Der Optimismus der Kirchenväter könnte ansteckend werden…

Wenn man erst einmal herausgefunden hat, welche der vielen Kirchenväter erbaulich – und vielleicht nicht nur das, sondern auch verständlich und aktuell zu lesen sind, wird man sicher irgendwann auch bei der Kirchengeschichte von Eusebius von Cäsarea landen (Historia Ecclesiastica). Kaum habe ich dieses umfangreiche Werk angefangen zu lesen, ergab ich mich den Selbstvorwürfen, warum ich das so spät getan habe. (Das Werk gibt es kostenfrei bei der BKV).

Die Kirchengeschichte überrascht den Leser gleich zu Begin: Womit fängt die Kirche an? Mit Christus. Und somit fängt das Buch auch mit der Beleuchtung Christi an, seiner Gottheit, seiner Menschwerdung, seiner Ankündigung als Messias im Alten Testament (und Eusebius zitiert entsprechend meist gründlich aber immer sehr ausführlich aus der Schrift) und landet so bei dem spannenden Thema, warum sich Christus so spät in der Menschheitsgeschichte offenbart hat.

Gerade hier überrascht Eusebius uns mit einer positiven Haltung – ja die ist so positiv optimistisch, dass sich sogar die Herausgeber der von der BKV zur Verfügung gestellten Version zu einer korrigierenden Anmerkung hinreißen lassen, dass nämlich Eusebius die Folgen des Gesetzes Mose falsch deute: „Nach Eusebius und vielen christlichen Lehrern bewirkte das mosaische Gesetz sittliche Besserung. Anders und tiefer urteilte der hl. Paulus im Römer- und Galaterbriefe. Nach ihm fiel das jüdische Volk durch das Gesetz des Moses erst recht in Sündenelend, so daß es keinen Grund hatte, sich gegenüber den sittlich verkommenen Heiden mit dem Gesetze zu brüsten.“ (S. 6) – Eine derart protestantisch klingende Anmerkung katholischer Herausgeber überrascht in der Tat!

Aber was war es, dass die Herausgeber so aufgewühlt hat? Blicken wir näher auf Eusebius‘ Aussage, müssen wir feststellen, dass man diese Anmerkung nur treffen konnte, wenn man Eusebius missversteht. Ich muss ihn direkt sprechen lassen und zitiere deswegen ausführlich (mit Sternchen ist dabei die Stelle gekennzeichnet, an der die Herausgeber ihren Kommentar einfügen).

„Der Grund, warum der göttliche Logos nicht wie jetzt, so auch schon früher allen Menschen und allen Völkern verkündet wurde, dürfte sich aus folgendem ergeben: Das frühere Leben der Menschen war noch nicht fähig, Christi Lehre, die voll Weisheit und Kraft ist, zu erfassen. Der erste Mensch hatte gleich am Anfange nach seinem ersten seligen Dasein das göttliche Gebot gering geachtet, war deshalb in dieses sterbliche, leidenvolle Leben geraten und hatte gegen die frühere Seligkeit in Gott diese verfluchte Erde eingetauscht. Seine Nachkommen, welche unsere ganze Erde bevölkerten, waren, von dem einen und anderen abgesehen, noch viel schlimmer geworden und hatten ein tierisches Dasein und ein widernatürliches Leben geführt. Ja sie hatten nicht ein- S. 23 mal an Städte und Staaten, an Künste und Wissenschaften gedacht. Von Gesetzen und Verordnungen, von Tugend und Philosophie hatten sie nicht einmal eine Idee. Als Nomaden hatten sie gleich Wilden und Barbaren in der Wüste gelebt. Da sie durch das Übermaß freigewollter Bosheit die natürlichen Verstandesanlagen und die vernunftgemäßen, zarten Keime des menschlichen Herzens vernichtet hatten, hatten sie sich allen möglichen Schändlichkeiten ganz und gar hingegeben, so daß sie einander zugrunde richteten, einander mordeten, gelegentlich zu Menschenfressern wurden, sich zum Kriege gegen Gott und zu den allbekannten Kämpfen mit den Riesen erkühnten, daran dachten, die Erde zum Bollwerk gegen den Himmel zu machen, und sich in ihrem wahnsinnigen, maßlosen Hochmut anschickten, den Herrn der Welt selbst zu bekriegen. Wegen dieses Verhaltens bestrafte sie der allwissende Gott
durch Überschwemmungen und rächte sich an ihnen wie an einem über die ganze Erde sich erstreckenden Urwald durch Feuer. Er schlug sie durch anhaltende Hungersnot, durch Pest und Krieg und durch Blitz und Ungewitter, sie durch bittere Strafen vor schrecklicher,
schlimmster Seelenkrankheit bewahrend. Damals, als beinahe alle Menschen vom starken Schwindel der Bosheit erfaßt waren und fast alle Menschenseelen wie von einem furchtbaren Rausch verfinstert und betäubt wurden, erschien die erstgeborene und ersterschaffene (πρωτόκτιστος) Weisheit Gottes, der präexistierende Logos selbst im Übermaße seiner Menschenliebe bald den niederen Geschöpfen in Engelsgestalt, bald dem einen und anderen der alten Gottesfreunde in eigener Person als erlösende Gotteskraft eben in Menschengestalt, weil es nicht anders möglich war. Erst als nun durch diese Gottesfreunde die Samen der Gottesfurcht in die Masse getragen wurden und aus den alten Hebräern auf Erden ein ganzes Volk der Gottesfurcht erstand, erst als der Logos dieser noch an alten Gewohnheiten hängenden Volksmasse durch den Propheten Moses Vorbilder und Symbole eines geistigen Sabbates und einer (geistigen) Beschneidung und Hinweise auf andere erhabene Lehren gab, ohne aber schon in die Geheimnisse selbst einzuführen, erst als durch das
Bekanntwerden der jüdischen Gesetze, welche gleich einem Wohlgeruch unter die ganze Menschheit drangen, infolge der Bemühungen von Gesetzgebern und Philosophen, die überall auftraten, zahlreiche Völker gesitteter wurden, ihr wilder, roher, tierischer Sinn sich in Sanftmut verwandelte und sie in aufrichtigem Frieden freundschaftlich miteinander verkehrten,*** erst jetzt, zu Beginn des römischen Kaiserreiches, erschien allen übrigen Menschen und den Heiden des ganzen Erdkreises, da sie vorbereitet und bereits fähig waren, die Erkenntnis des Vaters anzunehmen, derselbe Lehrer der Tugenden, der Diener des
Vaters in allem Guten, der erhabene und himmlische Logos Gottes, in Menschengestalt, ohne jedoch unsere körperliche Natur in etwas zu ändern. Jetzt erst wirkte und litt er, wie es die Prophezeiungen verkündet hatten, indem sie erklärten, es werde jemand, der Mensch und Gott zugleich ist, öffentlich auftreten, wunderbare Werke verrichten und sich allen Völkern als Lehrer der Verehrung des Vaters erweisen, und indem sie seine wunderbare Geburt, seine neue Lehre, das Außerordentliche seiner Taten, ferner die Art seines Todes, seine Auferstehung von den Toten und schließlich seine wunderbare Himmelfahrt prophezeiten.“

Ist das nicht faszinierend, dass eine Kirche, die so viele Jahrhunderte unergründlichen Druck durch das römische Reich erhielt, weder pessimistisch vom römischen Reich, noch vom Wirken Gottes denkt und man in der Tat recht wenig Apokalyptik bei den Kirchenvätern findet. Sie sind ein wirklich bewegendes Gegengewicht – und was den Optimismus angeht, ein Vorbild für Christen in unseren Tagen. Denn wenn wir Christen nicht optimistisch bleiben, wer soll es sonst?

Nun könnte man Eusebius vorwerfen, dass er nach der konstantinischen Wende leicht reden hat, da er einen (vermeintlichen?) Triumph der Christenheit miterlebt hat. Doch wird man ohne Weiteres diesen auf der Wirkung des Evangeliums (nicht auf den Errungenschaften des römischen Reiches natürlich) beruhenden Optimismus auch in den Schriften von Augustinus finden, oder bei den Schriften von so einem radikalen Autor wie Tertullian – bei ihm zu einem Zeitpunkt lange vor jeglicher Hoffnung, dass das römische Reich „christlich“ wird.

Ich finde, man kann auch Weltuntergangsliteratur lesen, jedoch wenn man ein Gegengewicht benötigt, ist der Griff zu den Kirchenvätern sicherlich angebracht. Um es mit den Worten von Ivan Prochanow zu sagen, der seine Autobiographie „In the Cauldron of Russia“ mit dem Untertitel unterschrieb:Life of an Optimist in a Land of Pessimism. Das schrieb Prochanov – der Gründer der evangelischen Bewegung in Russland mit dem wunderschönen Namen Evangeliums-Chrsiten – als es um ihn einen großen Zulauf zu linken Ideologien gab! Wie treffend bleibt wohl sein Motto auch für unsere Zeit. Sind wir auf der Seite Christi, haben wir keinen Grund für Pessimismus! Das Glas ist definitiv halb voll!

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