Alle Artikel von “Sergej Pauli

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Gottes Vorsehung entschuldigt unsere Bosheit nicht

Wer eine reformierte Sicht des Zusammenspiels von Gottes Vorsehung und Dingen wie Zufall, dem Bösen, menschlicher Verantwortung sucht handelt sicherlich nicht falsch wenn er zu Calvins Institutio zeigt. In den Kapiteln 16 bis 18 widmet sich Calvin dem Thema der Vorsehung. Zunächst wird die Lehre von der Vorsehung definiert: Es ist Gottes Erhaltung seiner Schöpfung. das biblische Bild von der Schöpfung ist nicht einfach bloß ein Theistisches als hätte ein großer Erschaffer einmal einen Knopf gedrückt und nun arbeitet ein äußerst komplexer Mechanismus ganz autonom ein Programm ab – Nein die Bibel zeichnet ein Bild, dass die Schöpfung auch nicht einen Augenblick bestehen kann, wenn sie nicht durchgehend erhalten würde (Heb. 1,3 man vgl. aber auch die vielen weiteren Beispieltexte die Calvin zu dieser These aufführt).

In Kapitel 16 bespricht Calvin nun das Zusammenspiel von Menschlicher Verantwortung und Gottes Vorsehung. Wem die griechischen und römischen Sagen und Legenden nur am Rande bekannt sind, wird über die große Obsession der Antike überrascht sein, dass der Einzelne einem Unabänderlichen Schicksal ausgeliefert ist. Genau da greift Calvin ein und zitiert einige bekannte „Klassiker“. Das christliche Modell von Gottes Souveränität und ist selbstverständlich komplexer,freier, gründlicher. In jedem Fall ist Gottes absolute Vorsehung und Kontrolle niemals eine Ausrede für das was wir anrichten. Daran lässt Calvin keinen Zweifel übrig. Ein Auszug aus dem dritten Abschnitt vom 16 Kapitel des ersten Buches der Institutio. Das vollständige erste Buch findet sich kostenfrei im Web.

„Wem solche Bescheidenheit zuteil geworden ist, der wird weder um der Widerwär­tigkeiten vergangener Zeiten willen gegen Gott murren, noch auch die Schuld für die Übeltaten auf ihn schieben, wie es Agamemnon bei Homer tut: „Ich bin dessen nicht schuld, sondern Zeus und das Schicksal!“ Er wird sich auch nicht wie jener Jüngling bei Plautus, wie vom Schicksal dahingerissen, verzweifelt ins Verderben stürzen: „Unbeständig ist das Los der Dinge, nach Willkür handelt das Schicksal am Menschen; ich will mich zum Felsen begeben, um mit meinem Leben der Sache ein Ende zu machen!“ Auch wird er nicht nach dem Beispiel eines anderen mit dem Na­men Gottes seine Untaten beschönigen. So spricht es Lyconides in einer anderen Ko­mödie (des Plautus) aus: „Gott war der Anstifter, ich glaube, die Götter haben es so gewollt; denn ich weiß: hätten sie es nicht gewollt, so wäre es nicht geschehen!“ Nein, er wird aus der Schrift forschen und lernen, was Gott gefällt, um unter Führung des Geistes danach sich auszustrecken; er wird zugleich bereit sein, Gott zu folgen, wohin er ihn ruft, und damit zeigen, daß nichts heilsamer ist, als diese Lehre zu kennen.

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Gottlose Leute machen mit ihren Albernheiten einen Aufruhr, so dass sie sozu­sagen beinahe Himmel und Erde durcheinander werfen: „Wenn der Herr doch den Zeitpunkt unseres Todes bestimmt hat, so kann man ihm nicht entgehen, und alle Vorsichtsmaßnahmen sind vergebliche Mühe!“ Wenn also der eine einen Weg mei­det, den er als gefährlich kennt, um nicht von Räubern umgebracht zu werden, – wenn der andere den Arzt holt und sich um Arzneien bemüht, um sein Leben zu er­halten, – oder wenn wieder ein anderer sich schwererer Speisen enthält, um seine schwache Gesundheit zu schonen, – oder wenn einer Bedenken trägt, ein baufälliges Haus zu beziehen, – oder wenn wir alle miteinander Wege ersinnen und mit großer Anstrengung überlegen, um zu bekommen, was wir begehren – dann sind das (nach ihrer Meinung) lauter sinnlose Mittel, mit denen man Gottes Willen zu ändern be­gehrt; oder aber Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Frieden und Krieg und alles andere, das Menschen erstreben oder hassen und deshalb mit großem Fleiß zu erlangen oder fernzuhalten streben, wird gar nicht von seinem gewissen Entscheid bestimmt! Ja, man hält dann auch die Gebete der Gläubigen für verkehrt, ja für überflüssig — da man ja in ihnen um Gottes Leitung in solchen Dingen bittet, die Gott doch seit aller Ewigkeit festgelegt hat! Kurz, alle Vorkehrungen für die Zukunft hebt man auf, als im Widerspruch zu Gottes Vorsehung stehend – da diese auch ohne Rücksicht auf sie schon beschlossen habe, was geschehen soll. Und was wirklich geschieht, das schreibt man der Vorsehung Gottes derart zu, dass man dabei den Menschen entschuldigt, der es doch gewiss mit Überlegung angerichtet hat. Da bringt ein Meuchelmörder einen rechtschaffenen Bürger ums Leben – er hat, so sagt man, Gottes Rat ausgeführt! Da hat jemand gestohlen oder die Ehe gebrochen – er ist ein Knecht der Vorsehung Gottes, denn er hat getan, was von dem Herrn vorgesehen und bestimmt war! Da lässt ein leichtsinniger Sohn seinen Vater sterben, ohne sich um Heilmittel zu bemühen – er konnte ja Gott nicht widerstehen, der es von Ewigkeit her so beschlossen hatte! Auf diese Weise heißen dann alle Untaten Tugenden, weil sie ja angeblich der Anordnung Gottes dienen!

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Anbetungsmusik auf der Gitarre

Youtube ist gegenwärtig häufig im Alltag präsent. Selbst mit Youtube-Premium lässt sich aber die Zahl von „Schrott-Videos“, von denen sich gerade die Kinder anziehen lassen kaum bändigen. Doch neulich hat mir Youtube was wirklich gutes Vorgeschlagen: „Worship Guitar – 100 Beautiful Hymns“ .

Ich weiß, bei einigen Klingeln beim Begriff „Worship“ die Alarmglocken. Aber es ist das Englische Wort für Anbetung, Preis, Lobpreis. Ich hoffe somit die skeptischen Leser von diesen Übertragungen bekannter Glaubenslieder auf (Western)-Gitarre zu überzeugen, die von Josh Snodgrass realisiert wurden. Mein absolutes Lieblingsstück von Josh ist O Sacred Head Now Wounded (Oh Haupt voll Blut und Wunden). Sowohl das Tremolo wie die gewählten Dissonanzen passen hervorragend als Vor und Zwischenspiel zu diesem bekannten Passionslied.

Obwohl Josh von vielen seiner Liedern auch Tabulatoren bzw. Noten anbietet, konnte ich leider vom obigen Lied keine Noten ausfindig machen, selbst nach direkter Kontaktaufnahme mit Josh. Ich habe von Josh nämlich erfahren, dass er seine Stücke frei vom Gehör spielt ohne eine Notation vorzunehmen.

Da ich selber Gitarrenspieler bin und einen äußerst ähnlichen Spielstil besitze, wenn auch auf der klassischen Gitarre, ist für mich die Musik von Josh natürlich besonders interessant. Da ich jedoch von weiteren Gitarrenspielern und Music-Liebhabern unter den Lesern dieses Blogs ausgehe, wollte ich mit euch diese Information teilen. Joshs Lieder finden sich in Spotify genauso wie in Youtube und auf den sonstigen üblichen Plattformen.

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Der Gut-O-Meter – Bist du gut genug?

Dieser uralte Sketch ist wirklich eine Köstlichkeit. Die Menschen stehen Schlange vor einer Waage, die Ihre „Gutheit“ misst. Hier steht der verunsicherte Otto Normalbürger genauso Schlange wie der in sich selbst gewisse moralische Held der Gesellschaft.

Nun ist Gerichtszeit und die Akten der Bürger werden vom Gut-O-Meter ausgewertet. Plötzlich heißt es aber „Nicht gut genug“. Die Hoffnung einer Bürgerin, dass „die Guten Taten die Bösen“ ausgleichen bleibt genauso unerfüllt wie das verzweifelte Argument „man wäre ja als Kind getauft worden“.

Der letzte Kandidat in der Schlange hat eine besonders dicke mit Mahnungen gefüllte Akte. Er ist völlig mutlos. Sein Urteil dürfte ja eindeutig ausfallen. Doch plötzlich betritt Jesus die Bühne: „Er gehört zu mir“

Dem Sketch gelingt es sehr plastisch die Bedeutung der Rechtfertigung aus Gnaden darzustellen und die Bedeutung der Stellvertretenden Sühne. Denn während jeder „Selbstgerechte“ persönlich vom Gut-O-Meter ausgewertet wird, setzt sich beim letzten Sünder Jesus selbst dieser Qualitätsprüfung aus: 100% Gut heißt es nun. Prüfung bestanden. Man darf sich nun zur Rechten versammeln.

Währenddessen verschwindet die Negative Akte im Abfall… Ganz zum Entsetzen derer auf der anderen Seite des Urteils. Sie finden das furchtbar ungerecht. Der Kontrolleur hat da nur eine Erklärung übrig: „Deswegen heißt es ja auch Gnade…“

Dieser Sketch, dessen Ursprung ich nicht eindeutig lokalisieren konnte, ist auch in einer sehr guten deutschen Übertragung verfügbar, die von einer Gemeinde in Frankfurt realisiert wurde.

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Nur diesen Juli: Zwei Calvin Kommentare gratis

Ich freue mich, dass die deutschsprachige Logos Bibliothek zunehmend qualitativer wird. Logos verschenkt ja jeden Monat ein Buch, nutzt man auch Verbum (= Logos auf katholisch) und das englischsprachige Logos kommt man so auf einige kostenfreie Werke im Monat, die meist gut ausgewählt sind.

Dieses Mal überrascht aber das „deutsche Logos“ mit gleich Zwei Kommentaren von Johannes Calvin. Auch wenn es sich hier um eine ältere Übersetzung von Th.A. Bergfried handelt, ist es dennoch eine gute Möglichkeit seine Logos Bibliothek auch um deutschsprachige Werke zu erweitern.

Kostenlos erhältlich ist der Kommentar über Josua und über den Epheserbrief. Alle anderen Kommentare von Calvin sind derzeit mit 40% Rabatt erhältlich. Aufgrund des gegenwärtig günstigen Wechselkurses zum Dollar kommt man so an die ganze Reihe für deutlich unter 100 EUR.

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Der Fürst und der Fährmann – Eine Erzählung in 12 Kapiteln von Eckart zur Nieden

Der Fürst und der Fährmann, eine Erzählung in zwölf Kapiteln von Eckart zur Nieden. Für 8,90EUR bei CLV.de erhältlich, die dieses Werk von zur Nieden neu aufgelegt haben. Das Werk wird auch gewohnt ausgezeichnet von Hanno Herzler vorgelesen.

Es gibt so viele Gründe, warum Der Fürst und der Fährmann eine gelungene Erzählung ist. Da ist zum Beispiel die Schilderung einer tiefen Freundschaft, die zwischen zwei Männern entsteht, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da beide schon etwa 50 Jahre alt sind und somit ihre Midlife-Krise hinter sich haben, ist das Werk eine Ermutigung dafür, wie gut es ist, wenn man einen guten Freund hat.

Durch die Begegnung mit dem Fährmann erfährt der Fürst zum ersten Mal, was es bedeutet, wenn ein Mensch nach dem Wort Gottes lebt. Der Fährmann hat einen Stapel Bibelverse liegen, deren obersten er wieder nach unten legt, wenn sich dieser in seinem Leben erfüllt. Dadurch schildert dieses, auch für jüngere Kinder gut geeignete, Werk sehr geschickt, wie ein gottesfürchtiges Leben aussehen kann, das vom Wort Gottes geprägt ist. Es verfällt dabei nicht in Formalitäten oder christliche Traditionen. Hans, der Fährmann, ist ein Mann, der mit Gott lebt, ohne dass es verkünstelt wirkt. Das beeindruckt den Fürsten, der ein „formelles“ Leben allzu gewohnt ist.

Der Fürst erweist sich dabei als ein Mensch, der bereit ist, zu lernen und sich zu verändern. Dabei gelingt es Zur Nieden, diese Veränderungen so zu schildern, dass sie wirklich realistisch und „erreichbar“ sind. Die Geschichte wirkt an keiner Stelle verkünstelt – so ungewöhnlich eine Freundschaft zwischen einem Fürsten und einem Fährmann auch sein mag.

Die Geschichte gliedert sich in zwölf Kapitel, die uns in das Jahr „11 nach der Sonnenfinsternis“ führen und jeweils eine Situation aus einem Monat dieses Jahres schildern. Entsprechend sind die Kapitel mit Monatsangaben überschrieben. Was mit einer spektakulären Lebensrettung des Fürsten im Januar beginnt, endet mit einer geselligen Weihnachtsfeier in einer kleinen Hütte im Dezember. Dazwischen finden sich Erlebnisse aus Frühling, Sommer und Herbst. Durch diese Gliederung ergeben sich zwölf in sich abgeschlossene Kapitel von jeweils etwa 25–30 Minuten Länge.

Zur Nieden erweist sich dabei als ein geschickter Autor, der kleine Running Gags (Stichwort: Brennnesseltee) ebenso in die Geschichte einbaut wie gründlich ausgearbeitete Details aus dem Leben des Fährmanns, z. B. sein Verhalten, wenn ein Flößer oder ein Köhler an der Fähre vorbeiziehen. Im Werk finden sich auch metaphorische Elemente: Einmal steckt der Fährmann in Not und muss unbedingt den Fürsten sprechen. Der Weg zum Fürsten führt jedoch nur über dessen Sohn. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, im Anschluss an die Erzählung mit den Zuhörenden darüber ins Gespräch zu kommen.

Meine Kinder haben dieses Werk bereits gekannt, und ich bin froh, dass ich mich diesem gelungenen Erzählwerk ebenfalls gestellt habe. Wir haben es gemeinsam auf einer längeren Fahrt als Hörbuch angehört.

CLV hat dieses Buch neu aufgelegt in der Reihe „Jung und Jünger“. Nach diesem Buch haben wir uns weitere Werke dieser Reihe geholt, wobei etwas schade ist, dass bisher nach meinem Wissen nur „Der Fürst und der Fährmann“ als Audio-Buch vorhanden sind.

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„Warum nur bin ich so traurig? Warum ist mein Herz so schwer?“

Neulich bin ich ziemlich mutlos aufgewacht. „Wenn ich aufwache, so rede ich von dir“? – Nichts wäre wohl ferner. Lustlos setzte ich mich an den Tisch, das Handy meiner Frau war mit der Bibelapp offen, genau bei Psalm 42. Es war wie das lebendige Wasser. „Was betrübst du dich meine Seele“, diese dreifache Selbstfrage aus Psalm 42 (und 43) ist wohl vielen bekannt. Hoffnung für Alle (HFA) übersetzt mit: „Warum nur bin ich so traurig? Warum ist mein Herz so schwer?“ Die Selbstzweifel, Selbstreflexion bleibt weiterhin, ist aber deutlich „näher“, nahbar formuliert.

Eigentlich ging ich bisher davon aus, dass gerade die Psalmen in der Lutherübersetzung nicht überboten werden können. Doch Psalm 42 in der HFA ist wirklich eine gelungene Übersetzung, die ich hier auch vollständig wiedergeben möchte.

In den letzten Wochen habe ich wiederholt die Erfahrung gemacht, wie bereichernd es ist, die Verse in den unterschiedlichsten Übersetzungen zu betrachten, vor wenigen Wochen schrieb ich bereits darüber.

Natürlich wird so dem linguistischen Laien eine Frage nur dringender: Was genau steht dann in dem eigentlichen biblischen Text. Welche Übertragung und Übersetzung trifft diese oder eine andere Phrase besser? Was sagt der Text wirklich. Klar, einerseits spricht mich diese oder jene Übertragung an, aber was ist es, was Gott mit diesem Text sagt? Obwohl es nicht einfach ist, diese Fragen zu beantworten, können wir den Reichtum, denn die vielen deutschsprachigen Bibelübersetzungen bieten, wirklich genießen:

„1 Von den Nachkommen Korachs, zum Nachdenken. 2 Wie ein Hirsch nach frischem Wasser lechzt, so sehne ich mich nach dir, o Gott! 3 Ja, ich dürste nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich in seinen Tempel kommen? Wann darf ich wieder vor ihn treten? 4 Tag und Nacht weine ich, Tränen sind meine einzige Speise, denn ständig verspottet man mich und fragt: »Wo bleibt er denn, dein Gott?« 5 Es bricht mir das Herz, wenn ich an früher denke: Da ging ich dem großen Festzug voran und führte ihn zum Haus Gottes. Da konnte ich Gott zujubeln und ihm danken inmitten der Menge! 6 Warum nur bin ich so traurig? Warum ist mein Herz so schwer? Auf Gott will ich hoffen, denn ich weiß: Ich werde ihm wieder danken. Er ist mein Gott, er wird mir beistehen! 7 Mein Gott, ich bin völlig verzweifelt! Aus der Ferne des Jordanlandes denke ich voll Trauer an dich. Während ich auf dem Berg Misar im Hermongebirge stehe, gehen meine Gedanken zu dir. 8 Von den Bergen stürzen Wildbäche tosend in die Tiefe. Mir ist zumute, als würden die Fluten mich mitreißen und fortspülen. 9 Tagsüber seufze ich: »HERR, schenke mir deine Gnade!« Und nachts singe und bete ich zu Gott, in dessen Hand mein Leben liegt. 10 Gott, du bist doch mein einziger Halt! Warum hast du mich vergessen? Warum lässt du mich leiden unter der Gewalt meiner Feinde? 11 Ihr Hohn dringt mir ins Herz, wenn sie Tag für Tag fragen: »Wo bleibt er denn, dein Gott?« 12 Warum nur bin ich so traurig? Warum ist mein Herz so schwer? Auf Gott will ich hoffen, denn ich weiß: Ich werde ihm wieder danken. Er ist mein Gott, er wird mir beistehen!

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„Warum ich bei den Brüdern geblieben bin“ von F.F. Bruce

Da ich mehr über F.F. Bruce wissen wollte, von dem ich vor kurzem ein Werk vorgestellt habe, bin ich auf eine ihm und seinem Werk geweihte Seite gestoßen. Auf dieser Wiederum fand ich zwei Essays unterschiedlicher Länge, in der Bruce seine Zugehörigkeit zur Brüderbewegung erläutert. Der kürzere Essay mit dem Titel „Warum ich bei den Brüdern geblieben bin“ sprach mir ganz aus dem Herzen. Regelmäßig tritt auch an mich die Frage heran, warum ich eine Evangeliums-Christen-Baptisten Gemeinde besuche. Wie Bruce brachte mich die Frage in Schwierigkeiten, nicht weil die Frage an sich schwer zu beantworten ist, sondern weil ich nichts so recht damit anfangen kann und mich etwa dafür rechtfertigen müsste, so als wären die Evangeliums-Christen außerhalb der christlichen Orthodoxie. Bruce Statement hilft mir konkreter zu antworten, auch wenn natürlich die Brüderbewegung nicht vollständig mit den Evangeliums-Christen zu vergleichen ist, und ich mir wünschen würde, dass meine Ortsgemeinde den ersten von Bruce genannten Aspekt mehr leben würde. Der zweite Aspekt wird in Gemeinden „unseres Musters“ aber wirklich so gelebt, wie Bruce es in den britischen Brüdergemeinen erlebt hat. Ich übersetze den Text „Why I have stayed with the Brethren“ vollständig:

„Obwohl mir diese Frage von Zeit zu Zeit gestellt wird, fällt es mir schwer, sie zu beantworten, weil ich Zweifel an ihren Implikationen habe. Kirchlich gesprochen gehöre ich (1) zur universalen Kirche und (2) zur örtlichen Gemeinde, die sich in der Crescent Road in Stockport trifft; und kirchlich gesprochen gehöre ich zu nichts anderem. Die einzige Alternative zur Zugehörigkeit zur universalen Kirche wäre, den einst überlieferten Glauben zu verleugnen; und wenn man mich fragt, warum ich in der Gemeinde an der Crescent Road in Stockport bleibe, muss meine Antwort lauten: „Wenn du diese Gemeinde kennen würdest, müsstest du gar nicht fragen, warum ich bleibe!“

Ich bin seit fünf bis sechs Jahren Mitglied der Gemeinde an der Crescent Road, aber ich gehöre seit vielen Jahren bereits Gemeinden desselben allgemeinen Musters an. Und wenn Leute mich fragen: „Warum bleibst du bei den Brüdern?“, meinen sie damit: „Warum bleibst du bei Gemeinden dieses besonderen Musters?“ Und dann muss ich nach einer Antwort suchen, denn es ist mir nie in den Sinn gekommen, eine Mitgliedschaft in einer Gemeinde mit einem anderen Muster zu suchen. Zweifellos spielt dabei auch eine gewisse Trägheit eine Rolle; Menschen neigen dazu, in der Gemeindegemeinschaft zu bleiben, in der sie begonnen haben, es sei denn, sie haben einen zwingenden Grund, zu wechseln – und einen solchen Grund habe ich nie bewusst verspürt.

Aber wenn ich über die Sache nachdenke, entdecke ich einige positive Gründe, zu bleiben, und ich kann zwei davon nennen, die in meinen Augen erhebliches Gewicht haben.

Der eine Grund ist, dass ich in diesen Gemeinden dazu ermutigt werde, meine Zugehörigkeit zur universalen Kirche anzuerkennen. Es wird mir nie suggeriert, dass „unsere Denomination“ oder „unser Kreis von Versammlungen“ einen besonderen Anspruch auf meine Loyalität hätte – jenseits des Anspruchs, an dem meine Mitgeschwister weltweit teilhaben. Hier finde ich einen Rahmen, in dem echte christliche Einheit aufrichtig und vorbehaltlos gelebt werden kann. Zu einer Gemeinde dieses Musters dürfen alle Gläubigen an unseren Herrn kommen und dürfen sicher sein, um Seinetwillen willkommen zu sein; und es wäre mir unerträglich, einer Gemeinde anzugehören, die nicht alle aufnimmt, die Christus aufgenommen hat. Aus einer Gemeinde dieses Musters heraus kann ich Gemeinschaft mit allen Gläubigen an unserem Herrn haben, ohne irgendeinen „konfessionellen Grundsatz“ zu kompromittieren – denn in einer solchen Gemeinde gibt es keine konfessionellen Grundsätze, die man kompromittieren könnte. Vor dem Hintergrund meiner weiten Erfahrung mit gelegentlicher Gemeinschaft in Gemeinden unterschiedlichster Ausprägung ruht meine Überzeugung darin, dass eine Gemeinde dieses Musters für mich die richtige ist.

Der andere positive Grund ist, dass ich in diesen Gemeinden eine Atmosphäre geistlicher und intellektueller Freiheit gefunden habe, die mir so angenehm und geradezu belebend erscheint, dass ich bezweifle, ob sie anderswo ihresgleichen fände. Ich weiß auch, dass diese Erfahrung nicht nur mir eigen ist, oder nur den Gemeinden, denen ich im Laufe der Jahre glücklicherweise angehören durfte. In einem Brief, den er 1961 als Vorsitzender des Komitees an die Mitglieder der „Young Men’s Bible Teaching Conference“ sandte, schrieb Dr. W. M. Capper: „Eines der Dinge, die viele von uns zu den Christlichen Brüdern hinzieht, ist ihre Weite – nicht ihre Enge.“ Mit angemessener Zurückhaltung hinsichtlich der Verwendung des Begriffs „die Christlichen Brüder“ sage ich zu diesen Worten: Amen.

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Sag uns nicht, was du tun willst – tu es einfach

Immer wieder entdecke ich Interessantes in meiner Logos-Bibliothek. So das Journal of Pastoral Practice, eine Zeitschrift aus den 80ern, die von Jay Adams herausgegeben wurde, und über einen für jeden im Gemeindedienst aktiven Mitarbeiter interessanten Mix an Themen schreibt. Praktische Themen werden genauso besprochen wie Hinweise für die Seelsorge gegeben. Medizin genauso, wie Themen die das weltweite Christentum beschäftigen. Ein zentraler Aspekt der Zeitschriften scheint immer das Predigen gewesen zu sein. Adams hat ja ursprünglich als Homiletik-Professor am Westminster Seminary angefangen. Mehr über Jay Adams erfährt ihr in diesem Artikel.

Das zweite Heft des Jahres 1981 enthält eine interessante Beobachtung über das Predigen, die heute nur noch aktueller ist. Nämlich den zeitlichen Verschleiß der mit unterschiedlich platzierten Vorreden verbracht wird. Ich gebe den vollständigen Text des Artikels wieder (Transparenzhinweis: Übersetzung mit Hilfe von ChatGPT). Jay Adams schreibt:

Ich habe bei Predigern eine recht weit verbreitete Tendenz beobachtet, die häufig genug auftritt, um einen eigenen Namen zu verdienen. Ich nenne sie: Vorreden. Vorreden sind die schlechte Angewohnheit, anzukündigen, was man gleich tun wird – und das ohne guten Grund (achte auf diese wichtige fett gesetzte Einschränkung).

Ich möchte zwei häufige Formen solcher Vorreden beim Predigen nennen:

  1. Wenn der Prediger seine Gliederungspunkte im Voraus ankündigt;
  2. Wenn er vorher sagt, dass er gleich ein Beispiel bringen wird.

Ein Beispiel für den ersten Fall ist genau das, was ich im vorherigen Absatz getan habe. Lies ihn noch einmal, und du wirst sehen, was ich meine. Und um den zweiten Punkt zu illustrieren, könnte ich jetzt sagen: „Lass mich dir ein Beispiel dafür geben, was ich meine“ (natürlich habe ich das, wie du siehst, gerade eben getan).

Doch was ist falsch an diesen Vorreden? Wenn es keinen triftigen Grund dafür gibt, unterbrechen sie den Gedankengang dessen, was gesagt wird – denn sie lenken die Aufmerksamkeit weg vom Inhalt und hin zur Struktur, durch die der Inhalt vermittelt wird.

Manche Homiletiker haben törichterweise behauptet, ein Prediger müsse in jeder Predigt alle seine Punkte im Voraus nennen. Warum? Weil sie es sagen, darum. Einen anderen vernünftigen Grund gibt es nicht. Auch ein biblisches Vorbild für diese Praxis lässt sich nicht finden. Du kannst die Schrift durchsuchen – du wirst keinen einzigen Fall finden, in dem jemand sagt: „Heute Morgen möchte ich euch drei Tatsachen über die Hölle mitteilen“ (oder was auch immer). So etwas kommt einfach nicht vor. Und es kommt nicht vor, weil es nicht vorkommen sollte. Solche Vorreden bringen keinen Nutzen, sondern richten Schaden an.

Ich habe jedoch eine Einschränkung erwähnt: Man sollte Punkte nur dann im Voraus nennen, wenn und nur wenn dadurch der Inhalt gefördert wird. Das heißt zum Beispiel: Wenn es „zwei und nur zwei Schritte“ zur Bewältigung eines bestimmten Verhaltensmusters gibt (etwa: ablegen und anziehen), und es wichtig ist zu betonen, dass es weder mehr noch weniger sind, dann werden die Schritte und ihre Anzahl selbst zum Teil des Inhalts.

Nur dann ist es sinnvoll, Gliederungspunkte anzukündigen: Wenn das Wissen um diese Punkte selbst in gewisser Weise zur Aussage beiträgt. Andernfalls lenken Vorreden und Ankündigungen nur ab.

Dasselbe gilt auch für das Ankündigen von Beispielen und Veranschaulichungen. Es ist grundsätzlich falsch, es sei denn, es verfolgt einen besseren Zweck, als dem Redner Zeit zum Nachdenken zu verschaffen (das sollte längst vor dem Gang auf die Kanzel geschehen sein). Es gibt natürlich Situationen, in denen es hilfreich sein kann, darauf hinzuweisen, dass man gleich ein Beispiel geben wird. Etwa so: „Das Beispiel, das ich gleich nenne, trifft nicht immer zu und gilt auch nicht für jeden. Frag dich beim Zuhören also, ob es auf dich zutrifft.“ In einem solchen Fall, in dem es für den Hörer wichtig ist, das Kommende entsprechend einzuordnen, kann die Vorrede nützlich – ja sogar entscheidend – sein.

Doch die meisten Vorreden – ob von Beispielen, Gliederungspunkten oder Bibeltexten – sind Füllmaterial. Und genau das macht viele Predigten langweilig und wenig einladend: Füllmaterial.

Daher gebe ich dir jetzt folgenden Rat: Hör auf, uns zu sagen, was du tun willst – tu es einfach. Kündige keine Punkte an, sondern bring sie; kündige keine Beispiele an, sondern gib sie – und deine Predigten werden flüssiger und kraftvoller sein.“

aus: Jay E. Adams, „Don’t Tell Us What You Are Going to Do—Do It“, The Journal of Pastoral Practice 5, Nr. 2 (1981): 113–114.

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Review: Hard Sayings of the Bible

Ich bin gleichzeitig begeistert und frustriert mit dem Buch „Hard Sayings of the Bible“. Das könnte an dem Rundumschlag liegen, denn das Werk versucht. Es versucht wirklich alle „kratzenden“ und „schwer“ zu verdauenden Stellen der Bibel zu besprechen, ob sie nun vom Schöpfungsauftrag sprechen oder von der Kopfbedeckung, unterschiedliche Zahlenangaben besitzen oder unterschiedlcihe Erzählweisen (z.B. bei den Synoptikern). Die Begeisterung fängt schon mit den Autoren an, ein Gemeinschaftswerk von Kaiser UND Bruce? Unglaublich. Auch die Gliederung des Werkes ist äußerst gelungen. Das Buch besteht im wesentlichen aus drei Teilen: Einem ausführlichen Einleitungskapitel, Thematischen Fragestellungen, die häufig vorkommende Fragestellungen bespricht, wie „Ist der Gott des alten Testaments zorniger als der im Neuen Testament“, „Stimmen biblische Zahlenangaben“. Der dritte und umfangreichste Teilt geht konkrete Biblische Texte nach. Damit ähnelt das Werk „Schwer zu verstehen“ von Gleason L. Archer, welches wir hier auch schon einmal besprochen haben. Es ist aber umfangreicher und die Autoren sprechen auch regelmäßig die Texte an, die wir modernen Menschen gerne eher etwas gedämpft oder nicht ganz so hart haben würden wollen. Auch das gelingt dem Werk meistens sehr gut. Übrigens ist das Werk ein Potpourri oder die Quintessenz davor vorhandener Werke, die einzelne Themenblöcke davon bereits besprochen haben, so Bruce die Harten Reden Jesu und Brauch die schweren Stellen von Paulus.

Etwas Frustration bekam ich beim Lesen der Besprechungen der einzelnen „harten Texte“ der Bibel, weil es schien, dass auch die Autoren oft eine Härte gegenüber anderen Meinungen entwickelten. Es ist sicher auch die typisch amerikanische selbstbewusste Art häufig sehr einfach und eindeutig zu argumentieren, aber damit auch nicht wirklich ernsthaft. Eigentlich hätte ich das von einem Werk, an dem Bruce und Kaiser beteiligt sind, nicht erwartet. Während das Werk z.B. vehement eine allzu pazifistische Deutung von, immerhin auch als harte Texte, erkannte Stellen ablehnt, bekämpft es auch vehement alle Versuche die Lüge sei in Fällen, in denen man damit z.B. ein Leben retten könnte (man denke an Rahabs Lüge) zulässig. Während man im letzteren Fall lautstark protestiert: Das Gebot der Lüge kenne keine Ausnahme und wer könne wohl den Text vorbringen, dass das Retten eines Lebens wichtiger wäre als die Wahrhaftigkeit, weiß man im anderen Fall allzu genau, dass Krieg zulässig ist, während doch „nicht zu töten“ noch vor dem Gebot „nicht zu lügen“ veröffentlicht wird.

Wie gesagt, ich könnte mit diesen Positionen der Autoren leben, wenn sie diese wenigstens nicht so vehement und unbarmherzig vertreten würden. Gerade weil sie ja regelmäßig dazu aufrufen Harte Stellen nicht „zu verweichlichen“ passiert genau das, wenn man die Texte allzu sehr in eine Richtung harmonisiert.

Diese Frustration soll mich aber nicht abhalten, einen längeren Auszug aus der Einleitung zu veröffentlichen, das ich für richtig gelungen halte. An dieser Stelle schreibt Kaiser über die harten Worte Jesu(Hervorhebung meine):

„Viele derjenigen, die Jesus während seines öffentlichen Wirkens zuhörten, empfanden einige seiner Aussagen als „hart“ – und sagten das auch. Viele derjenigen, die seine Worte heute lesen oder sie in der Kirche hören, empfinden sie ebenfalls als hart, äußern das jedoch nicht immer, weil sie es unangebracht finden.

Die Worte unseres Herrn waren im Einklang mit seinem Handeln und seinem gesamten Lebensstil. Je weniger vorgefasste Meinungen wir aus dem Außen an die Evangelien herantragen, desto klarer werden wir ihn so erkennen, wie er wirklich war. Es ist allzu leicht, an einen Jesus zu glauben, der im Wesentlichen eine Erfindung unserer eigenen Vorstellungskraft ist – eine harmlose Person, die niemanden wirklich dazu bringen würde, ihn zu kreuzigen. Doch der Jesus, dem wir in den Evangelien begegnen, war alles andere als harmlos – er stieß überall an. Selbst seine treuen Anhänger empfanden ihn mitunter als zutiefst befremdlich. Er stellte alle gängigen Vorstellungen religiöser Angemessenheit auf den Kopf. Er sprach von Gott in einer Vertrautheit, die wie Gotteslästerung klang. Er schien zweifelhafte Gesellschaft geradezu zu genießen. Und er begab sich mit offenen Augen auf einen Weg, der nach Ansicht der „vernünftigen“ Leute zwangsläufig ins Verderben führen musste.

Doch in denen, die sich nicht von ihm abwenden ließen, entfachte er eine leidenschaftliche Liebe und Treue, die selbst der Tod nicht zerstören konnte. Sie wussten, dass sie in ihm den Weg zur Annahme, zum Frieden des Gewissens, zum wahren Leben gefunden hatten. Mehr noch: In ihm erkannten sie Gott selbst auf neue Weise; hier wurde das Leben Gottes in einem echten menschlichen Leben sichtbar – und durch ihn auf sie übertragen. Und es gibt auch heute viele Menschen, die Jesus nicht in Galiläa und Judäa, sondern im Zeugnis der Evangelien begegnen – und auf ähnliche Weise seine kraftvolle Anziehungskraft erfahren, sodass sie denselben Weg einschlagen wie jene, die damals positiv auf ihn reagierten.

Ein Grund dafür, dass Jesu Worte als hart empfunden wurden, lag darin, dass er seine Zuhörer zum Denken brachte. Für manche Menschen ist das Denken eine schwierige und unangenehme Übung – besonders dann, wenn es bedeutet, fest verankerte Vorurteile und Überzeugungen kritisch zu hinterfragen oder den herrschenden Meinungskonsens in Zweifel zu ziehen. Jede Aussage, die zu solchem Denken auffordert, gilt daher als eine harte Rede. Viele der Worte Jesu waren in diesem Sinn hart. Sie deuteten an, dass es gut wäre, Dinge zu überdenken, die jeder vernünftige Mensch als selbstverständlich ansah. In einer Welt, in der das Rennen den Schnellen und der Sieg den Starken gehörte, in der die Lebenspreise an die Durchsetzungsfähigen und Macher gingen, war es völlig absurd, den Sanftmütigen zu gratulieren und ihnen zu sagen, dass sie das Erdreich besitzen oder – noch besser – das Himmelreich erlangen würden. Vielleicht sind die Seligpreisungen damals wie heute Jesu härteste Aussagen.

Für die westliche Welt ist die Härte vieler Aussagen Jesu heute umso größer, weil wir in einer anderen Kultur leben als derjenigen, in der sie gesprochen wurden, und weil wir eine andere Sprache sprechen. Jesus sprach offenbar überwiegend Aramäisch, aber mit wenigen Ausnahmen sind seine aramäischen Worte nicht überliefert. Seine Aussagen sind in Übersetzung zu uns gekommen – und diese Übersetzung, das Griechisch der Evangelien, muss wiederum in unsere eigene Sprache übersetzt werden. Doch wenn die sprachlichen Hürden soweit wie möglich überwunden sind und wir seine Worte in einer sogenannten „dynamisch äquivalenten“ Übersetzung hören – also einer Übersetzung, die denselben Eindruck bei uns erzeugen soll wie die Originalworte bei ihren ersten Hörern –, dann kann die Überwindung der einen Schwierigkeit neue Schwierigkeiten hervorrufen.

Denn für uns gibt es zwei Arten harter Worte: solche, die schwer zu verstehen sind – und solche, die allzu leicht zu verstehen sind. Wenn Aussagen Jesu, die in ersterem Sinn schwer sind, in dynamisch äquivalente Begriffe übersetzt werden, werden sie oft im zweiten Sinn hart: weil sie auf einmal verständlich sind. Mark Twain sprach für viele, als er sagte, dass ihn nicht die unverständlichen Stellen in der Bibel beunruhigten, sondern gerade die, die er verstand. Das gilt besonders für die Worte Jesu. Je besser wir sie verstehen, desto schwerer sind sie auszuhalten. (Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum manche religiösen Menschen modernen Bibelübersetzungen so feindlich gegenüberstehen: Diese machen den Sinn deutlich – und der klare Sinn ist schwer zu ertragen.)

Insgesamt ein hilfreiche Ergänzung für jemanden, der bereits über einige Kommentare verfügt und konkret problematische Fragestellungen anschauen möchte. Vor allem im Neuen Testament gibt es zu jedem Kapitel meist mehrere Eintragungen.

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Krone des Lebens – Die Geschichte von Blanche Gamond von E.E. Ronner

Hinweis: Wiederveröffentlichung des Artikeln aus dem Jahr 2023 zur Neuauflage dieses Buches bei CLV 2025.


Endlich habe ich Zeit gehabt, die eindrucksvolle Biographie von Blanche Gamond zu lesen. Der Schweizer, der die Geschichte dieser Leidens- und Glaubensheldin niederschrieb, hat viele solcher Biographien aufgearbeitet und erhält so die Geschichte vom schweren Schicksal der Hugenotten auch für unsere Zeit.

Blanche ist einzige Tochter einer wohlhabenden Seidenzüchter-Familie in Saint-Paul. Obwohl der Druck auf die französischen Protestanten immer mehr zunimmt und sie z.B. zwangsweise die Einquartierung von Dragonern (= „gestiefelte Missionare“) dulden müssen (natürlich auf eigene Kosten), ist ihnen im Edikt von Nantes Toleranz zugesagt. Doch König Ludwig XIV widerruft dieses Edikt 1685. Er hat ein Ziel, zu dem er von den Engsten Beratern am Hofe mit angefeuert wird: Frankreich frei von „Ketzerei“ zu machen. Dabei setzt er zunächst auf Zwangsbekehrungen. Jede Ausreise aus dem Land ist den Hugenotten untersagt. Was nun anfängt sind einige Jahre brutale Verfolgung sämtlicher Protestanten (und ihrer Sympathisanten) in Frankreich. In genau diese Zeit fällt Blanche junges Leben. Auf der Flucht, während sie schon das rettende Ufer der „Schweiz“ sieht, wird sie und ihre Mutter ergriffen. Sie muss ansehen, wie viele Hugenotten der Haft/Folter/Verachtung/Ausgrenzung nachgeben und zum Papismus konvertieren, so auch ihre Eltern. Doch Blanche und viele andere Schwestern bleiben treu. Selbst dann als sie in die Hände von niemand geringerem als La Rapine landen. Er ist Spezialist für die „Unverbesserlichen“ im Spital von Valence und denkt sich nahezu täglich neue Teufeleien für die Ketzer aus. Eine Odyssee des Leidens beginnt nun für Blanche, aus der Sie mit Gottes Hilfe siegreich hervorgeht.

Das Buch von Ronner ist hervorragend recherchiert. Die individuelle Geschichte von Blanche wird mit vielen Informationen über das Schicksal der Hugenotten erläutert. Immer wieder zitiert er offizielle Dokumente, Predigttexte, Briefe. Die Grundlage seines Werkes ist aber vor allem die Aufzeichnung über ihre Leiden, die Blanche Gamond in ihrem Exil in Bern selbst verfasst hat.

Insgesamt ein lesenswertes Buch und ein guter Einstieg in die Geschichte der leidenden protestantischen Kirche Frankreichs.

Update am 05.06.2025:

Ein Neuauflage ist bei CLV erschienen:

Emil Ernst Ronner
Krone des Lebens – Die Geschichte von Blanche Gamond
Band 14 der Jugendbuchreihe »stark und mutig«

erhältlich auch bei cbuch.de.