Rezension: Glaubwürdig – Können wir den Evangelien vertrauen? – von Peter J. Williams

Es ist ein großes Privileg, in einer Familie aufgewachsen zu sein und Mitglied in Gemeinden gewesen zu sein, in denen die Autorität und Wahrhaftigkeit der Bibel nie in Frage gestellt wurden. Dabei wurde nie unterschieden zwischen Gottes Wort und Menschenworten in der Heiligen Schrift. Jedes Wort wurde wörtlich genommen. Die Bibel wurde von vorne nach hinten gelesen, geliebt und gelebt. Die Bibel war in jeder Hinsicht absolut glaubwürdig.

„Glaubwürdig“ – das ist auch der Titel eines Buches von Peter J. Williams: „Glaubwürdig – Können wir den Evangelien vertrauen“. Ganz gleich ob jemand die Bibel für 100 % glaubwürdig hält oder für 1 % – dieses Buch liefert zahlreiche Argumente für die Vertrauenswürdigkeit der Bibel.

Der Autor leitet das Tyndale House in Cambridge und Mitglied des Übersetzungskomitees der Bibelübersetzung ESV (English Standard Version). Dieser Hintergrund des Autors könnte für manchen Skeptiker ein Grund sein, dieses Buch nicht zu lesen. Man könnte ihm vorwerfen, er sei bei diesem Thema voreingenommen. Genauso wird auch den Autoren der Evangelien vorgeworfen, sie seien voreingenommen gewesen. Doch Williams sagt schon im ersten Kapitel, dass eine Voreingenommenheit nicht notwendig ist, wenn man etwas beweisen will. Die Argumente sowohl von Williams als auch die von den Evangelisten müssen überprüft werden, um ihre Stichhaltigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu belegen.

Die meisten Bücher über Bogenschießen, Angeln oder Kochen sind von Leuten geschrieben, die diese Tätigkeiten mit Begeisterung ausüben. Christen waren vom Christentum begeistert und haben verständlicherweise mehr darüber geschrieben als andere. Die vier Evangelien wurden natürlich von Befürwortern des Glaubens an Jesus als den versprochenen Erlöser geschrieben. So gesehen könnte man sagen, sie sind voreingenommen – es sind ja keine unparteiischen Aufzeichnungen, sondern solche, die den Glauben an Jesus Christus fördern wollen.

Allerdings ist das kein Grund, ihnen zu misstrauen. […] Die Frage ist also nicht, ob die Evangelisten eine Agenda hatten, sondern ob sie die Dinge richtig wiedergegeben haben.

Williams geht in acht Kapiteln zum Teil sehr gründlich, aber immer leicht lesbar und nachvollziehbar zahlreiche Anfragen und Vorwürfe an die Evangelien durch. Dabei verfolgt er das Ziel, Indizien für die Glaubwürdigkeit der Evangelien aufzuzeigen.

Den Anfang machen Zitate aus nichtchristlichen Quellen über die Berichte in den Evangelien, über Jesus und über seine Nachfolger. Der Autor analysiert Aussagen von Tacitus, Plinius und Josephus. Die kurze, aber präzise Analyse dieser Zitate öffnet dem Leser die Augen für die weite Verbreitung der Christen im ersten Jahrhundert.

Viele Argumente für die Glaubwürdigkeit der Evangelien konnte ich vor allem aus den Kapiteln 2 und 3 ziehen. Dabei behandelt der Autor die Entstehungsgeschichte und die Kompetenz der Autoren der vier Evangelien. Dabei ist ihm weder die Reihenfolge der Entstehung, noch die Datierung wichtig, obwohl er von einer Frühdatierung ausgeht. Williams hebt hervor, dass man davon ausgehen muss, dass die Evangelien innerhalb der ersten Generation von Christen verfasst wurden. Er zeigt mit zahlreichen Tabellen und Listen, dass die Autoren der Evangelien sich sehr gut mit dem Umfeld von Jesus auskannten – sei es Geografie, Botanik, Traditionen oder die Namen und Personen der damaligen Zeit.

Williams verarbeitet eine große Menge an Informationen, und die zahlreichen Tabellen und Grafiken in der ersten Hälfte des Buches sind immer hilfreich. So manche Bibelstelle wird mit wertvollen Hintergrundinformationen angereichert. Ein Bibelstellenverzeichnis am Ende des Buches wäre jedoch sehr nützlich gewesen, um bestimmte Passagen gezielt nachschlagen zu können.

In Kapitel 4 untersucht Williams die sogenannten „unbeabsichtigten Übereinstimmungen“ zwischen den Evangelien. Diese subtilen, oft zufälligen Details, die zwischen den Berichten der Evangelisten übereinstimmen, stützen die These, dass die Evangelien auf authentischen Augenzeugenberichten basieren. Solche Übereinstimmungen wären schwer zu konstruieren, wenn die Geschichten erfunden wären.

Für viele Leser werden die Kapitel 5 und 6 hilfreich und interessant sein. Haben wir Jesu eigene Worte überliefert bekommen? Oder sind seine Aussagen durch die Wirren der damaligen Zeit, Verwendung von Aramäisch und Griechisch als Kommunikationssprachen und durch Fehler beim Kopieren so weit verfälscht, dass wir kaum noch sicher sein können, was Jesus wirklich gesagt haben soll?

In Kapitel 7 „Widersprechen die Evangelien einander?“ hätte man vielleicht erwartet, dass der Autor nicht so leicht zu harmonisierende Berichte untersuchen würde. Doch stattdessen zeigt er formale sprachliche Unterschiede im Johannesevangelium. Die Liste ist aufschlussreich und seine Argumente nachvollziehbar. Allerdings hätte es das Kapitel abgerundet, wenn Williams zumindest stichpunktartig auch andere vermeintliche Widersprüche angesprochen und mögliche Lösungsansätze angeboten hätte.

In Kapitel 8 fragt Williams, ob sich jemand die Geschichten aus den Evangelien einfach ausgedacht haben könnte. Er sagt, dass es am plausibelsten ist, dass die Berichte wahr sind. Besonders spricht er über Wunder, die Haltung von Skeptikern dazu und warum Christen daran glauben.

Das Buch schließt mit einem Appell, dem ich mich anschließen möchte:

Wenn die Darstellung Jesu in den Evangelien im Grunde wahr ist, dann erfordert das als logische Schlussfolgerung, dass wir die Herrschaft über unser Leben abtreten, um Jesus Christus zu dienen, der in jedem Evangelium mehrmals sagte: „Folge mir nach.“

S. 146

Titel: Glaubwürdig – Können wir den Evangelien vertrauen?
Autor: Peter J. Williams
Sei­ten: 157
For­mat: 13 x 21 cm
Ein­band: Paper­back
Jahr: 2020
Ver­lag: CV/cvmd
Preis: 11,90 EUR
erhält­lich bei: cbuch.de

1 Kommentar zu „Rezension: Glaubwürdig – Können wir den Evangelien vertrauen? – von Peter J. Williams“

  1. Lieber Eduard, ich freue mich riesig, eine Rezension von dir zu lesen! Eine treffende Wahl. Was mir bei dem Thema Kopfzerbrechen bereitet, ist „Vertrauenswürdigkeit“ gleichzusetzen mit Inspiration und auch mit Unfehlbarkeit, oder sind es drei Unterschiedliche Aspekte mit großen Überschneidungen? Genauer geht es darum, ob ein Bericht vertrauenswürdig sein kann, und trotzdem Fehler/Ungenauigkeiten enthält… – in diesem Zusammenhang frage ich mich immer, ob man auf die schwer zu harmonisierenden Begebenheiten in den Evangelien eben gerade deswegen wenig berührt, weil man eigentlihc stillschweigend schon Ungenauigkeiten annimmt, aber – da man ja konform sein möchte, natürlich gleichzeitig Unfehlbarkeit und Inspiration verteidigt.

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