Alle Artikel mit dem Schlagwort “Richter

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Lesestapel im Sommer 2022

Ein Blick auf Bücher, die meine Sommerferien begleitet haben.

  • „Die zwei Bücher an seine Frau“ von Tertullian. Eine verrückte Schrift, die eigentlich die radikale Ausrichtung Tertullians bezeugt. Er empfiehlt, ein weises Vorgehen für den Fall, dass er stirbt und sie als Witwe da bleibt: Am besten nicht wiederheiraten! Zitat Tertullian: “ Man kann sagen: wofür man erst einer Erlaubnis bedarf, das ist nicht gut. Wieso denn? Für das, was erst erlaubt wird, gibt es immer eine Veranlassung zur Erteilung der Erlaubnis, welche verdächtig ist. Das Vorzüglichere aber braucht nicht erst von jemand erlaubt zu werden – weil es unbedenklich und wegen seiner Einfachheit an sich klar ist.“ Man erahnt in diesem Buch den aufkeimenden Monastizismus der frühen Kirche
  • „Grieche sucht Griechin“ von Friedrich Dürrenmatt. Ein eleganter Anfang, ein vielversprechender Mittelteil, und wie so oft bei Dürrenmatt ein eher schwacher Abgang. Tatsächlich wurde das Werk nie beendet, und hat nur eine vom Autor beigefügte Schlußskizze. Ein groteskes Werk, dass den Menschen immer das Chaos vor Augen stellt. Da es um die Vermählung eines strenggläubigen Griechen (er ist tatsächlich „Altneupresbyteraner“) mit einer „heimlichen Mätresse“ geht, teils leicht anstößig zu lesen.
  • „Wahrheitsbekräftigung aller Artikel Martin Luthers“  Es war super schwer von diesem Werk überhaupt eine deutsche Fassung zu finden, obwohl man vor allem in der englischsprachigen Luther-Rezeption ständig zu dieser Schrift, die eine gebündelte Wiederlegung der Bannbulle von Papst Leo ist, darstellt.  Hier findet sich die Vorrede kostenfrei im Web. Das vollständige Werk ist Teil dieser Reihe. Sehr lesenswert. Der frühe Luther in Reinform: “ Daher sage ich auch jetzt noch: Hüte dich, hüte dich, Bruder Christ, dass du niemals auf deine Reue vertraust; nicht dieser, sondern deinem Glauben hat Gott Vergebung der Sünden verheißen. Es gibt nämlich zwei Worte Gottes: Das eine ist das Gebot, das andere ist die Verheißung. Das Gebot fordert Werke, die Verheißung Glauben. Und es ist nicht denkbar, wie die Verheißung erfüllt werden könnte ohne den Glauben durch irgendein Werk.“
  • Perelandra –  Trilogie. Nun bin ich bei Band drei angelangt und halte das Werk für einen äußerst gelungenen Gegenentwurf zur Sci-Fi-Literatur a la Star Wars oder Krieg der Welten. Einen kurzen Einblick in die ersten beiden Bände gebe ich in diesem Artikel.
  • F.B. Meyer: John the Baptist. Ich habe mich ausführlich mit dem Leben Johannes des Täufers beschäftigt. Das Neue Testament räumt diesem „von allen Frauen geborenen Größten“ weiten Raum ein; so überraschte mich z.B. der regelmäßige Bezug zu Johannes dem Täufer in der Apostelgeschichte. Zudem wird sein Dienst ebenfalls bereits im Alten Testament angekündigt. In der Vorbereitung konnte ich kaum sinnvolle und hilfreiche Literatur finden. Meyers Werk kann ich zu Gute halten, dass es wirklich alle Etappen im Leben von Johannes dem Täufer bespricht. Die Anwendungen sind aber deutlich überzeichnet, so dass das Werk letztlich an Prägnanz verliert.
  • Literatur zum Buch Richter: Nach einem Jahr Pause habe ich mir wieder Literatur zum Buch Richter vorgeknöpft. Die eigene Vorbereitung und Auseinandersetzung mit diesem Buch hilft mir nun viel ausgewogener mit weiterführender Literatur zu diesem Thema umzugehen. Ich habe das sehr konservative Werk von Bill Cooper gelesen „The Autenthicity of the Book of Judges“. Cooper erarbeitet zahlreiche hilfreiche Informationen auf, die die Glaubwürdigkeit des Buches Richter unterstreichen, geht aber nicht ausreichend auf kritische Elemente ein. Ich versuche zu diesem Werk bei Gelegenheit eine Rezension nachzureichen. Ich griff dann auf das Buch „The Triumph of Irony in the Book of Judges“ von Lillian R. Klein. Ein Buch, das vor allem die literarische Struktur, und vornehmlich die Verwendung ironischer, humorvoller, sarkasstischer Stilmittel des Autors beschreibt. Weitestgehend hat die Autorin hilfreiche Hinweise, auch wenn meines Erachtens meine Figur zu sehr über gedeutet wird. Schließlich bin ich noch auf „Story as Torah: Reading the Old Testament Narrative Ethically“ von Gordon Wenham gestoßen. Dieses Buch widmet sich der Frage, wie man die weitestgehend neutral und sachlich geschilderten Begebenheiten im Buch Richter und im Buch Genesis ethisch deuten kann. Der Autor weist darauf hin, dass die Struktur dieser Bücher oft Hinweise für die Deutung solcher Ereignisse gibt. Dieses Werk ist äußerst lesenswert.

Was habt ihr in euren Sommerferien gelesen?

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Eine komplexe und vielfältige Geschichte

Je mehr ich mich mit dem Buch Richter befasse, desto mehr staune ich über die literarische Komplexität dieses Geniestreichs hebräischer Geschichtsschreibung. Ein Hinweis von A.E. Cundall, den ich mit euch teilen möchte:

„Wir sollten darauf achten, dass wir nicht auf leichtfertige Weise unsere westlichen Beobachtungs- und Analyse-Methoden in das Studium antiker Nahöstlicher Dokumente importieren. Zum Beispiel werden im Buch Richter nicht weniger als fünf Gründe dafür angegeben, warum Israel daran scheitert, das Land Kanaan einzunehmen. Es lag an den überlegenen Waffen und Befestigungsanlagen der Kanaaniter (1,19), es lag an Israels Neigung, mit den Einwohnern des Landes Bündnisse zu schließen (2,1-5). Ein Grund lag in der Sünde Israels und der notwendigen Bestrafung dafür (2,20-21). Auch wollte Gott Israels Treue testen (2,22-23; 3,4). Schließlich sollte Israel auch Kriegstechnik erlernen. (3,1-3). Anzunehmen, dass hierin eine Inkonsistenz vorliegt, würde bedeuten, dass man den grundlegenden hebräischen Entwurf des Lebens verwirft, der ein hoch entwickeltes Konzept der Souveräntität Gottes besaß. Israel versagte bei der Eroberung aus sehr klaren Gründen und so blieben die ursprünglichen Eiwnohner im Land, doch Gott „übersteuerte“ selbst das zum Besten seines Volkes. Es gibt keinen Grund an dieser Stelle zwei oder mehr (Überlieferungs-) Traditionen anzunehmen. Alle fünf Gründe lagen dem Hebräischen Verständnis zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kontexten vor Augen. In ähnlicher Weise könnten wir vor der Weise zurückschrecken, in der Israel in die Hand bestimmter Unterdrücker ausgeliefert wird, um anschließend durch einen bestimmten Richter befreit und regiert zu werden, während der Kontext es sehr deutlich macht, dass nur eine kleine Zahl der Stämme und ein relativ kleiner Teil des Landes betroffen war. Eine Erklärung dafür könnte in dem hebräischen Verständnis der ethnischen Solidarität liegen. ( Aus: Cundall, A. E., & Morris, L. (1968). Judges and Ruth: an introduction and commentary (Bd. 7, S. 25–26). Downers Grove, IL: InterVarsity Press.)

Hier noch der Originaltext: Weiterlesen

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Right in Their Own Eyes

Mit Freuden habe ich George Schwabs mutigen Kommentar über das Buch der Richter gelesen. Der Kommentar besitzt eine spannende Eröffnung über Simson: Wieso befällt der Geist Gottes Simson gerade dann, als er gegen ein Löwenjunges kämpft. Wenn man bedenkt wie selten im Alten Testament der Geist Gottes auf Menschen fällt, findet hier etwas außergewöhnliches statt und ist dabei doch so trivial. Schwab öffnete mir die Augen für die Kompexität und die Kunstfertigkeit des Buches Richters. Der Autor berichtet zuverlässige Geschichte, aber er berichtet sie nicht so, wie wir das als Westler gewöhnt sind. So ist die Chronologie der Ereignisse unwesentlich, während die Richter selbst nach den Stämmen (12 an der Zahl, von jedem Stamm einer), und dann auch eher geographisch sortiert, besprochen werden. Den vor allem ungewöhnlichen und problematischen Kandidaten gilt dabei der besondere Augenmerk. Dass es mehr als unnatürlich ist, dass Bienen in einem toten Kadaver leben ist nur ein Hinweis darauf, dass das Volk Gottes im Land wo Honig fließt, umgeben von toten Heidenvölkern lebt.  Weiterlesen

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„Jeder tat, was ihn recht dünkte“

Judges For You (God's Word For You) (English Edition) von [Keller, Timothy]Da man derzeit auch Kinderstunde von zu Hause machen muss, habe ich mir überlegt, die Lektionen aus dem Buch Richter mit den Kindern zu besprechen. Ich bin darüber gestolpert, da das Buch Richter einfach als historische Tatsache wahrgenommen wird. Geistliche Lektion?- zumeist Fehlanzeige! Oder mal eine Predigt außerhalb der üblichen Zyklen Gideon und Simson gehört? Eine Ursache dürfte unsere moralistische Lesart sein: Die meisten Richter taugen höchstens als negatives Beispiel. Der Ansatz von Keller ist eine Wohltat. Richter ist hochaktuell für unsere Zeit: „Trotz der Lücke von mehr als drei Tausend Jahren, gibt es viele Parallelen zwischen unserer Situation und der Zeit des Buches der Richter (…) Es war eine Zeit des geistlichen Pluralismus“.  Eine düstere Geschichte – wo bleiben da die Helden?

Das Buch der Richter erzählt das Evangelium, die Bibel ist kein „Buch der Werte“: „Sie ist nicht voll inspirierender Erzählungen. Warum? Weil die Bibel (im Gegensatz zu den Büchern auf die sich andere Religionen berufen) nicht darüber handelt, wie man moralischen Beispielen nachfolgt. Sie handelt über einen Gott der Gnade und Langmut, der fortschreitend in und durch uns arbeitet, trotz unseres beständigen Widerstandes gegen seine Absichten. Letztlich gibt es nur einen Helden in diesem Buch und er ist göttlich. Wenn wir diesen Teil der Heiligen Schrift als einen historischen Bericht darüber lesen, wie Gott sein unwürdiges Volk durch und aus dem Dreck ihrere Sünde rettet und zu sich bringt, dann wird sie in unseren Köpfen und Herzen lebendig und spricht in unser Leben und in unsere Situation. „Richter“ ist keine leichte Kost. Doch eine essentiell wichtige für unsere Zeit.“

Im Einleitungskapitel bespricht Keller sechs Lektionen oder Leitthemen im Buch der Richter. Diese habe ich im folgenden übersetzt: Weiterlesen