
Dieses Jahr empfinde ich die Aufrufe „das Richtige zu wählen“ als besonders zahlreich. Die Buchhandlung-Kette und die Unfallversicherung rufen dich auf, etwas Vielfältiges zu wählen, das Unternehmen etwas Bewährtes und manch ein Konservativer die Alternative. Geh wählen, ist der Tenor, aber wähle doch das Richtige! Insbesondere die Huldigung der Intellektuellen Elite des Landes vor den Grünen ist dabei, ehrlich gesagt, sowohl besonders aufdringlich, wie verwirrend.
Dieser soziale Druck das Kreuzchen „an die richtige Stelle zu setzen“ rief in mir die Erinnerung an ein Werk wach, dass ich bereits vor einiger Zeit gelesen habe.
Es handelt sich um „Persisches Feuer“, eines der Früheren Werke des Historikers und Autoren Tom Holland, der vor einiger Zeit zum Christentum konvertierte. Wie der Titel erahnen lässt, handelt das Buch vom Persischen Reich. Ich habe zu diesem Buch gegriffen, weil ich mir hilfreiche Hintergrundinformationen zur Umwelt des Alten Testaments versprach, die sich im Buch aber nur spärlich finden. Ein Grund mögen hier auch auf die wenigen (zuverlässigen) Quellen sein, auf die Holland zurückgreifen kann. Insgesamt zeichnet das Buch die Zeit des persischen Reiches von Kyros bis Xerxes auf, doch in diesem Artikel wollte ich auf das Kapitel 4, dass den knappen Titel „Athen“ trägt aufmerksam machen.
Bekanntlich kamen die Perser nie in den Genuss das griechische Reich ganz zu beherrschen, doch der Kampf um Griechenland blieb ein wesentlicher Aspekt des persischen Reiches und bildet einen besonderen Schwerpunkt des Buches. Vielleicht einen so großen, dass man sich fragt, ob der Titel des Buches richtig gewählt wurde. Denn nach der ausführlichen Besprechung Spartas in Kapitel 3 widmet sich der Autor in Kapitel 4 Athen. In diesem findet sich im Abschnitt „Alle Macht dem Volke“ (S. 161 ff) eine gründlich recherchierte und ausführlich geschilderte Darstellung der athenischen Demokratie, wie sie von dem Alkmeoniden Kleisthenes 508/507 v. Chr. in Athen eingeführt wurde.
Da nicht nur der Aufruf „wählen“ zu gehen sich vermehrt, sondern auch die Aussage, dass „die Demokratie gefährdet ist“, wird dieses Buch interessant. Ich denke dabei z.B. an mein kleines Städtchen Königsfeld. „Unsere Demokratie ist gefährdet“ wird verkündet und zu Handlung aufgerufen. Die lokalen Nachrichten zitieren den Altpfarrer der Stadt mit den Worten (ich zitiere aus dem verlinkten Artikel): „Unsere Demokratie und unsere demokratische Grundordnung sind gefährdet“, warnte Hans-Beat Motel, Pfarrer im Ruhestand, und wies darauf hin, dass Demokratie nicht vom Himmel falle, man müsse etwas dafür tun. „Tun wir etwas dafür, indem wir am 23. Februar ein Kreuz für Vielfalt und Toleranz setzen.“
Aber nach dem Lesen des Abschnitts „Alle Macht dem Volke“ muss ich fragen, was ist es denn für eine Demokratie, die da gefährdet ist. Ist es vielleicht die Amerikanische, in der man seit Jahrhunderten zwischen genau zwei Parteien wählen kann? Ist es die Wahl einer Regierung, die letzlich nur bereits festgelegte EU-Verordnungen oder internationale Verträge als alternativlos umsetzen kann? Kleisthenes klingt für mich überzeugender! Holland zeigt auf, wie durchdacht und radikal die Reform des Kleisthenes war, die für diese Reformen nach jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen sowohl unter den adligen Familien der Stadt wie auch mit den anderen griechischen Städten bereit war(S. 166):
- Zunächst wurden alle Bürger gleich vor dem Gesetz und bekamen gleichmäßige Partizipation an der Regierung: „Die politischen Entscheidungen wurden nicht mehr hinter verschlossenen Türen in den prachtvollen Salons der Aristokraten diskutiert, sondern offen in der Volksversammlung vor „Schmied und Schuster“, Kaufmann oder Reeder, Reichen und Armen, Aristokraten oder einfachen Leuten. Keine Maßnahme konnte in der Stadt ergriffen und kein Gesetz erlassen werden, wenn das ganze Volk von Athen nicht darüber abgestimmt hatte“ (S. 167). Der Gedanke des Plebiszits kann an dieser Stelle vielleicht das weitaus wichtigere überschatten, was diese Maßnahme bewirkt hat: Transparenz. Die Gesetzgebungsprozesse waren jedem klar. An dieser Stelle muss ich wohl mit dem Herrn Pfarrer im Ruhestand mitklagen, dass unsere Demokratie gefährdet ist, wenn sie sich in bürokratischen Prozessen internationaler Diplomatie, und Beschlüssen, Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Kommision vergräbt, die dann in jedem EU-Mitgliedsland individuelle Gesetzgebung bedeuten.
- Kleisthenes war sich der Rivalitäten und des Ehrgeizes der unterschiedlichen attischen Adelsfamilien bewusst und griff zu einer interessanten Variante der Gewaltenteilung. Attika wurde in beinahe 150 einzelne Distrikte aufgeteilt – diese Bezirke nannte man Demen, und der Name der Demen wurde auch zum zweiten Namen, denn die Bürger nun neben ihren persönlichen Namen trugen – dadurch trug ein stolzer adliger und ein einfacher Landsmann plötzlich den gleichen Namen und die Vorteile die der Adlige für seinen Demos verschaffte war auch für den Bauern aus diesem Demos vorteilhaft – Man staunt dass bereits für diese kleine Menge an Menschen der Föderalismus sich als gute Lösung erzeigte. Gestattet bleibt die Frage: Was oder vielmehr wie ist die Demokratie gefährdet, wenn föderale Strukturen, Selbstbestimmung von Orten, Landkreisen, Bundesländern zunehmend abgebaut wird?
- Nun greift Kleisthenes zu einer weiteren Instanz. Mehrere Demen bildeten zusammen ein Drittel (Trittye) mit weiteren zwei Dritteln einer Phyle (S. 169): „Da diese Drittel alle in verschiedenen Gegenden Attikas lagen, also eines im Bergland, ein anderes vielleicht an der Küste und das dritte in der naheliegenden Stadt Athen selbst, war jede der zehn Phylen geeignet, alte Wurzeln der Zusammengehörigkeit zu sprengen. Statt der ursprünglichen und einfachen Zusammengehörigkeit in einem Clan konnte das athenische Volks sich jetzt sehr viel künstlicherer, aber sehr viel ausgewogenerer Solidaritäten erfreuen.“
J.D. Vance hat in seiner beeindruckenden Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz äußerst deutlich gemacht, dass Demokratie gerade dann gefährdet ist, wenn die aktuell Mächtigen dir sagen (müssen) welches Kreuzchen richtig ist. Da braucht man gar nicht die Vielfalt der Demokratie loben, wenn nur eine bestimmte Wahl eine gute Wahl ist. Das ist genau die Gefahr, dass das politische Establishment die Entscheidung des Wählers zu füchten anfängt. Und hier wird es in der Tat moralisch herausfordernd: Was wäre, und einige Zeichen sprechen dafür, wenn die etablierten Parteien um die AfD/BsW gar nicht aufgrund moralischer Sorgen eine Brandmauer errichten, sondern aus Angst vor dem eigenen Bedeutungsverlust? Auf jeden Fall reicht es nicht aus, um Demokratie, Föderalismus, Gewaltenteilung usw… zu bangen, und rein nichts zum Erhalt der Demokratie beizutragen, als die Drohungen ja diese oder jene Partei nicht zu unterstützen.
Somit tue ich vielleicht keiner erziehenden Stimme einen Gefallen, und bleibe auch diesmal ein Nicht-Wähler…
„Eure Vielfalt tanzt auf Kindersärgen!“
Wer nicht wählt, spielt diesen in die Hände.
Der Lebensschutz des ungeborenen Lebens ist für mich auch ein äußerst wichtiges Thema, leider wird heute alles vom Thema Migration dominiert
Beides vergießt Blut in Massen. Blut, das zu Gott schreit.
Wer nicht wählt, stärkt den Anteil der Weiter-so Fraktion.