrecken lassen. Die Auswahl der über 150 Lieder ist sehr gut gelungen und deckt ein weites Spektrum von Liedern ab, die von Kindern gerne gesungen werden. Alle Lieder enthalten Noten und Akkordsatz. Wer ein gutes Liederbuch fürs Singen mit den Kindern sucht hat mit diesem Buch sicher einen guten Anfang.

+ gelungene Liedauswahl
+ gut geeignet um mit Kindern zu singen, aber nicht „zu kindlich“
+ guter Umfang für ein Kinderliederbuch
Gesamtbewertung 5/5 Sternen
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Mit ChatGPT im Gespräch über Johannes 9, Sinn im Leiden, Mission und empfehlenswerte Bibelkommentare

Die Künstliche Intelligenz OpenAI bzw. ChatGPT ist in aller Munde. Sie schreibt kleine Programme, Gedichte und Sachtexte, löst Matheaufgabe und empfiehlt Pizzabelag. Auf Biblipedia findet sich gar ein Predigttext von ChatGPT. Ich konnte nicht wiederstehen auf chat.openai.com mit der künstlichen Intelligenz über Johannes 9 zu reden (Ich habe die Antworten von ChatGPT immer wieder gekürzt, da er häufig ganze Fragmente beinahe Identisch wiedergab, ansonsten aber nichts am Text geändert). Dennoch brachte ich die AI am Schluß dazu Jesus als Retter zu bekennen.

S.P: Welche Hintergrundinformationen benötige ich, um Johannes Kapitel 9 besser zu verstehen? Ich meine das Wunder Jesu, als er den Blindgeborenen sehend gemacht hat:

ChatGPT: Um das Wunder, das Jesus in Johannes 9 vollbringt, in seinem historischen und literarischen Kontext zu verstehen, könnten einige Hintergrundinformationen hilfreich sein:

  1. In der Bibel werden Wunder oft als Zeichen dargestellt, die die Autorität und Macht Gottes oder seiner Vertreter demonstrieren. Das Wunder des Blindengeborenen, der sehend gemacht wird, könnte also als ein solches Zeichen verstanden werden, das Jesus als von Gott gesandten Messias oder Prophet ausweist.
  2. Das Johannesevangelium gehört zu den späteren Schriften des Neuen Testaments und unterscheidet sich in mancher Hinsicht von den anderen Evangelien. Eines der Hauptmerkmale des Johannesevangeliums ist sein starkes Augenmerk auf die Verkündigung Jesu und seine göttliche Natur. Im Johannesevangelium werden viele Wunder beschrieben, die Jesus vollbringt, und sie werden oft als „Zeichen“ bezeichnet, die die Wahrheit seiner Lehren und seine göttliche Natur bezeugen sollen.
  3. In der jüdischen Tradition galt Blindheit oft als Strafe für Sünde. Das Wunder, das Jesus vollbringt, indem er den Blindgeborenen sehend macht, könnte daher auch als eine Art „Sündenvergebung“ oder „Reinigung“ verstanden werden, die Jesus für den betreffenden Menschen vollzieht.
  4. Johannes 9 findet innerhalb des größeren Kontexts des Johannesevangeliums statt. Es könnte daher hilfreich sein, auch die umgebenden Kapitel zu lesen, um das Wunder in seinem literarischen Kontext besser zu verstehen.

S.P.: Ist Strafe für die Sünde die übliche Erklärung für unser Leiden?

ChatGPT: In manchen Religionen und theologischen Traditionen wird das Leiden und die Not, die Menschen erfahren, als Strafe für Sünde gesehen. Dieser Gedanke findet sich zum Beispiel in der jüdischen Tradition und in manchen christlichen Traditionen. In der Bibel werden manche Leiden, die Menschen erfahren, tatsächlich als direkte Folge von Sünde dargestellt, zum Beispiel das Leiden, das Kain aufgrund seiner Mordtat erfährt (Genesis 4,12).

In anderen Fällen wird das Leiden, das Menschen erfahren, als Teil des menschlichen Lebens betrachtet, das alle Menschen aufgrund der ursprünglichen Sünde, die Adam und Eva begangen haben, teilen. Dieser Gedanke findet sich zum Beispiel in der christlichen Tradition, die das Konzept der Erbsünde lehrt.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Sichtweise des Leidens nicht die einzige oder universelle Sichtweise ist. In manchen Religionen und theologischen Traditionen wird das Leiden anders erklärt, zum Beispiel als Prüfung oder Gelegenheit zur persönlichen Entwicklung. Andere sehen das Leiden als einfach einen Teil des menschlichen Lebens an, ohne es direkt mit Sünde oder Strafe in Verbindung zu bringen.(…)

S.P.: Warum ist es wichtig für dich zu betonen, dass es keine allgemeingültige Antwort auf das Leiden gibt?

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Rezension: John MacArthur: Heiligung
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Rezension: John MacArthur: Heiligung – Gottes Leidenschaft für sein Volk

Heiligung – ein Buch von John MacArthur – das nicht nur für Pastoren und Älteste geschrieben wurde. Aber es ist auf jeden Fall eins, dass korrigierend und hilfreich für leitende Brüder ist. Die wenigsten werden die Gelegenheit bekommen, mit John MacArthur ein persönliches Gespräch zu führen. Aber mit diesem Buch kannst du dich mit ihm in einen Raum setzen. Und wenn du ihn dann fragen würdest, was vielen Gemeinden heute fehlt, würde er dir in ca. 1,5 Stunden erzählen, dass es vor allem an Heiligung mangelt.

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„Das Gericht über Gott“ – von John Stott

In dem umfassenden und ausgezeichneten Werk „Das Kreuz“ schreibt John Stott darüber, was er als „das größte und herrlichste aller Themen“ bezeichnet. Das Buch betrachtet weit mehr als den Aspekt des Sühnetodes, auch wenn das eine zentrale Stellung einnimmt. Scott schafft es vor den Leser allgemeinverständlich verschiedene Aspekte des Kreuzes Christi zu zeigen, die Bedeutung des Kreuzes für die Verkündigung, für unser Gottesbild, als Wirkung für unsere Heiligung und dem Sieg über dem Bösen, aber auch als Antwort auf ungelöste Fragen nach dem Leid, die Stott zu Ende seines Werkes betrachtet Hier findet sich die Kurzgeschichte „das Lange Schweigen“. An dieser Stelle ist keine Quelle angegeben und ich konnte auch in der englischen Fassung keinen Ursprung ausmachen, nehme also an, dass diese lesenswerte Kurzgeschichte von John Stott selbst stammt (ich hoffe der Verlag verzeiht mir ein etwas zu großes Zitat):

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Jesus predigen – nicht irgendwas!

In „Jesus predigen – nicht irgendwas!“ finden sich drei Essays von Wilhelm Busch über die Kunst des Predigers. Im ersten, ausgezeichneten Essay, der 1938 unter dem Titel „Vom Dienst des Predigers“ erschienen ist, schreibt Wilhelm Busch auch darüber, dass es „wichtig ist, die klare Linie des Textes in ihrer ganzen Einseitigkeit stehenzulassen, dem Text nicht seine Eigenheit rauben. Wir dürfen nicht aus der Sorge heraus, es könnten lehrhafte Missverständnisse entstehen, mit „zwar auch“ allerlei Einschränkungen einfügen, die schließlich die klare, anschauliche Richtung des Textes verwischen oder verbiegen.“

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„…und ihre Freundschaft zerbrach nicht“
aus "Der Silberne Sessel" von C. S. Lewis

„und ihre Freundschaft zerbrach nicht“ – In der silberne Sessel erfahren Eustachius und Jill von Rilian, dem Sohn Kaspians, der bei einem der zahllosen Versuche sich an der Schlange zu rächen, die seine Mutter ermordet hat, entführt wird.

Dieser Zwischenfall sollte die Freundschaft von Kaspian mit Drinian (der Leibwache des jungen Prinzens) unter starke Spannung setzen. Diese Begebenheit illustriert, wie Freundschaften durch Schicksalsschläge herausgefordert werden und wie Vergebung und Nachsicht eine Freundschaft bewahren können: Weiterlesen

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Russisch-Orthodoxe Seelsorge bei Starez Sossima
Aus die Brüder Karamasow von F.M. Dostojewski

„Die Brüder Karamasow“ ist ein Meisterwerk in unterschiedlichster Hinsicht. Vielleicht ergibt sich auf diesem Blog einst die Möglichkeit zu einer ausführlichen Besprechung dieses letzten Romans von F.M. Dostojewski.

Im Zweiten Kapitel des zweiten Buches des Ersten Teils dieses umfangreichen Werkes (mein russisches Hörbuch ist über 45h lang) können wir Starez Sossima (Ein Starez ist so etwas wie eine Art „Über-Abt“ eines orthodoxen Klosters) bei Gesprächen mit unterschiedlichen Ratsuchenden beobachten. Ich finde in seinen Antworten viel Weisheit, auch wenn man manches „ins Evangelische“ übersetzen sollte. Aus dem halben Dutzend Gesprächen (hier ab S. 34) habe ich drei ausgesucht.

Die Szenen sind in sich abgeschlossen, und bis auf eine haben sie auch keine weitere Bedeutung für den Verlauf des Romans, können also in sich gelesen werden. Ich habe sehr ausführliche Zitate gewählt, um auch die gezeichneten Rahmenbedingungen aufzuzeigen:

Kann schwere Sünde vergeben werden?

Beachtet das Feingefühl, mit dem der Starez das Private privat sein lässt aber vor allem den Hinweis auf das Evangelium am Schluss. In Dostojewskis Beispielen findet sich zudem immer ein Zusammenhang zwischen körperlichem und seelischem Leid.

„Der Starez hatte in der Menge bereits die glühenden Augen einer abgezehrten, offenbar schwindsüchtigen jungen Bäuerin bemerkt. Schweigend sah sie ihn an, ihre Augen baten um etwas,aber sie schien sich zu fürchten, näher zu kommen.
»Was führt dich her, meine Liebe?«

»Erlöse meine Seele, Vater!« sagte sie leise und langsam, fiel auf die Knie und beugte sich bis zu seinen Füßen. »Ich habe gesündigt, Vater. Ich fürchte mich wegen der Sünde.«

Der Starez setzte sich auf die unterste Stufe, und die Frau näherte sich ihm, ohne sich von den Knien zu erheben.

»Ich bin das dritte Jahr Witwe«, begann sie fast flüsternd und schien dabei am ganzen Körper zu zittern. »Ich hatte es schwer in der Ehe, er war alt und schlug mich. Dann lag er krank, ich sah ihn an und dachte: Wenn er nun wieder gesund wird und aufsteht, was dann? Und da kam mir dieser Gedanke …«

»Warte!« sagte der Starez und brachte sein Ohr ganz dicht an ihre Lippen. Die Frau sprach flüsternd weiter, so daß die anderen kaum ein Wort auffangen konnten. Sie war bald fertig. Weiterlesen

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Medienstapel im Sommer 2022

Im folgenden ein paar Files“, die im Sommer auf Ohren und Augen gingen:

Weisheit im Umgang mit den sozialen Medien

Viktor Martens von der Bibelgemeinde Bayreuth, hält hier einen Vortrag über Weisheit im Umgang mit den sozialen Medien. Sein Fazit ist, dass „Unsere digitale Ernährungspyramide“ korrigiert (oder umgekehrt) werden muss. In seinem Vortrag geht er auf ganz praktische Herausforderungen ein, die uns im Umgang mit sozialen Medien begegnen und entlarvt ein „zu Viel“ und ein „zu Schnell“ am Konsum der Sozialen Medien als Unweise. Unter anderem kann es passieren, dass ich letztlich nur das höre, was ich hören möchte, ja dass die entsprechenden Suchalgorithmen mir auch nur das auftischen, was ich hören möchte. Ein vielschichtiger und gelungener Vortrag mit vielen praktischen Situationen, frisch und unaufgeregt vorgetragen. Als exzellent würde ich den Vortrag bezeichnen, wenn er weniger in die Zeit der Corona-Situation sprechen würde:

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Lesestapel im Sommer 2022

Ein Blick auf Bücher, die meine Sommerferien begleitet haben.

  • „Die zwei Bücher an seine Frau“ von Tertullian. Eine verrückte Schrift, die eigentlich die radikale Ausrichtung Tertullians bezeugt. Er empfiehlt, ein weises Vorgehen für den Fall, dass er stirbt und sie als Witwe da bleibt: Am besten nicht wiederheiraten! Zitat Tertullian: “ Man kann sagen: wofür man erst einer Erlaubnis bedarf, das ist nicht gut. Wieso denn? Für das, was erst erlaubt wird, gibt es immer eine Veranlassung zur Erteilung der Erlaubnis, welche verdächtig ist. Das Vorzüglichere aber braucht nicht erst von jemand erlaubt zu werden – weil es unbedenklich und wegen seiner Einfachheit an sich klar ist.“ Man erahnt in diesem Buch den aufkeimenden Monastizismus der frühen Kirche
  • „Grieche sucht Griechin“ von Friedrich Dürrenmatt. Ein eleganter Anfang, ein vielversprechender Mittelteil, und wie so oft bei Dürrenmatt ein eher schwacher Abgang. Tatsächlich wurde das Werk nie beendet, und hat nur eine vom Autor beigefügte Schlußskizze. Ein groteskes Werk, dass den Menschen immer das Chaos vor Augen stellt. Da es um die Vermählung eines strenggläubigen Griechen (er ist tatsächlich „Altneupresbyteraner“) mit einer „heimlichen Mätresse“ geht, teils leicht anstößig zu lesen.
  • „Wahrheitsbekräftigung aller Artikel Martin Luthers“  Es war super schwer von diesem Werk überhaupt eine deutsche Fassung zu finden, obwohl man vor allem in der englischsprachigen Luther-Rezeption ständig zu dieser Schrift, die eine gebündelte Wiederlegung der Bannbulle von Papst Leo ist, darstellt.  Hier findet sich die Vorrede kostenfrei im Web. Das vollständige Werk ist Teil dieser Reihe. Sehr lesenswert. Der frühe Luther in Reinform: “ Daher sage ich auch jetzt noch: Hüte dich, hüte dich, Bruder Christ, dass du niemals auf deine Reue vertraust; nicht dieser, sondern deinem Glauben hat Gott Vergebung der Sünden verheißen. Es gibt nämlich zwei Worte Gottes: Das eine ist das Gebot, das andere ist die Verheißung. Das Gebot fordert Werke, die Verheißung Glauben. Und es ist nicht denkbar, wie die Verheißung erfüllt werden könnte ohne den Glauben durch irgendein Werk.“
  • Perelandra –  Trilogie. Nun bin ich bei Band drei angelangt und halte das Werk für einen äußerst gelungenen Gegenentwurf zur Sci-Fi-Literatur a la Star Wars oder Krieg der Welten. Einen kurzen Einblick in die ersten beiden Bände gebe ich in diesem Artikel.
  • F.B. Meyer: John the Baptist. Ich habe mich ausführlich mit dem Leben Johannes des Täufers beschäftigt. Das Neue Testament räumt diesem „von allen Frauen geborenen Größten“ weiten Raum ein; so überraschte mich z.B. der regelmäßige Bezug zu Johannes dem Täufer in der Apostelgeschichte. Zudem wird sein Dienst ebenfalls bereits im Alten Testament angekündigt. In der Vorbereitung konnte ich kaum sinnvolle und hilfreiche Literatur finden. Meyers Werk kann ich zu Gute halten, dass es wirklich alle Etappen im Leben von Johannes dem Täufer bespricht. Die Anwendungen sind aber deutlich überzeichnet, so dass das Werk letztlich an Prägnanz verliert.
  • Literatur zum Buch Richter: Nach einem Jahr Pause habe ich mir wieder Literatur zum Buch Richter vorgeknöpft. Die eigene Vorbereitung und Auseinandersetzung mit diesem Buch hilft mir nun viel ausgewogener mit weiterführender Literatur zu diesem Thema umzugehen. Ich habe das sehr konservative Werk von Bill Cooper gelesen „The Autenthicity of the Book of Judges“. Cooper erarbeitet zahlreiche hilfreiche Informationen auf, die die Glaubwürdigkeit des Buches Richter unterstreichen, geht aber nicht ausreichend auf kritische Elemente ein. Ich versuche zu diesem Werk bei Gelegenheit eine Rezension nachzureichen. Ich griff dann auf das Buch „The Triumph of Irony in the Book of Judges“ von Lillian R. Klein. Ein Buch, das vor allem die literarische Struktur, und vornehmlich die Verwendung ironischer, humorvoller, sarkasstischer Stilmittel des Autors beschreibt. Weitestgehend hat die Autorin hilfreiche Hinweise, auch wenn meines Erachtens meine Figur zu sehr über gedeutet wird. Schließlich bin ich noch auf „Story as Torah: Reading the Old Testament Narrative Ethically“ von Gordon Wenham gestoßen. Dieses Buch widmet sich der Frage, wie man die weitestgehend neutral und sachlich geschilderten Begebenheiten im Buch Richter und im Buch Genesis ethisch deuten kann. Der Autor weist darauf hin, dass die Struktur dieser Bücher oft Hinweise für die Deutung solcher Ereignisse gibt. Dieses Werk ist äußerst lesenswert.

Was habt ihr in euren Sommerferien gelesen?