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Wie können wir denn lesen? (3): Bekenntnisse eines Kunstwerkers

Dieser Artikel ist nun endlich der abschließende Teil einer Trilogie, die zu lange offen blieb.

Der erste Artikel war eine grundlegende Einführung und liest sich für mich rückblickend zu sehr nach Imperativ. Im zweiten Teil blickte ich auf die praktische Situation des Bibellesens. Ist ernsthaftes Bibellesen wirklich möglich?

Ich denke in beiden Artikeln war ich nicht praktisch und einfach genug. Ein letzter Versuch also.

Ich fange mit einem Geständnis an: Noch bis vor wenigen Jahren war mein handwerkliches Können schlechter als eine „Null“. Selbst mit 25 war ich damit überfordert einen „Fahrradreifen“ aufzupumpen“ und die einfachste Tätigkeit machte mich nervös, kribbelig, hoffnungslos. Wer denkt, dass ich übertreibe, findet genug Menschen, die meine Unfähigkeiten bestätigen durften. Auf den Baustellen meiner Schwager traute man mir niemals mehr zu, als „den Müll“ zusammenzusammeln (was auch eine wichtige Tätigkeit ist, ich bringe dieses Argument an dieser Stelle als Beweis für meine handwerkliche Unfähigkeit). Aber es gibt auch Beweise anderer Art. Als ich anfing, (mit >25 Jahren) mich doch an handwerkliche Aufgaben zu wagen, plante ich und baute die Streifenfundamente für die Fertiggarage selber. Ich weiß noch, wie der Fahrer fluchte, als er die Garage anfuhr: zwischen den beiden Streifen lag ein Höhenunterschied von mehr als 10cm…. „Welcher Mensch hat denn diesen Sch…dieses Kunstwerk“ produziert, sagte er zu mir. Nun man konnte eine Montagelösung finden, aber nicht unbedingt eine Lösung für den beständigen handwerklichen Misserfolg.

Also, falls jemand denkt, dass ich mich nun für einen „guten Handwerker“ halte… Weit gefehlt. Ich bringe das Beispiel, dass dieses Jahrzehnte alte Entmutigungsfeld seit einiger Zeit zu einem „Hoffnungsfeld“ für mich geworden ist. Nicht jedes Projekt gelang hundertprozentig, manches misslang eindeutig, aber, dass ich es geschafft habe, die bis dahin ständig ausfallende Solaranlage, an der bisher viermal der Handwerker scheiterte, selber zum Laufen zu bringen, bestätigt mich, dass eine wirkliche Veränderung meiner Haltung zur praktischen Arbeit stattfand.

Als neuerdings die Waschmaschine ein Leck hatte, habe ich mich geradezu darauf gefreut, dieses zu finden und zu reparieren. (Was in der Tat nach einigen Umwegen gelang)

Im Übrigen, falls jemand denkt, dass ich mich dieser Eskapaden rühme. Eigentlich ist es mir immer peinlich, dass ich gerade als Ingenieur ein derart ungelenkes Verständnis von Technik und Handwerk besitze.

Warum diese Beichte? Weil das entscheidende Element, dass meine „zwei Linken Hände“ „auskorrigierte“ in einfacher Lektüre bestand. In welcher Lektüre genau? Meist sind es YouTube-Videos, häufig auch Foren, manchmal Handbücher. Eigentlich fing das mit dem Wechsel eines Fahrradschlauchs an. Es wollte mir nicht gelingen, doch ein Video mit einer Anleitung anzuschauen, da war ich zu stolz. Ich lobe die Geduld meiner Frau, die beharrlich das Video empfahl. Die 4 oder 5 Minuten des Videos glichen einer endlosen Zeitverschwendung, doch etwa die gleiche Zeit später, war der Schlauch gewechselt und das Rad montiert.

Worauf will ich hinaus: Ich bin kein Handwerker, und das ist in Ordnung so. Das man kein Handwerker ist, bedeutet aber nicht, dass man nicht ein vorhandenes Problem nicht lösen kann. Neuerdings gelingen selbst komplexere Aufgaben. Zu Beginn war es für mich furchtbar öde und plump, Anleitungsvideos in YouTube anzuschauen (Auswahl an Ausreden: „sie dauern so lange, reden langsam, wollen ständig, dass man ihren Kanal abonniert..“), aber es war und ist genau der Weg, der funktioniert. Langsam ändert sich meine Meinung, und als die Solaranlage erneut versagte, griff ich zu YouTube Die zwei Tage Arbeit sollen sich schon bald auszahlen, den gerade bei steigenden Gaspreisen entlastet die Anlage unsere Heizungskosten deutlich.

Zurück zum Lesen: Wenn du kein Leser bist, ist das völlig in Ordnung. Aber erwäge Themen, wo es sich für dich lohnt, sich in ähnlicher Weise „reinzuknieen“, wie ich mich bei praktischen Herausforderungen reinknien muss. Es kann ein kulturelles Thema sein, geschichtliche Entwicklungen, Fragen der Exegese, soziale Fragen, Literatur an sich, etc… Ich weiß nur eins: Es wird das, was öde und plump wirkt, sich äußerst schnell auszahlen. Für mich wirkt praktische Arbeit abschreckend, vor allem weil sie eine Menge unangenehmer Erfahrungen weckt, aber ein seriöser Umgang mit diesem praktischen Herausforderungen hat mich reifen lassen. So wird es dir gehen. Ein seriöserer Umgang mit deinen eigenen Fragestellungen, wird Frucht zeigen. Das Gute und Rechte zu lesen, wird dich verändern, so wie mich das Anschauen von Videos mit dem Titel „Warum tropft meine Waschmaschine“ verändert. Wenn aus zwei Linken Händen zwei Rechte werden können, können sich auch zwei Linke Gehirnhälften verändern.

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Unterm Rad von Hermann Hesse
Eine Erzählung über ein vernachlässigtes Thema

Hermann Hesse auf suhrkamp.de„Unterm Rad“, einer frühen Erzählung von Hermann Hesse ist es zu verdanken, dass ich ein wenn auch gespaltener Fan von Hesse bin.  Die Novelle handelt von Hans Giebenrath, einem begabten Jugendlichen, der an den Ansprüchen der Pädagogik an ihn schließlich endgültig scheitert. Natürlich ist hier auch eine Abrechnung Hesses mit der preußischen Internatskultur zu finden. Doch diese lokale Interpretation hat den globalen Gedanken,  dass es eine DER Urängste des Menschen ist, unter die Räder zu kommen: Ob nun die Räder der Umstände, oder der eigenen Ansprüche, die Gefahr einer vollständigen Katastrophe begleitet den Menschen bereits bei den ersten (erfolgreichen?) Schritten einer schulischen Laufbahn.

Ich glaube „Unterm Rad“ liefert einige gute Analysen dafür, dass z.B. auch wohlwollende Nächste, den schaurigen, von Beginn vorhandenen Prozess des Untergehens nicht wahrnehmen können: Hans, als einziger aus seiner Stadt, erreicht die Teilnahme an einem Landesexamen in Stuttgart. Entsprechend bekommt er zwar einerseits Extraunterricht, aber auch Angelverbot und eine Einschränkung des Umgangs mit seinen Freunden. Jeder blickte auf eine zukünftige herrliche Karriere von Hans, aber nicht auf die verkümmernde Seele des Jungen. Lediglich der Schuster und pietistische Stundenbruder Flaig sieht mehr, gibt andere Ratschläge, scheitert schließlich aber auch daran, den „Jungen zu retten“ (Vergleiche dafür auch das ausführliche Zitat am Ende des Artikels).

Natürlich zeigt Hesse auch den Gegentyp von Hans auf, in Form von Hermann Heilner, dem Hans auf dem Internat im Kloster Maulbronn begegnet, nachdem er das Examen in Stuttgart überraschend gut bestanden hat. Heilner ist wohl intelligent und macht sich nichts aus der Schule und auch nichts daraus, dass er irgendwann, nach einer unerlaubten Flucht, des Internats verwiesen wird. Doch hier ist ja nicht wirklich eine Lösung für das „Ausharren im Räderwerk“ zu finden, sondern eher ein Entzug, eine Flucht aus dieser Räderung. Weiterlesen