Alle Artikel mit dem Schlagwort “Erwählung

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Georg Müller liest die Bibel und trifft auf die Erwählungslehre

Georg Müllers Autobiographie ist ein wirklich monumentales Werk. Leider ist auf deutsch nur ein Teil übersetzt worden, aber durchaus so viel, dass man einen Einblick in das Denken dieses Mannes bekommt, der prägend ist für das Denken der Brüdergemeinden bis heute ist. Müller gewährt Einblicke wie die entstehende Brüderbewegung auf Praktiken wie des „unbezahlten“ Predigtdienstes oder der „Führung beim Predigen“ gekommen ist. Punkte die in vielen Gemeinden bis heute relevant sind. Persönlich schwanke ich zwischen Bewunderung und Irritation, wenn ich Müllers Biographie lese. So gebe ich Müller z.B. Recht wenn er die Auswüchse einer verstaatlichen oder staatsnahen Kirche gründlich und treffend kritisiert. Wie er aber das Gegenstück realisiert hat, wirkt manchmal allzu willkürlich. Es will einem scheinen, dass Auswüchse der Brüderbewegung, an denen sie heute krankt (unendliche Streitigkeiten, Zersplitterung und eine gewisse Lehrfeindlichkeit) schon bei ihren Vätern ihre Keime hatten.

Dennoch kann uns Müller in vielen Dingen als Beispiel dienen, so in seiner Bereitschaft, sich von Gottes Wort formen zu lassen. Er war ein Treuer Knecht unseres Herrn! Er schreibt, wie er einige seiner Positionen fundamental überdenken musste, als er tiefer in Gottes Wort einstieg. Das Buch „Und der himmlische Vater ernährt sie doch“ kann man auch kostenfrei im Web lesen. Das nächste Beispiel zeigt vielleicht recht gut, wie einerseits die Kommentar-Feindlichkeit etwas anmaßendes an sich hat. Man muss fast an das Zitat von Spurgeon denken, als er einst sagte, wie seltsam es doch wäre, dass ausgerechnet die Menschen, die so viel Wert darauf legen, wie viel der Heilige Geist ihnen offenbart hat, so gering davon denken, was der Heilige Geist anderen offenbart hat. (aus „A Chat about Commentaries“, ab Zeile 9). Doch dann kommt Punkt 2 und 3 und 4 die jeden ernsthaften Christen ermutigen fleißig in der eigenen Bibel zu lesen und erneut bestätigen, dass ein ernsthaftes Bibellesen nicht ohne Frucht bleiben wird. Im späteren Verlauf berichtet er auch wie sich seine Haltung zur Missionsarbeit (von Organisation zur individuellen geistgeführten Berufung), zur Endzeit (vom Optimismus zum Pessimismus) und zur Taufe (von Kinds- zur Glaubenstaufe) geändert hat.

„1.) Nur das Wort Gottes kann unser Maßstab für die Beurteilung geistlicher Dinge sein; es kann uns nur durch den Heiligen Geist erklärt werden, der in unserer Zeit genauso wie zu allen Zeiten der Lehrer seines Volkes ist. Und nur der Heilige Geist kann uns unseren natürlichen Zustand zeigen, kann uns klarmachen, wie sehr wir einen Erlöser brauchen, kann uns befähigen, an Christus zu glauben, kann uns die Heilige Schrift erklären und beim Predigen beistehen usw. Dass ich ganz besonders den letzten Punkt verstand, war für mich von großer Bedeutung. Denn der Herr half mir, dies durch ein Experiment zu testen, indem ich alle Kommentare und fast jedes andere Buch zur Seite legte und nur das Wort Gottes las und studierte. Das Ergebnis war, dass ich an dem ersten Abend, an dem ich mich zu Gebet und Nachdenken über die Heilige Schrift in mein Zimmer zurückzog, in wenigen Stunden mehr lernte als bisher in vielen Monaten des Studiums. Aber der eigentliche Unterschied war, dass ich, indem ich dies tat, wirkliche Festigkeit für
meine Seele erhielt.
2.) Vor dieser Zeit hatte ich mich sehr gegen die Lehre der Erwählung und der bis zum Ende bewahrenden Gnade gewehrt – so sehr. dass ich noch wenige Tage nach meiner Ankunft in Teignmouth die Erwählung eine teuflische Lehre genannt habe. Aber nun wurde ich dahin geführt, diese kostbaren Wahrheiten durch das Wort Gottes zu untersuchen. Ich las das Neue Testament von Anfang an durch und achtete besonders auf alles, was mit diesen Lehren zu tun hatte. Zu meinem großen Erstaunen fand ich, dass jene Stellen, die über Erwählung und Bewahrung reden, etwaviermal so häufig sind wie jene, die scheinbar gegen diese Wahrheiten reden. Und wenig später, als ich auch diese Stellen näher untersucht und verstanden hatte, halfen auch sie mir in der Bestätigung dieser beiden Lehren….“

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George Whitefield: “ Christus – Die Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung & Erlösung der Gläubigen“

Der Herold Verlag hat eine Predigt von George Whitefield veröffentlicht, die nicht nur jeder lesen sollte, der sich ausführlicher mit dem großen Thema „Vereinigung mit Christus“ beschäftigt. Christen sind in Christus, das ist die einfache These und Whitefield führt sie aus (zunächst ist man geneigt zu fragen, was das mit dem Text zu tun haben sollte, aber mehr als man denkt):

„… Ich wünschte, die Leute wären wissbegieriger in Bezug auf den Bund der Erlösung zwischen Gott, dem Vater und dem Sohn! Denn wenn dies so wäre, gäbe es nicht so viel Streit um die biblische Lehre der Erwählung, und man würde sie nicht als eine teuflische Lehre verurteilen – etwas, das teilweise sogar durch sehr ernsthafte und vorbildliche Christen geschieht. Was mich betrifft, so kann ich nicht erkennen, wie man den wahren Sinn der christlichen Demut ohne die Erkenntnis der Erwählung erlangen sollte. auch wenn ich nicht behaupten möchte, dass jeder, der die Erwählung ablehnt, ein schlechter Mensch ist, so stimme ich dennoch Mr. Trail zu, der es für ein sehr schlechtes Merkmal hält, wenn jemand dies tut.

Ich denke, dass jemand ,der die Lehre der göttlichen Erwählung ablehnt – wer auch immer er sein mag – sich selbst nicht wirklich gut kennen kann. Denn wenn wir die Erwählung verwerfen, dann müssen wir uns zumindest zum Teil selbst rühmen. Gottes Wort sagt aber deutlich, dass sich kein Fleisch vor Gott rühmen kann (vgl. 1. Kor. 1,29): Daher ist es letzten Endes nur der menschliche Stolz, der sich dieser Lehre widersetzt. Denn „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“. (1. Kor 1,31).

Was soll ich sagen? Die Erwählung ist ein Geheimnis, das mit so einer strahlenden Heiligkeit leuchtet, dass – um es mit den Worten eines Mannes zu sagen, der viel von der erwählenden Lieb e getrunken hat – es sogar „die schwachen Augen von einigen von Gottes geliebten Kindern blendet.“ Doch obwohl sie es nicht wissen, kommen alle Segnungen, die sie empfangen, alle Vorrechte, an denen sie sich durch Jesus Christus bereits erfreuen oder erfreuen werden, von der ewigen Liebe Gottes des Vaters: „Aus ihm aber seid Ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung!“ Doch was genau sind diese Segnungen, die Gott den Gläubigen durch Christus schenkt.“

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Von der ewigen Vorherbestimmung Gottes

Calvin widmete diese Schrifte, deren Teile später auch in die 1559- Auflage der Institutio bildeten, der Stadt Genf. Die Schrift wurde Anfang 1552 als gemeinsame Erklärung der Genfer Pastoren. Calvin setzt sich mit dieser Schrift mit zwei katholischen Widersachern, Pighius und Siculus auseinander, aber er stellt sich auch der Ablehnung der doppelten Prädestination im protestantischen Lager. Die Schrift, ist in 47 kleinere Abschnitte eingeteilt, die immer wieder für ein „Deja-Vu“ gesorgt haben. Immer wieder ernüchternd festzustellen, wie uralt „moderne“ Einwände gegen die Prädestinationslehre sind.

Das Buch ist sicherlich eines der anspruchsvollsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe, das aber weniger durch das gewählte Thema zurückzuführen ist, als darauf, dass Calvin ständig Bezug auf die Thesen seiner Kritiker Pighius und Siculus nimmt. Man müsste eigentlich ihre Werke ebenfalls zur Hand haben. Aus diesem Grunde musste ich regelmäßig Abschnitte wiederholt durchlesen und kam relativ langsam durch das Werk voran.

Dennoch empfinde ich das Buch in mehrfacher Hinsicht als Bereicherung:

1.Wenn Calvin davon spricht, dass „Augustinus totus noster“ (Augustinus völlig unser) sei, dann ist das weniger ein Schmücken mit Federn der Kichenvätern sondern tatsächlich sattelfeste Kenntnis der unterschiedlichsten Werke von Augustinus. Bestimmt nimmt er etwa hundert Mal Bezug zu den Werken Augustins. Das spiegelt auch Calvins Absicht wieder, keine originellen theologischen Konzepte entwickeln zu wollen, sondern „klassisches Christentum“ zu vermitteln. Eine Köstlichkeit aus Augustinus´Enchiridion, dass ich durch Calvins Werk entdeckt habe:

„Es geschieht also nichts, wenn nicht der Allmächtige will, dass es geschieht, sei es, indem er zulässt, dass es geschieht, oder indem er es selbst tut (…) Und man darf nicht zweifeln, dass Gott gut tut, indem er geschehen lässt, was Böses geschieht. Denn er lässt es nur nach gerechtem Gerichte zu… Obgleich also nun das Böse, insofern es böse ist, nicht gut ist, so ist es dennoch gut, dass es nicht nur Gutes, sondern auch Böses gibt. Denn wenn es nicht gut wäre, dass auch Böses ist, so würde auf keine Weise von dem guten Allmächtigen zugelassen werden, dass Böses wäre. Ihm ist es ohne Zweifel ebenso leicht, zu tun, was er will, wie nicht zuzulassen, was er nicht will. wenn wir dies nicht glauben, so ist der Anfang unseres Glaubens selbst in Gefahr, mit dem wir an den allmächtigen Gott zu glauben bekennen.“

Nach der Lektüre habe ich unterschiedliche Werke von Augustinus auf meine Leseliste genommen. Weiterlesen

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„Denn ohne Leiden, Kreuz und Todesnöte kann man die Vorherbestimmung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott behandeln.“

Luther in Erfurt, von J.N. Paton, 1861, (c) gemeinfrei

Martin Luther ist ein Theologe des Kreuzes. Auch Fragen nach der Prädestination verband er mit dem Kreuz Christi. In seiner Vorrede zum Brief des Paulus an die Römer (1522) schreibt er:

„Im neunten, zehnten und elften Kapitel lehret er von der ewigen Vorherbestimmung Gottes, woher es ursprünglich fließt, wer glauben oder nicht glauben soll, wer von Sünden los oder nicht loswerden kann, womit es ja ganz aus unsern Händen genommen und allein in Gottes Hand gegeben sei, daß wir fromm werden. Und das ist auch aufs allerhöchste not. Denn wir sind so schwach und ungewiß, daß, wenns bei uns stünde, freilich nicht ein Mensch selig würde, der Teufel würde sie gewißlich alle überwältigen. Aber nun Gott gewiß ist, daß ihm das, was er vorherbestimmt, nicht fehlgehet, noch jemand ihm wehren kann, haben wir noch Hoffnung wider die Sünde. Aber hier ist den frevelhaften und hochfahrenden Geistern eine Grenze zu stecken, die ihren Verstand zuerst hierher führen und damit anfangen, zuvor den Abgrund göttlicher Vorherbestimmung zu erforschen und sich damit vergeblich bekümmern, ob sie vorherbestimmt sind. Die müssen sich denn selbst stürzen, daß sie entweder verzagen oder alles aufs Spiel setzen. Du aber folge diesem Brief seiner Ordnung entsprechend, beschäftige dich zuvor mit Christus und dem Evangelium, daß du deine Sünde und seine Gnade erkennest, danach mit der Sünde streitest, wie hier das 1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8. Kapitel gelehret haben. Danach, wenn du zum 8. (Kapitel) gekommen bist, unter das Kreuz und Leiden, wird dich das die Vorherbestimmung im 9., 10. und 11. Kapitel recht (verstehen) lehren, wie tröstlich sie sei. Denn ohne Leiden, Kreuz und Todesnöte kann man die Vorherbestimmung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott behandeln. Darum muß (der alte) Adam zuvor richtig tot sein, ehe er dies Ding leide und den starken Wein trinke. Darum sieh dich vor, daß du nicht Wein trinkest, wenn du noch ein Säugling bist. Eine jegliche Lehre hat ihr Maß, Zeit und Alter.“
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Rezension: Tim Kelly: Auserwählt und eins gemacht

Die Lehren der Gnade als Heilmittel gegen Spaltung

2024 ist eine erweiterte Auflage erschienen. Diese erweiterte Neuausgabe enthält nun auch ausführliche Erklärungen zu Römer 9-11 und Hebräer 6 und 10, die manchmal als Argumente gegen die Heilssicherheit angeführt werden.

Tim Kelly, Vater von vier Kindern, ist Gemeindegründer und Pastor der „Freien Evangelischen Bibelgemeinde Meine“ bei Braunschweig. Seine theologische und akademische Ausbildung hat er am Moody Bible Institute in Chicago und am Wheaton College in Illionis jeweils mit einem B.A. absolviert.

Das ist wohl das außergewöhnlichste Buch, das je zu diesem Thema verfasst worden ist. Tim Kelly fängt mit ein paar hermeneutischen Regeln an und wendet anschließend diese auf etliche Bücher der Bibel wie z.B. Römer, Korinther, Epheser an. Dem Bibeltext wird in seiner Funktion als dem „zweischneidigen Schwert“ Rechnung getragen. Er wird weder „gebogen“, so dass es passt, noch wird etwas „hineingelesen“.

Sehr interessant und aufschlussreich ist die Einleitung vor der Auslegung. Der Autor spricht das Thema der „Trennwand der Feindschaft“ zwischen Juden und Heiden an. Oft wird behauptet Apostel Paulus hätte den Römerbrief geschrieben mit der Absicht der Gemeinde in Rom eine umfassende Lehre der Rechtfertigung zu geben. Doch liest man den Römerbrief mit dem Hintergedanken, dass es der Zweck dieses Briefes war, diese „Trennwand der Feindschaft“ zwischen Juden und Heiden in der Gemeinde in Rom abzuschaffen und sie zu vereinen, dann erscheint einem der sonst so komplizierte Gedankengang und die Argumentation des Paulus auf einmal sehr logisch und nicht schwer.

„[…] In ihrem Eifer, den Römerbrief auf unsere heutige Welt anzuwenden, haben viele Christen übersehen, zu welchem Zweck Paulus ihn schrieb. Damit haben sie den geschichtlichen Zusammenhang missachtet, der zeigt, wie wunderbar und von welch praktischer Bedeutung die Erwählung, Vorherbestimmung und Berufung durch Gott sind. Wir benutzen Römer 1-3, um Sünder zu überzeugen, dass jeder gesündigt hat und den Tod verdient. Wir benutzen Römer 4-5, um unseren katholischen Freunden zu beweisen, dass wir allein durch den Glauben und nicht durch Gesetzeswerke gerettet werden. Jede zeitgenössische theologische Darstellung der Heiligung benutzt die Teile von Römer 6-8 als Argument. Kapitel 10 wird benutzt, um Christen zu ermutigen, ihren Glauben zu bezeugen. Kapitel 12-16 benutzt man, um zu einem christlichen Lebensstil zu ermutigen. Aber Kapitel 9 und 11 meidet man wie die Pest. Warum? Weil Christen darin versagt haben, den Römerbrief als Ganzes zu sehen. […]“

Aus diesem Hintergrund heraus zeigt Tim Kelly, dass die Lehren der Auserwählung früher von den Aposteln (nicht nur von Paulus) als „Heilmittel gegen Spaltung“ verwendet wurden. Denn letztendlich demütigt uns die Prädestinationslehre und lässt uns in stiller Anbetung persönlich fragen: „Herr, warum ich?“

Im zweiten Teil des Buches geht Tim Kelly auf ein paar Bibelstellen ein, die der Lehre der Auserwählung zu widersprechen scheinen. Er legt diese ebenfalls unter Beachtung der hermeneutischen Regeln aus. Einige dieser Bibelstellen sprechen beim genauen Hinsehen sogar für die Auserwählungslehre.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es ein sehr gelungenes und gutes Buch ist, das ich jedem aufrichtig suchenden Christ vorbehaltlos empfehlen würde.

„[…] Dieses Buch richtet sich an diejenigen, die nicht erkannt haben, welch wunderbare Rolle der Vater bei unserer Errettung innehat. Es richtet sich auch an die, die Probleme damit haben, Stellen wir 1Tim 2,4 und 2Petr 3,9 mit Gottes souveräner Erwählung und Vorherbestimmung auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wir werden betrachten, wie diese Stellen von den Verfassern der Schrift benutzt werden und feststellen, dass sie einander keineswegs widersprechen. Dieses Buch versucht aufzuzeigen, wie schön und von welcher praktischer Bedeutung die Lehren der Erwählung, Vorherbestimmung und Berufung sind. Dazu möchte ich aufzeigen, wie die Apostel Paulus und Johannes diese Lehren benutzen, um die theologische Grundlage für wahre christliche Einheit zu legen. […]“

Titel: Auserwählt und eins gemacht – Die Lehren der Gnade als Heilmittel gegen Spaltung
Autor: Tim Kelly
Sei­ten: 301
For­mat: 13,5 x 20,5 cm
Ein­band: Paper­back
Jahr: 2006/2024
Ver­lag: Betanien Verlag
Preis: 14,90 EUR
erhält­lich bei: cbuch.de