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„Ich bin ein in seltenem Maße ausgeprägtes Polizeitalent“

In der prächtigen Domkirche tritt der hochwohlgeborene, hochwürdige
geheime General-Oberhofprediger auf, der auserwählte Günstling der vornehmen Welt, er tritt auf vor einem auserwählten Kreis von Aus-erwählten, und predigt gerührt über den von ihm selbst ausgewählten Text: »Gott hat auserwählt das Geringe vor der Welt und das Verachtete« – und da ist niemand, der lacht. (S. Kierkegaard, Tatort Christenheit S. 92)

Wenn der Katholizismus entartet, welche Form von Verderbnis wird sich dann zeigen? Die Antwort ist leicht: Scheinheiligkeit. Wenn der Protestantismus entartet, welche Form von Verderbnis wird sich dann zeigen? Die Antwort ist nicht schwierig: geistlose Weltlichkeit. (ebd. S. 95)

»Da die Türen verschlossen waren, kam Christus zu den Jüngern.«
Dergestalt müssen die Türen verschlossen sein, verschlossen vor der Welt – dann kommt Christus hinein, durch verschlossene Türen, er kommt ja auch von inwendig her. Als das Christentum stritt, da waren die Türen stets verschlossen –die Ungleichartigkeit des Christlichen. In der Christenheit hat man die Türen sperrangelweit offen stehen lassen – Gleichartigkeit mit der Welt –, dann kommt Christus auch nicht. (ebd. S. 65)

Von Nichts kann man nicht leben. Das hört man so oft, besonders von Pastoren. Und gerade die Pastoren bringen folgendes Kunststück  fertig: das Christentum ist gar nicht da – dennoch leben sie davon. (ebd. S.72)

Sören Kierkegaard ist jedoch weit mehr als eine Ansammlung von scharfsinnigem Sarkasmus. Sein Anliegen war es „Christen in der Christenheit“ zu finden! Er selbst kann manch eine Situation scharf enttarnen. Mit „Tatort Christenheit“ hat man einen guten Einstieg in sein Werk!

Um ein Wort über mich selbst zu sagen: Ich bin nicht, was die Zeit
vielleicht fordert, ein Reformator, auf keine Weise, auch nicht ein spekulativer, tiefsinniger Geist, ein Seher, ein Prophet, nein, ich bin – mit
Verlaub – ich bin ein in seltenem Maße ausgeprägtes Polizeitalent. (ebd. S. 5)

Einer meiner Favoriten ist jedoch folgende Aussage

In einem Theater brach hinter den Kulissen Feuer aus. Der Pierrot trat an die Rampe, um das Publikum davon zu unterrichten. Man glaubte, es sei ein Witz und applaudierte. Er wiederholte seine Mitteilung; man jubelte noch mehr. So, denke ich mir, wird die Welt eines Tages untergehen. (aus Entweder-Oder)

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Buchvorstellung: Tatort Christenheit

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Gott schafft Alles aus Nichts – und Alles, was Gott gebrauchen will, macht er zuerst zu Nichts.

Dieses tiefsinnige Zitat stammt von Søren Kierkegaard, (* 5. Mai 1813 in Kopenhagen †  11. November 1855 ebenda), dem bekannten dänischen Theologen und Philosoph. Bis heute wird Kierkegaard unter den Evangelikalen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Gar mancher sieht in ihm sogar den „Vater der modernen Theologie und Philosophie“. Tatsächlich hat Kierkegaard zeitlebens für das reine Christentum gekämpft. Er selber drückte das so aus: 

Will einer zu mir sprechen: „Was du sagst, ist unwahr, du hast eine verwirrte fehlerhafte Vorstellung vom Christsein“, so antworte ich: „Mach mir das klar, so werde ich meine Auffassung ändern; wo nicht, natürlich keinen Tüttel.“ (…) Um ein Wort über mich selbst zu sagen: Ich bin nicht, was die Zeit vielleicht fordert, ein Reformator, auf keine Weise, auch nicht ein spekulativer, tiefsinniger Geist, ein Seher, ein Prophet, nein, ich bin – mit Verlaub – ich bin ein in seltenem Maße ausgeprägtes Polizeitalent.

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