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Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch – Erstlingswerk von Alexander Solschenizyn

Eigentlich ist es eine seltsame Führung, dass das erste Werk von Alexander Solsschenizyn, selber zunächst jahrelang Häftling im Gulag, später bis zur seiner Rehabilation 1957 in „ewiger Verbannung“ in Sibirien, offiziell von der sowjetischen Regierung zur Veröffentlichung zugelassen wurde, ja von Chruschtschow, dem Führer der UdSSR höchstpersönlich, der sich sogar mit dem Buch beschäftigt hat. Da die Zensurbehörde weitere Probleme fürchtet, erscheint die russische Erstauflage gar mit einem Vorwort von Chrutschtschow höchstpersönlich.

Chrustschow war ein entschiedener Kritiker des Stalinismus, und es passte wohl in das politische Klima, Stalinistische Auswüchse wie die Gulags zu kritisieren. Entsprechend wünschte sich die Zensurbehörde sogar mehr „Stalin-Kritk“. Solchenzin berichtet später selbst:

„Und das Lustigste für mich, den Feind von Stalin, war, dass ich zumindest einmal den Namen Stalins als Verursacher von Katastrophen erwähnen musste. (Und tatsächlich wurde er im Bericht kein einziges Mal erwähnt! Das geschah natürlich nicht zufällig, denn ich sah das sowjetische Regime, nicht nur Stalin allein.) Ich machte diese Zugeständnis: Ich erwähnte ‚Väterchen Schnurrbart‘ einmal…“

Das Buch schildert einen Tag des Häftlings Ivan Denisovich Schuchow, im Lager nur unter der Nummer Щ-854 bekannt. Die Idee zum Buch hatte der Autor im Lager. Er wollte etwas über die sowjetische Straflager-Kultur schreiben und im wurde klar, dass ihm das viel besser gelingt, wenn er einen einzigen Tag eines durchschnittlichen Gefangenen vom morgen bis zum Abend schildert. Entsprechend fängt das Buch an:

„“Um fünf Uhr morgens, wie immer, ertönte der Weckruf – mit einem Hammer auf die Schienen am Stabsgebäude.“

Der Tag fängt alles andere als gemütlich an. Schuchow fühlt sich kränklich, kommt nicht so recht aus den Federn, und bei der ersten Lagerkontrolle führt das zur ersten Strafmaßnahme: Dem Wischen des Bodens im Verwaltungsgebäude. Schwach bekleidet, unsicher tritt Schuchow diese Arbeit bei beißender Kälte von -30°C an.

Eine Katastrophe kündigt sich an, so denkt man als Leser dieser etwa 70 Seiten langen Novelle. Doch die Katastrophe bleibt aus. Schuchow gelingt es doch noch pünktlich am Frühstück dazu sein. Die Arbeit die seiner Kolonne zugeteilt wird entspricht ganz seinen Vorstellungen: Er muss mauern, was einen Schutz vor dem beißenden Wind bietet, außerdem verbreitet die Heizung, die für das Auftauen des Zementsandes benötigt wird, etwas Wärme. Ja die Arbeit macht ihm so viel Freude (und wärmt dabei), dass er fast zu spät zum „Gong-Ende“ kommt.

Um Schuchow, die Zentralperson der Novelle entwickeln sich viele kleinere Aspekte. So lernen wir Aljoscha kennen, der wegen seinem baptistischen Glauben sitzt und mit dem Schuchow zuletzt gar über den Glauben spricht. Oder Cäsar, einen Inhaftierten, der nicht nur leichte Büro-Tätigkeiten hat, sondern auch „gut“ von der Verwandtschaft mit vielen Paketen versorgt wird. Man bekommt Einblick in die Bestechungsstrukturen im Lager, die Kriminalität und die Versuche der Wärter jegliche Privatsphäre zu unterbinden.

„Ein Tag verging, ungetrübt von irgendetwas, fast glücklich. In seiner Dienstzeit gab es insgesamt dreitausendsechshundertdreiundfünfzig solcher Tage, von Klingelton zu Klingelton. Aufgrund der Schaltjahre kamen drei zusätzliche Tage hinzu…“

Gerade durch den optimistischen ja freudevollen Verlauf des Werkes gelingt dem Buch ein wichtiger Punch! Die Gulags und Unterdrückungen konnten eben nicht die Freude am Leben, die Lust am Handeln, das selbstständige und verantwortungsvolle Denken unterbinden.

Das Buch zeigte Wirkung. Die Regierung wurde auf die Zustände in den Gefängnissen sensibilisiert und unternahm Maßnahmen. Solschenizyn selbst erhielt unzählige Briefe von Mitgefangenen und Mitgelittenen. Letztlich führte es auch zu einen höheren Vernetzungsgrad von antisowjetischen Dissidenten und so sollte das Buch auch die Geschichte der Sowjetunion mitprägen. Für mich ist hier eine große Ermutigung, dass sich auch „versteinert wirkende“ Systeme verändern lassen.

Nur 8 Jahre nach der Veröffentlichung seines Werkes bekam Solzhenizyn den Literatur-Nobelpreis und nur 4 weitere Jahre später wurde er aus der Sowjetunion verbannt. Allzu viel Systemkritik konnte die Sowjetunion vor allem unter Chrustschows Nachfolger Breschnew nicht dulden…

Insgesamt ein lesenswertes Buch, dass gerade aufgrund seiner Kürze ein guter Einstiegspunkt in das große Werk Solschenizyns darstellt.

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Wenn man nicht mehr lesen kann…

Immer wieder habe ich Phasen, in denen mir Bücher, vor allem theologische Bücher als derart lästig vorkommen, dass ich sie nicht mehr lesen mag.

Es sind Phasen, in denen mich selbst die besten Werke und liebsten Autoren ärgern. Ich möchte das an einem meiner Lieblingsautoren, Carl R. Trueman, illustrieren. So fiel mir immer auf, dass er „katholikenfreundlich“ schreibt. Das finde ich im Allgemeinen zunächst unproblematisch. Aber dann lese ich seine Kritik an den Evangelikalen, die Bekenntnisse nicht so ernst nehmen. Nun was soll man dann machen? Soll ich Carl. R. Trueman daran erinnern, dass es ja sein Bekenntnis ist, das in Artikel 26,5 über den Papst diese Aussage trifft: „Auch der Papst von Rom kann nicht in irgendeinem Sinn ihr Haupt sein, sondern er ist der Antichrist, der Mensch der Sünde und Sohn des Verderbens, der sich selbst in der Kirche gegen Christus und alles, was Gott genannt wird, erhebt“. In Kürze: Ich fange an, diese Aussagen persönlich zu nehmen und das Gefühl, dass all diese Aussagen bloß Macht-Strategien sind, um sich einen guten Lehrstuhl zu verschaffen oder die richtige Zeitschrift (FirstThings) als Herausgeber zu erhalten, fängt an zu dominieren.

Natürlich mag ich mich irren, und ich hoffe, hier kein Urteil über Trueman zu fällen, sondern vor allem zu beschreiben, wie der Keim eines Verdachts aufkommt, der nicht so schnell ausgerottet werden kann. Das Lesen von Trueman ist auf jeden Fall zunächst gelähmt. Greife ich nach Trueman zu einem seelsorgerlichen Werk, keimt der Verdacht aber weiter: Auch dieses Buch landet in der Ecke, da ich nicht den Verdacht loswerde, dass dieses wiederum aus rein finanziellen oder sonstig manipulativen Gründen verfasst wurde. Im Übrigen ist das ganze hier nur ein punktueller Einblick in eine äußerst dicke und Schicht Frustration mit theologischen Büchern, die oft lange schlummert und nun erbarmungslos herausbricht. Ich habe einfach keine Geduld mehr mit ihnen.

Das kann gehörig frustrierend sein, aber da ich bereits die dritte Runde „dieser Fastenzeit“ drehe, bringe ich dieses Mal etwas mehr Gelassenheit mit. In diesem Artikel möchte ich nun schildern, was ich anschließend unternehme (und was mich letztlich zu den Büchern zurückbringt)

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„Evangelischer Glaube Kompakt“ von Thomas Schirrmacher
Darüber wie es ist, als Nicht-Presbyterianer das Westminster Bekenntnis zu lesen

Das hat mich zunächst in dieser Version des Westminster Glaubensbekenntnisses von 1647 (Im folgenden mit WB abgekürzt) von Thomas Schirrmacher irritiert, dass er das Werk mit einem zusätzlichen Titel versieht: „evangelischer Glaube kompakt“. Je mehr ich aber auf diese Bekenntnisschrift zurückgreife, desto eher sehe ich es als eine Art „Cheat-Buch“ für dogmatische Fragen.  Als ich vor einiger Zeit z.B. für eine Jugendgruppe einen Vortrag über das Thema Heilsgewissheit vorbereitet habe, griff ich vollständig auf die Struktur zurück, wie es das WB In Kapitel 18 darstellt: Behutsam entwickelt das Bekenntnis an dieser Stelle, dass es vor allem um den Wachstum im Glauben geht, dass Heilsgewissheit möglich, aber nicht heilsnotwendig sei, erstrebenswert, aber nicht auf eine zu verzweifelnde Weise, sondern im Gottvertrauen anzueignen.

Oder nehmen wir Kapitel 9: Vom freien Willen. Das Bekenntnis hat hier die augustinische Struktur im Hintergrund, so dass es die Willensfreiheit vor dem Fall, nach dem Fall, nach der Wiedergeburt und in der Herrlichkeit betrachtet. Somit fällt die Antwort nicht einfach plump mit „ja oder nein“  aus, sondern führt zielstrebig zur Frage nach „echter Willensfreiheit“  Mit den Worten des Bekenntnisses, dass es übrigens kostenfrei zum Download gibt: (Artikel 9,5) „Der Wille des Menschen wird erst im Stand der Herrlichkeit volkkommen und unveränderlich frei gemacht, nur Gutes zu tun.“ Damit argumentiert das Bekenntnis an dieser Stelle völlig anders, als die übliche evangelikale Lösung, die meint, wir würden im Himmel nicht mehr sündigen, weil Satan nicht mehr da sei.

Sehr hilfreich auch für Jungscharunterricht oder allgemein Jüngerschaft, sind die ersten Kapitel des Bekenntnisses generell: Da wäre das erste Kapitel von der Heiligen Schrift zu erwähnen, das bei weitem nicht so plump formuliert ist, wie es gerne die liberalen Christen bibelgläubigen Evangelikalen vorwerfen, und natürlich das Kapitel über die Dreieinigkeit, oder schließlich, das sei besonders hervorgehoben,  das Kapitel über Christus den Mittler.

Das Mittelstück des Bekenntnisses bilden Fragen der Errettung, wie der Rechtfertigung, der Adoption, der Buße, des Ausharrens und des Gesetzes Gottes mit abschließenden Fragen nach der Beziehung zwischen Staat und Kirche, des Sabbats, der Ehe und den Sakramenten, sowie der Gemeindezucht.

Wer ein Bekenntnis aus reformierter Sicht sucht, kommt niemals an dieser Bekenntnisschrift vorbei. Schirrmachers Ausgabe wird durch zahlreiche Stützstellen und durch die weiteren Varianten dieser protestantischen Bekenntnisschrift deutlich bereichert. John Owen war bekanntlich nicht der presbyterianischen Kirchenordnung zugeneigt, und erweiterte das Kapitel zum Thema „Gemeinde“ erheblich. Diese Variante wiederum war grundlegend für Anpassungen zum Thema Taufe und formten so das Glaubensbekenntnis der britischen Baptisten (natürlich das von 1689).  Auf diese Weise kann Schirrmacher aufzeigen, wie zentral das WB für unterschiedliche protestantische Strömungen wurde. Weiterlesen

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Ein neuer Blog über das Leben in sexueller Reinheit
unbeschwert laufen... frei von Pornographie!

Die Tage wurde ich auf einen noch recht neuen Blog aufmerksam gemacht, den ich gerne weiter empfehlen möchte: Auf unbeschwert-laufen.de  finden wir einen Blog, der sich den Kampf um sexuelle Reinheit und gegen die Pornographie und Selbstbefriedigung auf die Fahne geschrieben hat. Ich schreibe hier Blog, aber es ist wohl vielmehr eine umfangreiche Datenbank, oder noch besser, eine Informationsstation. Auf unbeschwert-laufen.de finden sich zahlreiche Informationen, darunter eine der umfangreichsten Literatur-Sammlungen zu diesem geistlichen Kampffeld und eine ausführliche Darstellung mit gegenwärtig mehr als 200 Ressourcen zu diesem Thema, darunter auch Ansprechstellen für Seelsorge und Beratung  oder Ressourcen für Frauen (als Täter und/oder Opfer betroffen) oder eine Auflistung der unterschiedlichsten Zeitschriftenartikel.

In besonderer Weise hat mir die Aufbereitung audiovisueller Beiträge zugesagt, die man hier finden kann. Überhaupt ist die Seite sehr ordentlich und übersichtlich aufgebaut und besitzt ein ansprechendes Design. Ich hatte vor kurzem auch die Möglichkeit den Verantwortlichen des Blogs persönlich zu sprechen und sein Eifer,  in diesem Thema vor allem Männern zu helfen Sieg und Befreiung zu erfahren, wirkte ansteckend. Ich bin mir sicher, dass Gott diese Seite und die Materialien darauf segensbringend verwenden wird. Wenn ich etwas bemängeln würde, dann höchstens den sehr engen thematischen Rahmen, so fände ich z.B. auch eine etwas allgemeinere Seite zur christlichen Sexualethik hilfreich. Womöglich ist aber gerade diese konzentrierte thematische Fixierung eine Unterstützung/Orientierungshilfe für Menschen, die gerade gegen ihre Pornosucht kämpfen. Auf diese Weise bleibt der Blog auch eine Hilfestellung für die, die Menschen in Ihren Anfechtungen auf diesem Gebiet begleiten.

 

 

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Zwölf Perlenketten meiner Lektüre

Der Artikel „Meine persönliche „Top-Ten“ Auswahl christlicher Werke“ benötigt dringend eine Aktualisierung. Heute kann ich sie endlich liefern:

Zunächst möchte ich aufzeigen, wo die Grenzen meines bisherigen Artikels liegen.  Anschließend erläutere ich das Konzept, dass ich als „Perlenketten“ bezeichne: Das Konzept ermöglicht mir, sich mit zentralen Themen ausführlich zu befassen und doch unterschiedliche Perspektiven einzubinden. Die Frage, die ich dabei bespreche, ist, wie man eine hilfreiche Kette mit einem passenden „Anfangsknoten“ knüpft. Schließlich gewähre ich einen Blick in eine größere Auswahl an Perlenketten.

Was an meiner bisherigen Liste problematisch ist

Im Wesentlichen drei Dinge:

1) Es fehlte Struktur: Vor allem „heilige fromme“ Titel prägten mich, häufig ohne Folgen für das alltägliche Leben.

2) Fehlt Substanz: Vor 9 Jahren war ich einfach kein erfahrener Leser: So kannte ich außer Calvins Bibelkommentaren kaum einen anderen Kommentar. Und obwohl ich diese weiterhin für exzellent halte, denke ich, dass man weiser mit Kommentaren umgehen kann.

3) Ich konzentriere mich ausschließlich auf christliche Werke. Ein Schwerpunkt, der mein Leben auch weiterhin prägt, aber ich habe immer auch gerne Klassiker gelesen, die ich nun mit aufnehme.

Wie Perlenketten entstehen

Am Anfang einiger meiner Perlenketten steht der Predigtdienst von Tim Keller:  Immer wieder finden sich dann Beiträge, in denen er davon spricht, welche Autoren ihn geprägt haben. Er sagt, dass er sich in jungen Jahren mit der Frage konfrontiert sah, wie er Nicht-Christen erreichen kann. In Amerika könne man in vielen Bereichen immer noch die Kirchen voll mit Besuchern bekommen, weil viele noch über das christliche Vokabular verfügen. Er sah sich mit der Frage konfrontiert, wie er das Evangelium auch denen erzählen kann, die mit dem christlichen Konzept von Gott, Schöpfung und Erlösung nicht viel anfangen können und fand dabei viel Hilfe in den anglikanischen Evangelikalen Stott, Packer, Motyer, Lucas und weitere. Schon war mein erster Knoten geknüpft: Ich sehe in meinem Umfeld die gleiche Herausforderung, und ein Abgleichen meines Denkens an einer doch anderen Kultur der Briten der 50er bis 90er klingt verlockend. Weiterlesen

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“Gemeinde wiederentdecken” von Collin Hansen und Jonathan Leeman
Warum die Ortsgemeinde so wichtig ist

Gemeinde wiederentdeckenIch bin auf diesen Buchhinweis von Daniel auf philemonblog.de gestoßen, den ich euch nicht vorenthalten wollte (Ich empfehle auch diesen Artikel von Daniel):

„Eines der Dinge, die ich in der Zeit der Pandemie ganz neu gelernt habe, ist mit Sicherheit die Bedeutung von Gemeinde und Gottesdiensten vor Ort. Es stimmt, auch unsere Gemeinde ist zunächst notgedrungen auf den Livestream-Zug aufgesprungen und nun genießen wir und Gemeindemitglieder, die aufgrund von Krankheit oder Reisen nicht persönlich teilnehmen können, die Vorzüge der Technologie. Aber Gemeinde, die die Schönheit ihres Designs und die Wichtigkeit ihres Wesens, das die Bibel zeichnet und beschreibt, vergisst und zu einem bloßen YouTube-Kanal verkommt, kann und wird keine Frucht bringen. Häufig kommen Menschen “wegen der Viren” oder “wegen der Masken- und Anmeldungspflicht” nicht, jedoch wird schnell klar, dass andere Gründe vorliegen, nicht mehr frühmorgens zum Gottesdienst zu fahren, und die Pandemie nur eine wunderbare Möglichkeit der Ausrede darstellt, die zudem nicht großartig erklärt werden muss.

Collin Hansen und Jonathan Leeman versuchen daher in ihrem neuen Buch, kurz und prägnant darzustellen, was Gemeinde überhaupt ist, wer und was sie ausmacht und welche unumgängliche und unersetzliche Bedeutung sie im Leben eines jeden Christen mit sich bringt. Dazu liefern sie eine, zugegebenermaßen schwer sprechende und einprägsame, jedoch exakte Definition, deren einzelne Punkte sie in den neun Kapiteln erklären. Ich möchte sie an dieser Stelle zitieren: “Gemeinde ist eine Gruppe von Christen (Kapitel 2), die als irdische Botschaft (Vertretung) des himmlischen Königreichs Christi zusammenkommt (Kapitel 3), um die gute Nachricht und die Gebote des Königs Jesus zu verkünden (Kapitel 4); um einander durch Taufe und Abendmahl als dessen Bürger zu bestätigen (Kapitel 5); und um Gottes Heiligkeit und Liebe darzustellen (Kapitel 6) durch ein vereintes und vielfältiges Volk (Kapitel 7) auf der ganzen Welt (Kapitel 8), indem sie der Lehre und dem Vorbild ihrer Ältesten folgen (Kapitel 9)”. Puh. Aber ich kann das nachvollziehen, wer von Paulus lernt, wird auch gerne Bandwurmsätze imitieren. Dann kann man sie schön analysieren und grammatikalisch auseinandernehmen. Oder ein Buch darüber schreiben, wie Hansen und Leeman…. (mehr auf philemonblog.de)

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„Gelobt sei der Herr, der dir heute den Erlöser nicht versagt hat“

Das Buch „Five Festal Garments“ von B.G. Webb untersucht fünf Bücher des AT, die wir als Christen häufiger vernachlässigen. Webbs Überlegungen waren unter anderem die Grundlagen für nachfolgende Skizzen:

1. Episodische Struktur:

Webb macht auf die Schönheit des Aufbaus im Inneren des Werks aufmerksam. Es liegt eine strukturelle Parallele mit geringfügigen Varianten in Kapitel 2 und Kapitel 3 vor:

Kapitel 2: Kapitel 3:
1. Ruth bietet Naomi, ob sie gehen kann und sagt ihr was sie tun will. Naomi bietet Ruth zu gehen Naomi bietet Ruth zu gehen und sagt ihr, was sie zu tun hat.
2. Ruth geht 2. Ruth geht
3. Boas frägt, wer Ruth sei und es wird ihm erklärt 3. Boas frägt, wer Ruth sei und es wird ihm erklärt
4. Boas bittet Ruth zu bleiben und sagt, dass „Sie segnenswert sei“ und gibt ihr Nahrung 4. Boas sagt Ruth, dass „Sie segnenswert sei“ und bittet sie zu bleiben und gibt ihr Nahrung
5. Ruth spricht mit Naomi, erzählt ihr was passiert sei und bekommt von ihr Rat 5. Ruth spricht mit Naomi, erzählt ihr was passiert sei und bekommt von ihr Rat

Doch in dieser Parallele entwickelt sich weiter, so wie aus der Erntezeit von Kapitel zwei die Dreschzeit von Kapitel drei wird.

Dieses Zentrum wiederum ist flankiert von „Namenslisten“: Zu Beginn finden wir mindestens drei Namen, die keinerlei Rolle mehr spielen sollen. Die Genealogie zum Schluß kann jedoch kaum bedeutender sein, verknüpft sie Ruth doch als Bindeglied zwischen der Mose-Richter Zeit mit der Zeit des großen Königs Davids. Entsprechend spiegeln auch diese Namenslisten die Entwicklung von der Leere zur Fülle wider, die Naomi und Ruth als Individuen widerfährt für einen größeren Kontext wieder

2. Thematische Entwicklung und Kanonische Einbindung

Damit wären wir mitten im Plot des Buches. Wer Ruth als an Richter anschließend liest, dem wird auffallen, dass die zwei abschließenden Horrorgeschichten des Richter-Buches damit Anfangen, dass Jemand Bethlehem (= Haus des Brotes) verlässt ( Ri 17,9 und Ri 19,2 bzw. 19,18). Wer das Haus des Brotes verlässt, steht in der Gefahr eine Katastrophe auszulösen. Ruth als Abschließender Teil dieser Trilogie bietet nun die „Kontra-Erzählung“ dafür. Dabei war die Ironie besonders groß, dass im „Haus des Brotes“ eine Hungersnot herrscht (Rt. 1,1). Im Übrigen dürfen wir auch sonst Umstände der Richter-Zeit erwarten: Ein jeder tut was ihm recht vor Augen scheint. Das gerade eine fremde Migrantin ein beliebtes Opfer für ein kurzes Sexabenteuer werden kann, scheinen Rt2,21 und Rt2,15 zumindest anzudeuten.

Doch zehn Jahre nach Verlassen des verheißenen Landes ausgerechnet in Richtung Moab, muss Ruth Buße übend zurückkehren und bekennt, als die Frauen rufen: „Ist das die Naomi?“:

„Nennt mich nicht Naomi(Lieblich), sondern Mara (Bitter). Denn der Allmächtige hat mich sehr betrübt. Voll zog ich aus, aber leer hat mich der HERR wieder heimgebracht.“  Weiterlesen

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Kierkegaards Sprung

Heute berichtet Udo Schmitt darüber, wie er durch das Werk Kierkegaards zur Schrift und zum Glauben geführt wurde:

Ein undatiertes Gemälde des dänischen Theologen, Schriftstellers und Philosophen Sören Kierkegaard. (picture alliance / dpa)

Durch die Rezension einer neuen Biographie über den dänischen Philosophen Sören Kierkegaard (Buchhinweis: Der alte Freund Kierkegaard – Hanniel bloggt.) wurde ich daran erinnert, welche bedeutende Rolle dieser Mann in meinem Leben gespielt hat. Viele kluge Köpfe haben schon wissenschaftliche, theologische oder philosophische Abhandlungen über ihn geschrieben. Mein kurzer Beitrag ist dagegen lediglich eine Beschreibung meines persönlichen Erlebens eines kleinen Aspekts seiner Gedanken über den Glauben.

Gleich im ersten Semester meines Philosophie-Studiums begegnete ich dem Werk Kierkegaards. Da er in seinen Veröffentlichungen immer wieder auf die Bibel Bezug nahm, musste ich mich wohl oder übel mit diesem Buch beschäftigen. Also las ich die Bibel innerhalb weniger Tage vom Anfang bis zum Ende.  Als ich nach den letzten Zeilen der Offenbarung das Buch zuschlug, war ich sicher, dass dies das Wort Gottes ist. Nur wenig später wurde ich durch das Wunder der Wiedergeburt gerettet.

Aussagen Kierkegaards wie „Der Glaube beginnt gerade da, wo das Denken aufhört“ erwecken den Eindruck, dass sich Glaube und Vernunft nichts zu sagen haben.  Da es zwischen Glaube und Verstehen keine Verbindung gibt, wird das Christwerden somit zum Sprung ins Ungewisse. Dieser „Sprung des Glaubens“ wird vor allem von konservativen Theologen teilweise scharf kritisiert wird. Für den von mir sehr geschätzten Theologen Francis Schaeffer handelt es sich hierbei um einen Sprung ohne jede Rationalität. Vielen gilt Kierkegaard gar als ein Vordenker des säkularen und religiösen Existenzialismus sowie als Wegbereiter der historisch-kritischen Denkweise.

Doch dieser „Sprung des Glaubens“ war für mich zum Zeitpunkt meiner Bekehrung ganz subjektiv tatsächlich ein solcher. Ein Sprung hinweg über einen Graben, der mich zu etwas bringen sollte, von dem ich trotz angelesenem Wissen eigentlich nicht viel wusste, aber dennoch alles erhoffte.

Natürlich handelte ich einerseits rational, also vernunftgeleitet, indem ich die Bibel systematisch studierte, doch schon bald kam ich an einen Punkt, an dem mir klar wurde, dass das was mich im Moment noch von Gott trennt, nicht durch weiteres Nachdenken überwunden werden kann. Erforderlich war ein Sprung. Ein Sprung ins Ungewisse, denn was auf der anderen Seite des Grabens auf mich wartete, war für mich zuvor undenkbar. Auf der anderen Seite angekommen, konnte ich dann wie Hiob zu Gott sagen: „Bisher kannte ich dich nur vom Hörensagen, jetzt aber habe ich dich mit eigenen Augen gesehen!“ (Hiob 42:5).

Meines Erachtens ist Kierkegaard nicht nur Zeit seines Lebens, sondern auch bis in die heutige Zeit hinein in vielerlei Hinsicht missverstanden worden, was unter anderem an der teilweise überzogenen Kritik am „Sprung des Glaubens“ zum Ausdruck kommt, den ich persönlich aber genauso wie von Kierkegaard beschrieben, erlebt habe.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Christen auch heute noch großen Nutzen aus dem Studium von Kierkegaards Schriften ziehen können, da sie in ihrer Radikalität ein Weckruf für ein eingeschlafenes Christentum sind. Eine kleine und empfehlenswerte Auswahl seines Werks findet sich hier: Tatort Christenheit (clv.de)

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„Mir scheint der Teil der christlichen Lehre welcher von der Prädestination handelt, nicht der schwierigste zu sein…“

Die Webseite Licht-und-Recht.de ist immer wieder eine Quelle für Neuentdeckungen.

So habe ich neulich ein Schreiben von Ursinus an einen (zu diesem Zeitpunkt) lutherisch-humanistischen Theologen namens Jakob Monau gefunden, der sich mit der Lehre von der Prädestination auseinandersetzt. Ganze 14 DINA4-Seiten ist der Brief lang und wurde offensichtlich in einer Nacht fertiggestellt. Eine ganze Seite lang zitiert Ursinus Bibelverse, wie Gott auch im „Bösen“ wirkt. Wie gesagt, ohne jegliche digitalen Mittel, im Grunde aus dem Stand heraus. Obwohl nicht immer ganz freundlich im Ton, bleibt Ursinus sachlich und leicht verständlich. Er schreibt:

„Mir scheint der Teil der christlichen Lehre welcher von der Prädestination handelt, nicht, wie Du schreibst, der schwierigste zu sein; wofern wir nur die heilige Schrift ohne Vorurteile lesen undohne Leidenschaft mit dem ernsten Streben, nicht etwa Gott nach unseren Phantasiegebilden umzugestalten, sondern von Ihm selbst über Ihn zu lernen und ihm allein alle Ehre zu geben und von uns ab zu Ihm hin zu wenden. So ist mir vieles leicht geworden, was schwierig zu sein schien, so lange ich auf das Ansehen der Menschen mich stützte, welche weder sich, noch mir halfen. Es gibt kein Stück der heiligen Lehre, über welches sich in den prophetischen und apostolischen Schriften mehr Stellen finden, als eben von der Vorsehung, von der Erwählung und dem freien Willen, so daß es mich Wunder nimmt, wie gelehrte und christliche Männer hier nicht vorwärts können.

Tue, was ich getan habe. Ich habe nämlich, um alles, was sowohl in Aussprüchen als auch in
Beispielen der heil. Schrift über diese Frage enthalten ist, zu sammeln, zu erwägen und zusammenzustellen, die Bibel mit großem Fleiß von der Genesis bis zum Schluß der Apokalypse durchgelesen. Als ich solches getan hatte, belächelte ich teils, teils aber verwünschte ich jenen Kehricht von Disputationen und diesen Dunst von Sophismen, welche vergebens diesem Blitz entgegengestellt werden. Manche, auch Gutgesinnte, hatten hierzu wirklich keine Muße, sonst hätten sie sich gewiß nicht so verirrt. Das aber halte mir fest! Wenn nicht gleich Alles Dir klar und deutlich wird, so lasse Dich dadurch nicht verwirren, sondern denke ernstlich in Deinem Gemüte nach, Gott um Beistand anrufend und jene Grundlage, welche bei den Frommen außer aller Frage steht, festhaltend: Daß nämlich nicht Du, sondern Gott der Urheber Deines Heils und alles dessen ist, was Du bist, hast und Gutes entweder Großes oder Kleines tust. So wirst Du niemals mit Gefahr Deines Gewissens oder Heiles irren, wenn Du auch nicht Alles auflösen und entwirren kannst, was Du wohl möchtest. Das Wissen bläht auf, die Liebe aber erbaut.“

Ursinus, einer der Autoren des Heidelberger Katechismus brilliert als Meistertheologe. Im Übrigen beweist dieser Brief auch, dass all die Fragen, die heute diskutiert wurden, bereits vor knapp 500 Jahren diskutiert wurden. Von Ursinus werde ich sicher mehr lesen.