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Honecker und der Pastor

Ich bin gegenwärtig langsam dabei, einige Traditionen für den Tag der deutschen Einheit zu entwickeln. Die Person von Erich Honecker hat einige faszinierende Elemente. Bereits 1935 wurde er wegen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt – hier soll er bis zum Niedergang des Hitler-Regimes bleiben. Damals war er gerade mal 22 Jahre alt. Als Arbeiterkind war er sehr früh überzeugter Kommunist. Als gelernter Dachtedecker muss er in den letzten Kriegsjahren von Bomben zerstörte und gefährlich baufällige Dächer reparieren. Er wird als einer bekannt, der Verschüttete aus einstzurgefärdeten Kellern genauso furchtlos rettet wie hastig Brandstäbe von Hausdächern entfernt. (Quelle: Wikipedia).

Genau dieser Mann sollte die DDR prägen und formen wie kein anderer. Und genau dieser Mann erlebt während des Niedergangs der DDR eine äußerst ungewöhnliche Begegnung mit dem Evangelium.

Da er und vor allem seine Frau Margot, die ebenfalls Ministerin der DDR war, den liberalen Kurs Gorbatschows für den Spion des Westens (und Verräter am Sozialismus) halten und Honecker aufgrund gesundheitlicher Schwächen sowieso bereits auf dem absteigenden Gleis steht, werden sie während der Zeit des Mauerfalls nichts anderes als die berühmtesten Obdachlosen der Welt. Dass sie nun ausgerechnet von einer gläubigen Pastorenfamilie aufgenommen werden, kann man wohl als Ironie des Schicksals bezeichnen. Genau diese zehn Wochen, in denen die Honeckers beim Pastor untergebracht sind, zeichnet der Film „Honecker und der Pastor“ (2022) auf. Doch wie kam es dazu?

Vor kurzem noch Präsident und Ministerin, werden beide ohne Bleibe. Und keiner möchte (oder kann sie) aufnehmen, so dass ihnen nichts übrig bleibt als Zuflucht bei der Pastorenfamilie Holmer zu nehmen. Holmer hat zehn Kinder, nur noch zwei sind im Haus. Allen seinen Kindern wurde aufgrund des Glaubens das Abitur verwehrt. Nun gibt es den Dienst der Barmherzigkeit an störrischen Atheisten.

Überrascht haben mich eindeutige und klare Bezüge zum Christentum. Die Tugendhaftigkeit des Glaubens strahlt über weite Strecken des Films gegenüber der spröden Engheit des Kommunismus. Die überzeugte Haltung Margots kommt im Film genauso gelungen zur Geltung wie der langsam senil werdende Präsident der DDR. Die ungewöhnliche Kulisse eines Bethel-Wohnheims für Geistesgestörte, das nun von den Honeckers bewohnt wird, wird vom Regisseur Jan-Josef Liefers genauso gelungen aufgefangen wie die „Ossi“-Kleidung und Einrichtung.

Insgesamt ein gelungener Film, um sich mit einem Teil der deutschen Geschichte vertraut zu machen, der einerseits noch gar nicht so lange weg ist und sich gleichzeitig doch so weit entfernt anfühlt.

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