Alle Artikel mit dem Schlagwort “Gesetz

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Johannes Calvin über Gesetz und Gnade

Ich habe mir „als Ostervorbereitung“ das Kapitel (II,16) über Jesu Leiden, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt sowie das Kapitel (III,25) über die Auferstehung der Toten in Calvins Institutio angeschaut und bin für die Nachfolge ermutigt und geistlich gestärkt worden. Interessanterweise fängt Calvin die Betrachung von Jesu Leiden mit der Frage an, warum es nötig ist, oder vielleicht besser formuliert: Wie wir in dem Leiden der Gnade Gottes teilhaftig werden. In II.16.2 bringt er eine wunderbare Ausführung, wie Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit durch das Opfer Christi uns erst kostbar wird. Ich zitiere ausführlich und wünsche allen Lesern ein gesegnetes Osterfest.

„Aber bevor wir weitergehen, müssen wir im Vorbeigehen der Frage nachsinnen, wie es sich denn miteinander vereinbaren lässt, dass Gott, der uns mit seinem Erbar­men zuvorgekommen ist, uns doch feind ist, bis er in Christus mit uns versöhnt ist! Denn wie hätte er uns in seinem eingeborenen Sohne eine solch einzigartige Bürg­schaft seiner Liebe zu uns geben können, wenn er uns nicht schon zuvor in freier Gnade freundlich gesinnt gewesen wäre? Hier entsteht also wirklich der Schein eines Widerspruchs, und ich muss also diesen Knoten zu lösen versuchen. Der Heilige Geist sagt es in der Schrift etwa so: Gott ist den Menschen feind gewesen, bis sie durch Christi Tod bei ihm wieder zu Gnaden gekommen sind (Röm. 5,10). Oder wir hören auch, der Mensch sei unter dem Fluch, bis seine Ungerechtigkeit durch Christi Opfertod gesühnt sei (Gal. 3,10.13), oder auch, er sei von Gott getrennt, bis dass in Christi Leib die Gemeinschaft wiederhergestellt sei (Kol. 1,21f.). Diese und ähnliche Sprüche sind unserem Verständnis angepasst, damit wir besser erkennen, wie jämmerlich und notvoll unsere Lage ist außer Christus. Denn wenn es uns nicht mit klaren Worten gesagt würde, dass Gottes Zorn und Strafe und der ewige Tod auf uns gelegen, so würden wir weniger anerkennen, wie elend wir ohne Gottes Er­barmen wären, und das Geschenk der Befreiung weniger zu schätzen wissen! Ich will ein Beispiel bilden.

Es hört jemand: Wenn dich Gott, als du noch ein Sünder warst, so gehasst und dich so von sich gestoßen hätte, wie du es verdient hättest, so wärest du jämmerlich zugrunde gegangen; aber Gott hat dich von sich aus und in freiem Er­barmen in Gnaden angenommen, wollte dich nicht gänzlich verstoßen und rettete dich aus solcher Gefahr. Wer das hört, der wird gewiss davon innerlich betroffen, er wird auch zu einem gewissen Teil erwägen, was er also Gottes Erbarmen für Dank schuldig ist.

Aber wenn er nun auf der anderen Seite hört, was die Schrift lehrt: Du bist durch die Sünde wirklich von Gott abgekommen, bist ein Erbe des Zorns, bist dem Fluch des ewigen Todes verfallen, ausgeschlossen von jeder Hoffnung auf das Heil, fremd aller Segnung Gottes, Sklave des Satans, Gefangener unter dem Joch der Sünde, schrecklichem Verderben ausgeliefert, ja, schon mitten darin! — dann aber ist Christus als Fürsprecher ins Mittel getreten und hat die Strafe auf sich genommen, hat gelitten, was nach Gottes gerechtem Urteil alle Sünder leiden mussten, hat all das Böse, das sie vor Gott verhasst machte, mit seinem Blute ge­sühnt; und nun ist durch dieses Sühnopfer dem Vater Genüge getan, durch diesen Fürsprecher sein Zorn besänftigt, auf diesem Grund der Friede Gottes mit den Men­schen fest gegründet, nun ruht auf dieser Verbindung Gottes Wohlgefallen gegen uns! — ich sage, wenn der Mensch das hört, wird er nicht um so tiefer das alles zu Herzen nehmen, je deutlicher und lebendiger ihm vor Augen gestellt wird, wie groß die Not ist, aus der ihn Gott herausreißt?

Kurz, wir sind ja von Natur gar nicht so beschaffen, dass wir nach dem Leben aus Gottes Barmherzigkeit recht ver­langen und dafür genugsam danken können, wenn uns nicht zuvor der Schrecken vor dem Zorn Gottes und das Entsetzen vor dem ewigen Tode durch die Seele dringt und uns zu Boden wirft; und deshalb unterweist uns die göttliche Lehre der­art, dass wir Gott als uns feindlich erblicken, seine Hand ausgereckt sehen, um uns zu verderben — aber doch nur, damit wir seine Freundlichkeit und seine Vaterliebe allein in Christus ergreifen!

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Das Gesetz und Evangelium recht zu unterscheiden, ist keines Menschen Kunst

Gefunden in Luthers Tischreden:

214. Das Gesetz und Evangelium recht zu unterscheiden, ist keines Menschen Kunst

Kein Mensch lebt auf Erden, der das Evangelium und Gesetz recht zu unterscheiden weiß. Wir lassen es uns wohl dünken, wenn wir predigen hören, wir verstehens; aber es fehlt weit, allein der heilige Geist kann diese Kunst. Dem Menschen Christus hats auch gefehlt am Ölberge, so daß ihn ein Engel trösten mußte; der war doch ein Doktor vom Himmel, dennoch wurde er durch den Engel gestärkt. Ich hätte auch gemeint, ich könnte es, weil ich so lange und so so viel davon geschrieben habe; aber, wenn es ans Treffen geht, so sehe ich wohl, daß mirs weit, weit fehlt! So soll und muß allein Gott der heiligste Meister sein.

212: Was Gesetz und Evangelium sei

Das Gesetz ist das, was wir tun sollen; das Evangelium aber handelt von Gott, von dem, was Gott geben will. Das erste können wir nicht tun; das zweite können wir annehmen, und zwar mit dem Glauben. Aber siehe, wie die Menschen sind: das erste, was sie nicht tun können, wollen sie tun, und das zweite, was sie annehmen sollten, wollen sie nicht glauben usw.

215.

Diese zwei Lehren, Gesetz und Evangelium, sind hoch vonnöten, die muß man beieinander haben und wohl treiben, doch unterschiedlich und mit großer Bescheidenheit, sonst werden die Leute entweder vermessen oder verzweifeln, besonders wenn der Teufel aus dem Evangelium ein Gesetz macht. Darum beschreibt Mose diese beiden Lehren sehr fein und wohl durch einen oberen und unteren Mühlstein (5. Mose 24, 6). Der obere Stein poltert und stößt; dieser ist das Gesetz, aber er ist von Gott recht gehängt, daß er nur treibt. Der untere Stein aber ist still und ruht, das ist das Evangelium. Unser Herrgott hat den Oberstein fein gehängt, daß er nicht ganz zerreibe und zermalme, sondern hat an beide, an den oberen und an den unteren Stein, Gnade gehängt.

[Aus: Martin Luther: Der neue Glaube. Martin Luther: Gesammelte Werke, S. 6292-6296
(vgl. Luther-W Bd. 9, S. 98-99) (c) Vandenhoeck und Ruprecht
http://www.digitale-bibliothek.de/band63.htm ]

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Schlechtes Gesetz versus gutes Gesetz

Robertson McQuilkin schreibt in seiner „Biblischen Ethik“ im Rahmen der Besprechung von Bestrafungen von Verbrechen:

„Im Allgemeinen verstärken gute Gesetze moralische Standards, und schlechte Gesetze schwächen moralische Standards. Es gibt viele Arten, schlechte Gesetze oder Justizsysteme zu entwickeln.

Nicht durchsetzbare Gesetze, welche die Gesellschaft nicht durchsetzen will, so wie die amerikanische Prohibition) sind schlecht, weil sie den Respekt für das Gesetz untergraben, wenn sie nicht durchgesetzt werden und Korruption unter den Bürgern und den verantwortlichen Beamten fördern. 

Ungerechte Gesetze gibt es auf unterschiedliche Arten. Es ist ungerecht, Beweise vom Hörensagen anzuerkennen oder jemanden ohne angemessene Beweise zu verurteilen. Es ist ungerecht, ein Opfer von sexueller Gewalt oder von Kindesmissbrauch wiederholten emotionalen und mentalen Angriffen, Scham und Einschüchterung im Gerichtssaal auszusetzen. Eine vorherrschende Art der Ungerechtigkeit in unserem gegenwärtigen System ist, dass die Armen ohne Beziehungen und die Ungebildeten proportional wesentlich häufiger verurteilt werden als jene, die sich die Vertretung durch einen Rechtsanwalt leisten können, die Freunde in hohen Positionen haben und wissen, wie man das System „bearbeitet“. Es ist ungerecht, jemanden zu einer Gefängnisstrafe zu verurteilen, der einen Ladendiebstahl im Wert von zehn Dollar begangen hat, aber kein Gesetz dagegen zu haben, dass der Besitzer der Ladenkette die Regierung illegal um Hunderte und Tausende von Dollars seiner Einkommenssteuer bringt.“

Im weiteren Verlauf schildert der Autor, wie vier völlig unterschiedliche Verbrechen (ein Mord, ein Kuss und die Ermordung eines „königlichen Schwans“) zu komplett gleichen Strafen geführt haben.

Obwohl McQuilkin vornehmlich die US-Amerikanische Situation im Blick hat, ist sein Impuls bedenkenswert, ich denke auch in der Besprechung und Bewertung der Corona-Maßnahmen.

Das das Infektionsschutzgesetz bis zu fünf Jahre Haft bei Verstößen dagegen androht (siehe hier) ist schon starker Tobak, wenn man bedenkt, dass die Kosten des Gesundheitssystems vom privaten Bürger getragen werden und im Blick hat, dass hier Politik vornehmlich durch Verordnungen, also sowohl am Parlament und am Föderalismus vorbei, also mehrfach die prüfenden Augen der Gewaltenteilung aushebend, realisiert wird. Wenn man Kinderpornos besitzt und verbreitet, kommt man übrigens mit einem halben Jahr auf Bewährung davon, wie uns ein bekannter Fußballspieler neulich lehrte.

Ich denke auch, dass das ein Aspekt ist, der in der Bewertung der Corona-Maßnahmen zu kurz kommt, so wie er z.B. in der Erklärung „Jesus im Mittelpunkt behalten – trotz Corona“ dargestellt wird. Ein schlechtes Gesetz ist nämlich für mich die Möglichkeit als Bürger mich bei Regierung und mit sonstigen Mitteln dafür einzusetzen, dass dieses Gesetz „besser wird“. Der Pauschale Verweis ja/nein genügt da nicht. Noch weniger überzeugt es, wenn man Kritiker der Maßnahmen, die z.B. gerichtlich gegen Verordnungen vorgehen, bereits „unbiblischen Verhaltens“ zu tadeln. Im Übrigen würden wir ja kaum jemanden so auf den Pranger stellen, weil er regelmäßig mit Strafzetteln für schnelles Fahren zu rechnen hat. Und ja, ich weigere mich die Aufrichtigkeit hinter den Maßnahmen zu akzeptieren, wenn ich die Hunderttausend Abgetriebenen Jährlich im Blick habe. Manche scheinen zu vergessen, dass kaum ein Politiker so vehement für die Verpflichtung zum Tragen medizinischer Masken gekämpft hat, wie Nüßlein. War sicher nur ein Zufall…

Ich beobachte sehr wohl auch ganz lebensnah diese Ausgewogenheit. Für den 09.05.2021 wurde für unsere Stadt eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen abgesagt. Die Polizei marschierte mit 300 Polizisten durch die Stadt, um die knapp 30 illegal doch angekommenen Demonstranten die geballte Macht des Staates entgegenzusetzen. Aber was konnte ich dann beobachten: Sah ich doch wirklich zwei Polizisten in einem Fahrzeug der Bundespolizei ohne den verpflichtenden Mundschutz herumfahren (Etwas was mir übrigens schon häufiger aufgefallen ist). Normalerweise empfände ich es als gewisse Erleichterung, wenn auch die Polizei nicht penibel auf dem Buchstaben des Gesetzes baut, aber hier packte mich doch ein „heiliger Zorn“. Einerseits ein Grundrecht auf Demonstrationen so rigoros einschränken und doch gleichzeitig so locker mit der Maskenpflicht umzugehen, kann nicht ausgewogen sein.

Ich habe das Fahrzeug daraufhin bei der Polizei gemeldet. Ob wirklich irgendwelche Maßnahmen unternommen werden, werde ich nie erfahren können. Wer soll mir garantieren können, dass hier nicht eine Gilde wie Pech und Schwefel medienwirksam zusammenhält?  Werden dem Polizisten nun auch fünf Jahre Haft für potentielle Verbreitung von Corona angedroht? Oder anders gefragt: Meine Heimatstadt Villingen-Schwenningen ist nun mal Hochburg für Prostitution und Sexgewerbe, ein beachtlicher Teil davon ist illegal organisiert. Warum nicht auch mal hier mit brachialer Staatsgewalt samt Hubschrauber durchgreifen?

Mich persönlich frustriert nur eine Sache dabei: Ich bin nämlich äußerst unpolitisch. Zunehmend kommt also die Frage auf, wie gerecht Gesetze sind, wenn zunehmend alltägliche Handlungen politisiert werden.

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„Alle hoffen, dass der Teufel jenseits des Meeres ist und wir Gott in der Tasche haben“

Book as Artifact, Artifact as Book: Part Four • Southwestern UniversityEigentlich ist es eine logische Schlussfolgerung von Luthers rigoroser Verteidigung von sola fide und sola gratia, dass man den Sinn des Gesetzes völlig in Frage stellt. So tat es auf jeden Fall auch Johannes Agricola, ein lutherischer Theologe, auf den Luther so viele Hoffnungen setzte, dass er ihn in seinem Heim in Wittenberg ließ, und sich von ihm selbst für Predigten und Vorlesungen vertreten ließ. Agricola war nun der Ansicht, dass die Predigt des Gesetzes für Christen unnötig ist, da man nun im neuen Bund, nämlich im Bund der Gnade lebt. Entsprechend gehören das Gesetz Gottes bzw. die Zehn Gebote aus der Kirche (…) verstoßen und in das Rathaus (…)verwiesen;“

Wie aber sollte die Predigt des Evangeliums ohne Gesetz möglich sein? „Lieber Gott, kann man es denn nicht ertragen, dass die heilige Kirche sich als Sünderin erkennt, die an die Vergebung der Sünden glaubt und dazu im Vaterunser um die Vergebung der Sünden bittet? Woher weiß man aber, was Sünde ist, wenn es das Gesetz und das Gewissen nicht gibt? Und woher will man lernen, was Christus ist, was er getan hat für  uns, wenn wir nicht wissen sollen, was das Gesetz ist, das er für uns erfüllt hat, oder was Sünde ist, für die er an unserer Stelle genuggetan hat?“ Agricolas Vorschlag das Evangelium nur aus dem Trost der Tat Christi zu predigen, lehnt Luther entschieden ab.

Luther listet auf, wie wichtig das Gesetz für ein protestantisches Programm der Bildung und Erziehung eines Christen wichtig ist, auch verwurzelt im lutherischen Bekenntnis: „Und es wundert mich sehr, wie man mir unterstellen kann, dass ich das Gesetz bzw. die Zehn Gebote verwerfen wollte, wo es doch von mir so viele Auslegungen der Zehn Gebote und nicht nur eine gibt, die man in unseren Kirchen auch täglich predigt und lehrt, ganz zu schweigen von der Confessio Augustana und der Apologie und unseren anderen Büchern.“

Luther hält in seiner Schrift vehement fest, dass er sowohl Gnade, wie das Gesetz erhalten nebeneinander und zusammen erhalten möchte:

Für Luther geht es dabei nicht um Details. Eine Ablehnung des Gesetzes wäre Grund genug für ein Schisma: „Selbst wenn ich unterstelle, dass ich gelehrt oder gesagt hätte, man sollte das Gesetz nicht in der Kirche lehren – obwohl doch alle meine Schriften es anders zeigen und ich von Anfang an immer den Katechismus behandelt habe –, sollte man mir darum so stur anhängen? Oder sollte man nicht mir selbst widersprechen – da ich doch alle Zeit sehr anders gelehrt habe – und von mir selbst abfallen, wie ich es mit der Lehre des Papstes getan habe?“ Weiterlesen