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Die verändernde Macht der Rechtfertigung aus Gnaden

„Vor kurzem ging ich durch die Straßen von Sandtown. Es fühlte sich für mich wie das vom Krieg zerstörte Vukovar an, nur dass diese Zerstörung nicht durch Krieg, sondern durch rassische Spannungen, Verbrechen und wirtschaftlichen Niedergang verursacht wurden. Es gab aber auch einen weiteren wichtigen Unterschied. Zwölf Blöcke der Stadt wurden durch die New Song Community zu einem Bereich der Liebe Gottes herausgeschnitzt. Tote Straßen aufs neue mit Leben erfüllt.

Mark Gornik, Pastor der Gemeinde machte die Bemerkung beinahe beiläufig. Als er die Vernichtung der Wohngebiete erklärte, meinte er, dass die Lehre von der Rechtfertigung aus Gnaden die notwendigen Ressourcen für Heilung enthält. Er muss es wohl wissen, dachte ich, schließlich lebt und arbeitet er hier in Sandtown schon seit mehr als zehn Jahren (…).

Doch für die meisten Theologen ist die Rechtfertigung aus Gnaden eine leere Doktrin. Manche haben sie verlassen und lassen sie auf dem theologischen Misthaufen dahinrosten; sie halten sie im Allgemeinen für nutzlos, ja selbst für deutlich geringere soziale Pathologien als wenig hilfreich, geschweige denn in Fragen von Armut, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Andere verfolgen eine Art antiquarisches Interesse an dieser Lehre. Sie untersuchen und polieren ein Artifakt des sechzehnten Jahrhunderts und zeigen ihre Sammlung stolz den seltenen Besuchern ihrer kleinen Museen. Ob nun rostig oder poliert, die Lehre von der Rechtfertigung aus Gnaden gammelt dahin, leer und leblos. Eine tote Lehre.

Könnte die Hoffnung für Innenstädte auch in der Wiederentdeckung der Lehre von der Rechtfertigung aus Gnade liegen? Wie können tote Straßen von einer toten Lehre belebt werden?

Stell dir einmal vor, du hast keine Arbeit, kein Geld und bist von der restlichen Gesellschaft abgeschnitten in einer Welt, die von Armut, Gewalt beherrsch ist (…) Dich umgibt dabei eine Gesellschaft, die vom eisernen Gesetz des Erfolgs regiert wird. Seine glitzernden Güter jagen an deinen Augen vorbei, wenn du fernsiehst und auf tausendfache Weise sagt die Gesellschaft dir tagaus und tagein, dass du wertlos bist, weil du nichts erreicht hast. Du bist ein Versager und du weißt ganz genau, dass du auch weiterhin ein Versager bleiben wirst, weil es keine Möglichkeiten gibt, morgen das zu erreichen, was du heute nicht erreicht hast. Deine Würde ist zerstört und deine Seele ist gefangen in der Finsternis der Verzweiflung.

Doch das Evangelium sagt dir, dass du nicht durch außenstehende Kräfte definiert wirst. Es sagt dir, dass du bedingungslos angenommen, ja viel mehr, bedingungslos und unendlich geliebt wirst, völlig unabhängig von dem, was du erreicht hast oder nicht erreichen konntest. (…)

Stell dir nun vor, dass dieses Evangelium von einer Gemeinschaft nicht bloß verkündigt, sondern verkörpert wird, die nicht das „Ergebnis von Werken“ ist, sondern eine Gemeinschaft ist, die „in Christus zu guten Werken geschaffen wurde“ (Eph. 2,10). Durch grenzenlose Gnade gerechtfertigt, sucht sie die „Rechtfertigung“ durch Gnade derer, die durch das unangebrachte Leistungsgesetz der Gesellschaft „ungerecht gemacht wurden“. (…) Das ist Rechtfertigung aus Gnaden, verkündigt und gelebt. Eine tote Lehre? Wohl kaum!“ (…)

Gottes Liebe ist diese unentbehrliche Fürsorge für die menschliche Seele, von der der Prophet spricht, wenn er ausruft: „Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! (Jes 55,1)“


Aus „Against the Tide“ – Love in a Time of Petty Dreams and Persisting Enmities von Mirsolav Volf (Kindle Positionen 1406 – 1431) – eigene Übersetzung

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“ Welch süsser Tausch, welch unerforschliches Walten, welch unverhoffte Wohltat…“

Faith Alone: Audio Lectures TitelbildIch höre derzeit mit Genuss Thomas R. Schreiners Werk (von ihm selbst vorgelesen übrigens): Faith Alone, welches ich via Audible erwerben konnte.

Schreiner fängt sein Werk mit einer Betrachtung der historischen Entwicklung der Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben an. Für einen Protestanten ist es hierbei immer spannend, wie die Kirchenväter zu diesem Thema standen. Fasziniert hat mich diese Aussage aus dem Brief des Mathetes an Diognetus. Der Verweis auf den süßen (oder fröhlichen) Tausch erinnert an Martin Luther. Hier findet sich dieses Werk in der Bibliothek der Kirchenväter. Insgesamt ist dieses Schreiben als eine sehr frühe christliche Schriftdes 2 Jh. zu werten. Die Idee dieses Zitat zu strukturieren habe ich von Justin Taylor von TGC.

Als aber das Mass unserer Ungerechtigkeit voll
und es völlig klar geworden war, dass als ihr Lohn Strafe und Tod uns erwarte,

und als der Zeitpunkt gekommen war,
den Gott vorausbestimmt hatte,

um fortan seine Güte und Macht zu offenbaren,
– o überschwengliche Menschenfreundlichkeit und Liebe Gottes

– da

hasste
und verstiess er uns nicht
und gedachte nicht des Bösen,

sondern

war langmütig und geduldig
und nahm aus Erbarmen selbst unsere Sünden auf sich;
er selbst gab den eigenen Sohn als Lösepreis für uns,

den Heiligen für die Unheiligen,
den Unschuldigen für die Sünder,
den Gerechten für die Ungerechten,
den Unvergänglichen für die Vergänglichen,
den Unsterblichen für die Sterblichen.

Denn was anders war imstande, unsere Sünden zu verdecken als seine Gerechtigkeit?
In wem konnten wir Missetäter und Gottlose gerechtfertigt werden, wenn nicht allein im   Sohne Gottes?

Welch süßer Tausch,
welch unerforschliches Walten,
welch unverhoffte Wohltat,

dass die Ungerechtigkeit vieler in einem Gerechten verborgen würde und die Gerechtigkeit eines einzigen viele Sünder rechtfertige!