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Morgen-, Abend- und Tischgebete aus Luthers kleinem Katechismus

Während der Vorbereitung zu einem Vortrag über Martin Luthers Leben und Werk bin ich auch auf manch ein Kuriosum gestoßen, z.B. diese Gebete aus dem Kleinen Katechismus:

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren morgens und abends sich segnen.

Der Morgensegen

 Des Morgens, so du aus dem Bette fährst, sollt du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: „Das walt Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen.“

 Darauf knieend oder stehend den Glauben und Vater unser. Willst du, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen: „Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch JEsum Christum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht vor allem Schaden und Fahr behütet hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Uebel, daß Dir alle mein Thun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde! Amen.“

 Und alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen, oder die zehen Gebot oder was dein Andacht gibt.

Der Abendsegen

 Des Abends, wenn du zu Bette gehst, sollt du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walt Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen. Darauf knieend oder stehend den Glauben und Vater unser. Willtu, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen: „Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch JEsum Christum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast, – und bitte Dich, Du wollest mir vergeben alle meine Sünde, wo ich unrecht gethan habe, und mich diese Nacht gnädiglich behüten. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seel und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde! Amen.“

 Und alsdann flugs und fröhlich geschlafen.

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren das Segensgebet und das Dankgebet zu sprechen.

 Die Kinder und Gesinde sollen mit gefalteten Händen und züchtig vor den Tisch treten und sprechen: „Aller Augen warten auf Dich, HErr, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust Deine milde Hand auf und sättigest alles, was lebt, mit Wohlgefallen.„(Erklärung: Wohlgefallen heißt, dass alle Tiere so viel zu essen kriegen, dass sie fröhlich und guter Ding darüber sind; denn Sorgen und Geiz hindern solch Wohlgefallen.)

Darnach das Vater unser und dies folgende Gebet: „HErr Gott, himmlischer Vater, segne uns und diese Deine Gaben, die wir von Deiner milden Güte zu uns nehmen, durch JEsum Christum, unsern Herrn! Amen.“

Also auch nach dem Essen sollen sie gleicher Weise tun, züchtig und mit gefalteten Händen sprechen: „Danket dem HErrn, denn Er ist freundlich und Seine Güte währet ewiglich, der allem Fleische Speise gibt, der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die Ihn anrufen. Er hat nicht Lust an der Stärke des Rosses, noch Gefallen an jemandes Beinen. Der Herr hat Gefallen an denen, die Ihn fürchten und auf Seine Güte warten.“

 Darnach das Vaterunser und dies folgende Gebet: „Wir danken Dir, HErr Gott Vater, durch JEsum Christum, unsern HErrn, für alle Deine Wolthat, der Du lebst und regierest in Ewigkeit! Amen.“

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Calvin schreibt an Bullinger über Luther

„…Ich höre, Luther sei kürzlich mit furchtbarem Schelten nicht nur über Euch, sondern über uns alle hergefahren. Es ist ja schon an sich traurig, dass wir, gering an Zahl und rings von Gegnern umgeben, noch in unserer eigenen Mitte im Kampf zusammenstoßen. Aber zu unpassender Zeit konnte es wirklich nicht dazu kommen als gerade jetzt. Ich kann mich daher nicht anders ausdrücken als: Gott hat dem Satan die Zügel gelockert. Luther hat darin freilich, außer seinem eigenen, maßlos leidenschaftlichen und kecken Charakter, den Amsdorf zum Ratgeber, einen geradezu verrückten Menschen ohne Nachdenken. Er lässt sich von ihm lenken ,oder besser: Auf Abwege führen. Es ist aber gut, wenn wir anerkennen, dass auch mit dieser Geißel der Herr uns schlägt. Wir werden dann geduldiger tragen, was sonst entsetzlich herb wäre.

Ich weiß nicht, ob Luther durch irgendeine Schrift von Euch gereizt worden ist. Aber wenn ein Charakter wie der seine, der nicht nur reizbar, sondern verbittert ist, auch aus geringfügiger Ursache aufbraust, zu solchem Toben und Lärmen konnte er sicher keinen genügenden Grund haben.

Nun wage ich kaum Euch zu bitten, Ihr möchtet stillschweigen, denn es wäre nicht recht, Unschuldige so schimpflich behandeln zu lassen und ihnen Gelgenzeit zur Rechtfertigung zu verweigern. Auch wäre es schwer zu sagen, es wäre gut zu schweigen. Aber das ist mein Wunsch, dass Ihr Euch darauf besinnt, welch großer Mann Luther doch ist, durch  welche außerordentlichen Geistesgaben er sich auszeichnet. Wie tapfer und unerschütterlich, wie geschickt, wie gelehrt und wirksam hat er bisher gearbeitet an der Zerstörung der Herrschaft des Antichrist und an der Ausbreitung der Lehre zur Seligkeit. Ich habe schon oft gesagt: Wenner mich einen Teufel schölte, ich würde ihm doch die Ehre antun, ihn für einen ganz hervorragenden Knecht Gottes zu halten, der freilich auch an großen Fehlern leidet, wie er an herrlichen Tugenden reich ist.

Hätte er sich doch bemüht, sein stürmisches Wesen besser im Zaum zu halten, mit dem er überall herausplatzt! Hätte er doch die Leidenschaftlichkeit, die ihm angeboren ist, stets gegen die Feinde der Wahrheit gekehrt, statt sie gegen Knechte des Herrn blitzen zu lassen! Hätte er sich doch mehr Mühe gegeben, seine Fehler einzusehen! Am meisten haben ihm die Schmeichler geschadet, da er schon von Natur zu sehr dazu neigt, sich selbst milde zu behandeln. Doch ists unsere Pflicht, was fehlerhaft an ihm ist, so zu tadeln, dass wir seiner genialen Begabung etwas zu gut halten. Denk also vor allem daran, das bitte ich dich wie deine Kollegen, dass ihr es zu tun habt mit einem Erstling unter den Knechten Christi, dem wir alle viel schulden. Ihr werdet ja euch, wenn Ihr in feindlichen Kampf mit ihm tretet, nichts erreichen, als dass ihr den Ungläubigen ein Vergnügen bereitet, so dass sie dann triumphieren werden, nicht so sehr über unsere Personen, als über die Sache des Evangeliums. Wenn wir uns gegenseitig herunterreißen, dann schenken sie uns mehr wie genug Glauben. Wenn wir aber einmütig und einstimmig Christus predigen, dann wollen sie uns die Glaubwürdigkeit absprechen du missbrauchen dazu eben unsere Anschuldigungen gegeneinander, denen sie mehr glauben als recht ist. Ich möchte, du sähest es und bedächtest es mehr als das, was Luther seiner maßlosen Heftigkeit wegen verdiente. Es soll doch bei uns nicht eintreten, was Paulus tadelt (Gal. 5,1), dass wir uns gegenseitig beißen und fressen und dabei selbst verzehrt werden. Auch wenn Luther uns gereizt hat, ist es besser, abzustehen vom Kampf, als den Schaden größer zu machen zum Nachteil der ganzen Kirche…“


Diesen Brief schrieb Johannes Calvin am 25.11.1544 an Heinrich Bullinger. Dieser und viele weitere lesenswerte Briefe Calvins finden sich hier.

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Wie J.H. Volkening einen Sterbenden zu Christus führte (von Wilhelm Busch)

J.H. Volkening, Erweckungsprediger

Wilhelm Busch berichtet eine ungewöhnliche Bekehrungsgeschichte in seinem Buch Jesus unser Schicksal (Ab. S. 97):

„Im Ravensberger Land hat im vorigen Jahrhundert ein gewaltiger Erweckungsprediger gelebt: Johann Heinrich Volkening. Durch die Predigten Volkenings ist das Land um Bielefeld, das Ravensberger Land, tatsächlich umgewandelt worden. Dieser Volkening wurde eines Abends zu einem reichen Bauern gerufen. Der hatte einen großen Hof und war ein rechtschaffener und fleißiger Mann. Die Er­weckungspredigten hasste er aber vom Grunde seines Her­zens.

Wissen Sie: Er lehnte es ab, ein Sünder zu sein. Er brauchte keinen Sünderheiland am Kreuz. Er sagte: »Ich tue recht und scheue niemand.« – Eines Tages wird Volkening zu ihm gerufen, weil der Bauer auf den Tod krank ist. Er will das Abendmahl. Und Volkening geht hin. Volkening war von großer Gestalt, und seine leuchtend blauen Augen fielen besonders auf. Er tritt also an das Bett dieses Bauern, schaut ihn lange schweigend an und sagt dann: »Hinrich, ich bin bange, bange bei euch. So wie bisher geht’s noch nicht in den Himmel, sondern geradewegs der Hölle zu.« Spricht’s, dreht sich um und geht. Nun, der reiche Bauer hat eine Mordswut und tobt: »Das will ein Pfarrer sein! Ist das christliche Liebe?« Dann kommt die Nacht. Der schwerkranke Bauer liegt wach. In seinem Gewissen bohrt’s: »Es geht nicht dem Himmel zu, sondern der Hölle! Wenn das wahr wäre!« Und dann fallen ihm auch allerhand Sünden ein. Er hatte Gott nicht geehrt. Und er hat gelegentlich auch sehr klug andere betrogen. In den Nächten darauf aber überfällt ihn eine richtige Angst. Er wird wirklich sehr unruhig. Er sieht auf einmal, dass es viel Schuld in seinem Leben gibt und dass er absolut kein Kind Gottes ist. Jetzt möchte er mit Ernst umkehren. Nach drei Tagen schickt er seine Frau wieder zu Volkening: »Frau, hole den Volkening!« Es ist spät am Abend. Volkening kommt sofort. Der Bauer sagt in großer Unruhe: »Pfarrer, ich glaube, ich muss umkehren!« »Ja«, erklärt Volkening, »sachte gehn kommt mit dem Alter! In der Not rufen sie, aber Notbuße – tote Buße! Es muss ganz anders kommen.« Spricht’s, dreht sich um und geht. Jetzt hat der Bauer erst recht einen Mordszorn. – Sie hätten doch auch alle einen ganz großen Zorn auf den Pfarrer, nicht? Schließlich stände der Pfarrer sich ja auch besser, wenn er mit einem reichen Bauern freundlich spräche. Es sieht doch auch so aus, als ob der Mann bald sterben würde. Aber Volkening war ein Mann, der vor Gott stand und wusste, was er sagte.

Drei Tage hat’s noch gedauert, bis der Bauer in eine schreckliche Not kam. Dann wusste er: »Ich muss sterben! Und wo sind in meinem Leben Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit gewesen?« Er hatte ein Leben lang den Heiland verachtet, der für ihn starb. Er hatte ihn weg gejagt, der in seiner Liebe vor ihm stand. Er sieht sich am Rande der Hölle und ist ein völlig verzweifelter Mann. »Frau«, bittet er, »hol den Pfarrer!« Die entgegnet: »Ich mag nicht mehr! Der hilft dir doch nicht!« »Frau, hol ihn! Ich komme in die Hölle!« Da geht dieFrau. Als Volkening kommt, findet er einen Mann, der begriffen hat: »Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten, denn was der Mensch sät, das wird er ernten!« Volkening rückt einen Stuhl ans Bett heran und fragt: »Gelt, es geht in die Hölle?« »Ja, es geht in die Hölle!« Da sagt Volkening: »Hinrich, lass uns nach Golgatha gehen! Auch für dich starb Jesus!« Und nun spricht er ihm in den freundlichsten und lieblichsten Worten davon, wie Jesus Sünder errettet. Aber dazu müssten wir erst auch in unseren eigenen Augen Sünder gewor­den sein. Da müsste es erst aufhören mit dem »Ich tue recht und scheue niemand!«.Da müsste man erst in der Wahrheit stehen. Dann könne Jesus erretten! Jetzt erkennt der Bauer auf einmal: »Jesus starb für mich am Kreuz! Er bezahlt für meine Sünden! Er kann mir die Gerechtigkeit schenken, die allein vor Gott gilt!« Und zum ersten Mal betet der Bauer richtig: »Gott, sei mir Sünder gnädig! Herr Jesus, rette mich vom Rande der Hölle!« Volkening geht leise weg. Er verlässt einen Mann, der Jesus anruft. Volkening ist getrost, denn dreimal steht in der Bibel: »Wer den Namen Jesus anruft, soll selig werden.« Als er am nächsten Tag wieder hinkommt, findet er einen Mann, der Frieden mit Gott hat.»Wie steht’s, Hinrich?« Und Hinrich antwortet: »Er hat mich angenommen – aus Gnaden!« Ein Wunder ist geschehen!“

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Johannes Calvin über das Streben nach Heiligung

Schon länger arbeite ich mich Kapitel für Kapitel durch Calvins Institutio durch. In Buch III bespricht Calvin das „Leben eines Christenmenschen“ in Kapitel 6ff (Man findet die Institutio a.k. Unterricht in der christlichen Religion vollständig kostenfrei auf der Webseite calvinismus.ch). Übrigens ist es überraschend, wie Calvin das Thema Heiligung platziert. Nach Glaube und Buße aber noch vor Rechtfertigung und Erwählung. Über Gründe für diese ungewöhnliche und unerwartete Reihenfolge hat David Gibson einen großartigen Artikel geschrieben, den zwei Brüder freundlicherweise für glaubend.de übersetzt haben. Calvin macht sehr schnell aus, dass der Kern echter Heiligkeit darin besteht, dass man nicht sich selbst, sondern Gott gehört. Das ist Selbstverleugnung. In Kapitel 7 schreibt er sehr eloquent:

Sind wir nun aber nicht unsere eigenen Herren, sondern gehören wir dem Herrn – so wird sofort klar, welchen Irrtum wir zu meiden haben und worauf alle unsere Werke in unserem ganzen Leben zu richten sind.

Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also darf bei unseren Plänen und Taten weder unsere Vernunft noch unser Wille die Herrschaft führen. Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also dürfen wir uns nicht das Ziel setzen, danach zu suchen, was uns nach dem Fleische nütze! Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also sollen wir uns und alles, was wir haben, soweit irgend möglich, vergessen!

Auf der anderen Seite: Wir sind Gottes Eigentum – also sollen wir ihm leben und ihm sterben! Wir sind Gottes Eigentum – also muß seine Weisheit und sein Wille bei all unserem Tun die Führung haben! Wir sind Gottes Eigentum – also muß unser Leben in allen seinen Stücken allein zu ihm als dem einzigen rechtmäßigen Ziel hinstreben! (Röm. 14, 8). Wie weit ist der schon fortgeschritten, der erkannt hat, daß er nicht sein eigener Herr ist – und der deshalb seiner eigenen Vernunft Herrschaft und Regiment entzogen hat, um sie Gott allein zu überantworten! Denn die schädlichste Pestilenz, die die Menschen nur zugrunderichten kann, herrscht da, wo der Mensch sich selber gehorcht – und der einzige Hafen des Heils liegt dementsprechend darin, daß wir von uns aus nichts denken, von uns aus nichts wollen, sondern einzig dem Herrn folgen, wie er uns vorangeht!

Der erste Schritt soll also darin bestehen, daß der Mensch von sich selber abscheidet, um alle Kraft seines Geistes daran zu setzen, dem Herrn zu Willen zu sein.

Calvin, Institutio. III, 7,1

Wie so oft trifft Calvin das Mittelgewicht sehr gut. Hier spricht er von Heiligung als echte Tatsache in der Willensentscheidung des Christen ohne Heiligung mit chirstlichem Perfektionismus einerseits oder einer „sich an der Rechtfertigung genügen lassen-Haltung“ andererseits gleichzusetzen. Das macht vor allem das sechste Kapitel deutlich:

Indessen verlange ich nicht, daß die Lebensführung eines Christenmenschen nichts als das vollkommene Evangelium atme – obwohl das zu wünschen ist und wir uns notwendig darum mühen müssen. Ich stelle die Forderung nach der „evangelischen Vollkommenheit“ (Evangelica perfectio) nicht mit solcher Härte, daß ich einen Menschen, der sie noch nicht erreicht hat, deshalb nicht als Christen anerkennen würde. Denn in solchem Falle würden ja alle Menschen von der Kirche ausgeschlossen; ist doch kein einziger zu finden, der von jenem Ziel nicht noch gar weit entfernt wäre; viele aber sind noch recht wenig vorwärtsgekommen, und doch hätten sie es nicht verdient, daß man sie ausschlösse.

Was soll nun aber geschehen? Wir sollen uns jenes Ziel vor Augen stellen und nach ihm allein unser Trachten richten. Es soll uns jenes Zielzeichen gesetzt sein, nach dem all unsere Anspannung, all unser Rennen sich ausrichten soll! Es gebührt sich nämlich nicht, zwischen Gott und dem Menschen in der Weise zu teilen, daß man von dem, was er uns in seinem Worte vorschreibt, einen Teil annimmt, einen anderen aber nach eigenem Ermessen beiseiteläßt. Denn er befiehlt uns überall an erster Stelle die Rechtschaffenheit als das vornehmste Stück seiner Verehrung; darunter versteht er die aufrichtige Einfalt des Herzens, der aller falsche Schein und alle Heuchelei fern ist; der Gegensatz dazu ist das geteilte Herz. Er will also sagen: der geistliche Anfang rechten Lebens liegt darin, daß wir uns ohne Heuchelei mit der inneren Regung unseres Herzens Gott hingeben, um der Heiligkeit und Gerechtigkeit zu dienen.

Es hat aber kein Mensch in diesem irdischen Kerker des Leibes Kraft genug, um mit rechter Freudigkeit seinen Lauf dahinzueilen, ja, die meisten leiden unter solcher Schwachheit, daß sie nur wankend und hinkend, ja auf dem Boden kriechend, bescheiden vorankommen. So sollen wir denn alle nach dem Maß unserer kleinen Kraft unseren Gang tun und den angefangenen Weg fortsetzen! Niemandes Weg wird so unglücklich sein, daß er nicht alle Tage ein Stücklein hinter sich bringen könnte. Wir wollen aber nicht aufhören, danach zu streben, daß wir auf dem Wege des Herrn beständig etwas weiterkommen, wollen auch bei der Geringfügigkeit des Fortschrittes nicht den Mut sinken lassen. Mag auch das Weiterschreiten unseren Wünschen nicht entsprechen, so ist doch die Mühe nicht verloren, wenn nur der heutige Tag über den gestrigen Sieger bleibt. Wir wollen nur in aufrichtiger Einfalt auf unser Ziel schauen und nach dem Zielzeichen uns ausstrecken, wir wollen nicht schmeichlerisch an uns selber Gefallen haben, auch unserer bösen Art nicht nachgeben, sondern in unablässiger Mühe danach ringen, besser zu werden, als wir waren, bis wir dann endlich zur Güte selber hindurchgedrungen sind: sie suchen wir, ihr jagen wir nach durch die ganze Zeit unseres Lebens – dann aber werden wir sie erreichen, wenn wir die Schwachheit unseres Fleisches von uns getan haben und in die vollkommene Gemeinschaft mit Gott aufgenommen sind!

Calvin, Institutio, III,6,5
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George Whitefield: “ Christus – Die Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung & Erlösung der Gläubigen“

Der Herold Verlag hat eine Predigt von George Whitefield veröffentlicht, die nicht nur jeder lesen sollte, der sich ausführlicher mit dem großen Thema „Vereinigung mit Christus“ beschäftigt. Christen sind in Christus, das ist die einfache These und Whitefield führt sie aus (zunächst ist man geneigt zu fragen, was das mit dem Text zu tun haben sollte, aber mehr als man denkt):

„… Ich wünschte, die Leute wären wissbegieriger in Bezug auf den Bund der Erlösung zwischen Gott, dem Vater und dem Sohn! Denn wenn dies so wäre, gäbe es nicht so viel Streit um die biblische Lehre der Erwählung, und man würde sie nicht als eine teuflische Lehre verurteilen – etwas, das teilweise sogar durch sehr ernsthafte und vorbildliche Christen geschieht. Was mich betrifft, so kann ich nicht erkennen, wie man den wahren Sinn der christlichen Demut ohne die Erkenntnis der Erwählung erlangen sollte. auch wenn ich nicht behaupten möchte, dass jeder, der die Erwählung ablehnt, ein schlechter Mensch ist, so stimme ich dennoch Mr. Trail zu, der es für ein sehr schlechtes Merkmal hält, wenn jemand dies tut.

Ich denke, dass jemand ,der die Lehre der göttlichen Erwählung ablehnt – wer auch immer er sein mag – sich selbst nicht wirklich gut kennen kann. Denn wenn wir die Erwählung verwerfen, dann müssen wir uns zumindest zum Teil selbst rühmen. Gottes Wort sagt aber deutlich, dass sich kein Fleisch vor Gott rühmen kann (vgl. 1. Kor. 1,29): Daher ist es letzten Endes nur der menschliche Stolz, der sich dieser Lehre widersetzt. Denn „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“. (1. Kor 1,31).

Was soll ich sagen? Die Erwählung ist ein Geheimnis, das mit so einer strahlenden Heiligkeit leuchtet, dass – um es mit den Worten eines Mannes zu sagen, der viel von der erwählenden Lieb e getrunken hat – es sogar „die schwachen Augen von einigen von Gottes geliebten Kindern blendet.“ Doch obwohl sie es nicht wissen, kommen alle Segnungen, die sie empfangen, alle Vorrechte, an denen sie sich durch Jesus Christus bereits erfreuen oder erfreuen werden, von der ewigen Liebe Gottes des Vaters: „Aus ihm aber seid Ihr in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung!“ Doch was genau sind diese Segnungen, die Gott den Gläubigen durch Christus schenkt.“

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„Unser ganzes Heil, ist allein in Christus beschloßen…“

Bei der Besprechung des Erlösungswerkes Christi (genauer: „Wie Christus das Werk des Erlösers getan und uns das Heil erworben hat. Hier ist also vom Tod, von der Auferstehung und von der Himmelfahrt Christi die Rede“),führt Calvin (Institutio II.16,19) aus, dass wir alles, was wir zum Heil benötigen in Christus finden. Es folgt eine umfassende Aufzählung, die ich mit euch teilen möchte. Es ist die Aufzählung des Reichtums des Evangeliums:

Unser ganzes Heil, alles, was dazu gehört, ist allein in Christus beschlossen (Apg. 4,12). Deshalb dürfen wir auch nicht das geringste Stücklein anderswoher ab­leiten. Suchen wir das Heil, so sagt uns schon der Name Jesus: es liegt bei ihm! (1. Kor. 1,30). Geht es uns um andere Gaben des Geistes, so finden wir sie in seiner Salbung! Geht es um Kraft — sie liegt in seiner Herrschaft, um Reinheit — sie beruht auf seiner Empfängnis, um Gnade — sie bietet sich uns dar in seiner Geburt, durch die er uns in allen Stücken gleich geworden ist, auf daß er könnte Mit­leiden haben mit unseren Schwachheiten (Hebr. 2,17; 4,15). Fragen wir nach Er­lösung — sie liegt in seinem Leiden, nach Lossprechung — sie liegt in seiner Ver­dammnis, nach Aufhebung des Fluchs — sie geschieht an seinem Kreuz (Gal. 3,13), nach Genugtuung — sie wird in seinem Sühnopfer vollzogen, nach Reinigung — sie kommt uns zu in seinem Blut, nach Versöhnung — wir haben sie um seines Ab­stieges zur Hölle willen, nach der Absterbung unseres Fleisches — sie beruht auf seinem Begräbnis, nach dem neuen Leben — es erscheint in seiner Auferstehung, nach Unsterblichkeit — auch sie wird uns da zuteil. Wir möchten Erben des Himmels sein — wir können es; denn er ist in den Himmel eingegangen; wir begehren Schutz und Sicherheit, Reichtum aller Güter: in seinem Reich finden wir sie! Wir möchten zuversichtlich dem Gericht entgegensehen: wir dürfen es, denn ihm ist das Gericht übertragen! Und endlich: in ihm liegt ja die Fülle aller Güter, und deshalb sollen wir aus diesem Brunnquell schöpfen, bis wir satt werden, nicht aus einem anderen! Denn wer sich mit ihm allein nicht zufrieden gibt, sondern sich von allerlei Hoff­nungen hin und her treiben läßt — mag er auch „besonders“ auf ihn schauen! — der verfehlt den rechten Weg, weil er mit seinem Dichten und Trachten zum Teil in anderer Richtung geht! Freilich kann diese Art Unglaube gar nicht einschleichen, wenn man einmal die ganze Unermeßlichkeit seiner Güter recht erkannt hat!

(Link zum Vollständigen Text von Band II)
Nachfolge Christi - Thomas von Kempen
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„Wenn ich doch wüsste, dass ich bis zum Ende bestehe“

In Thomas von Kempen Klassiker „Nachfolge Christi“ fand ich im ersten Buch, Kapitel 25 diese bewegende Aussage, die ein interessantes Licht auf die Frage der Heilsgewissheit wirft. Wie oft wird uns bange bei der Frage, ob wir wirklich bis zum Ende werden aushalten können. Nun von Kempen berichtet über einen solchen Menschen, denn dieser Gedanke bis „zum Kummer ganz erschöpfte“:

Als einst jemand zwischen Furcht und Hoffnung lange angstvoll schwebte und sich von Traurigkeit ganz abgemattet in der Kirche vor einem Altar auf seine Knie niederwarf und betete und in seinem Herzen dachte und sagte: O wenn ich doch wüsste, ob ich im Guten verharren werde! – vernahm er sogleich innerlich eine himmlische Stimme, welche zu ihm sprach: Wenn du nun dieses wüsstest, was wolltest du dann tun? Tue jetzt, was du dann tun würdest, und du wirst vollkommen sicher sein. Hiedurch getröstet und gestärkt übergab er sich ganz dem göttlichen Willen, und das ängstliche Zweifeln hörte auf. Er wollte nicht mehr vorwitzig nachforschen, um zu wissen, was ihm künftig bevorstehe, sondern er war vielmehr bedacht, zu erkennen, was Gott am gefälligsten und am vollkommensten nach Seinem Willen wäre, damit er jedes gute Werk unternähme und ausführte“

Angesichts der Tatsache, dass man es sich im Katholizismus mit der Heilsgewissheit schwer tut, und offensichtlich die Zerknirschung/Reue über die Sünden für wichtiger hält, als den Glauben an die Errettung, ist die Verheißung, dass „vollkommen Sicherheit“ möglich ist, sehr wertvoll

Gleichzeitig denke ich , dass von Kempen einen wichtigen Gedanken auch für uns Protestanten hat: Ein gutes lehrmäßiges Verständnis von der Heilsgewissheit kann einem häufig nur wenig helfen, und selbst wachsende Gewissheit macht uns nicht notwendiger Gottgefälliger.

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„…dass wir, solange wir leben, dazu verdammt sind, mit uns selbst zusammenzuleben…“

Erschreckend schnell schrumpfen unsere Freiheiten dahin. Wer das noch anzweifelt, der mag mal versuchen eine Stelleanzeige ohne das „d“ beim Geschlecht zu veröffentlichen. Oder einen Ausweis ohne Fingerabdruck zu beantragen. Oder eine SIM-Karte für sein Handy ohne Ausweisprüfung zu installieren. Oder sein Kind einzuschulen ohne Prüfung des Impfbuchs. Oder eine Webseite ohne Seitenweise DSGV-Hinweise und Cookie-Popup zu betreiben. Oder zu sagen, dass „Homosexualität“ Sünde sei. Oder Seelsorge für LGBT-Geschädigte anbieten. Oder, oder, oder…

Dabei sind alle genannten Punkte noch Anfang des Jahrhunderts kein Problem gewesen. Dieser noch schlummernde, aber doch nahezu allmächtige Drache der staatlichen Kontrolle und Überwachung beängstigt mich. Er schnaubt immer lauter. Was passiert wohl, wenn er zu seinem grausamen Zerstörungswerk aufwacht? Entsprechend griff ich zu Hannah Arendts Essay „Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?“, um nicht nur in Erwartung von noch Schlimmeren handlungsunfähig zu werden, sondern auch Ruhe und nötige Gelassenheit zu finden. Ein Zitat dieses Buches, dass den Umschlag schmückt, möchte ich mit euch teilen:

„Die Trennungslinie zwischen denen, die denken wollen und deshalb für sich selbst urteilen müssen, und denen, die sich kein Urteil bilden, verläuft quer zu allen sozialen Unterschieden, quer zu allen Unterschieden in Kultur und Bildung. In dieser Hinsicht kann uns der totale moralische Zusammenbruch der ehrenwerten Gesellschaft während des Hitlerregimes lehren, dass es sich bei denen, auf die unter solchen Umständen Verlass ist, nicht um jene handelt, denen Werte lieb und teuer sind und die an moralischen Normen und Maßstäben festhalten; man weiß jetzt, dass sich all dies über Nacht ändern kann, und was davon übrig bleibt, ist die Gewohnheit, an irgendetwas festzuhalten. Viel verlässlicher werden die Zweifler und Skeptiker sein, nicht etwa weil Skeptizismus gut und Zweifel heilsam ist, sondern weil diese Menschen es gewohnt sind, Dinge zu überprüfen und sich ihre eigene Meinung zu bilden. Am allerbesten werden jene sein, die wenigstens eins genau wissen: dass wir, solange wir leben, dazu verdammt sind, mit uns selbst zusammenzuleben, was immer auch geschehen mag.“

Hannah Arendt
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Wenn selbst Beethoven und Shakespeare nicht genug sind

Die Tage bin ich bei Kreeft/Tacelli auf diese Aussage von/über Jean-Paul Sartre gestoßen: „Even the atheist Jean-Paul Sartre admitted that “there comes a time when one asks, even of Shakespeare, even of Beethoven, ‘Is that all there is?’ ” (Peter Kreeft und Ronald K. Tacelli, Handbook of Christian Apologetics: S. 78). – Ich habe das Zitat nicht auf deutsch finden können und übersetze frei: „Selbst der Atheist Jean-Paul Sartre räumte ein, dass es Zeitengibt, in der man sich sogar über Shakespeare und Beethoven fragt: ‚War das alles?'“

Kreeft und Tacelli führen Sartres Aussage im Rahmen ihrer Argumentation auf, dass unser Verlangen „nach Mehr“ davon zeugt, dass wir mit einem Verlangen „nach Mehr programmiert“ sind. Gänzliche Zufriedenheit im Materiellen? – Fehlanzeige!

Ich gebe den Autoren in ihrer These recht, aber beim Lesen der oben genannten Zeilen schweiften meine Gedanken zur Pracht der Musik. Zur Erfüllung, die wir beim Konsum von Musik erfahren. Sollte es da etwas besseres geben als „Beethovens Neunte“? Seine letzte vollende Sinfonie ist wirklich ein Genuss (Auf Youtube finden sich zahlreiche Aufführungen, von denen ich einige angehört habe, aber meine Expertise reicht nicht aus, um sie zu bewerten).

Es ist auch Beethovens Neunte die im Jahre 2072, wenn alle Emotionen mit Medikamenten unterdrückt werden und Kunst verboten ist, da sie Gefühle und Emotionen fördert, den leitenden „Anti-Gefühls-Polizisten“ John Preston zum Umdenken führt. So stellt es die Dystopie „Equilibrium“ dar: Als Preston ein Nest von „Sinnestätern“ aufdeckt, dass gefüllt ist mit den letzten Resten an Kunstartikeln, kann er nicht widerstehen eine Schalplatte aufzulegen und hört auf dieser die Neunte Sinfonie von Beethoven (Diese hervorragende Szene mit Christian Bale findet sich hier).

So gut wie jeder dürfte zumindest einen Auszug dieser Sinfonie kennen, die Europahymne über die Freude (Ich kann an dieser Stelle nicht widerstehen auf die herrliche Parodie dieser Ode an die Freude von Rowan Atkinson hinzuweisen). Geradezu auf unglaubliche Weise beeindruckend ist schließlich die Tatsache, dass diese Komposition von Beethoven verfasst wurde, als er bereits vollständig taub war.

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„Das Gericht über Gott“ – von John Stott

In dem umfassenden und ausgezeichneten Werk „Das Kreuz“ schreibt John Stott darüber, was er als „das größte und herrlichste aller Themen“ bezeichnet. Das Buch betrachtet weit mehr als den Aspekt des Sühnetodes, auch wenn das eine zentrale Stellung einnimmt. Scott schafft es vor den Leser allgemeinverständlich verschiedene Aspekte des Kreuzes Christi zu zeigen, die Bedeutung des Kreuzes für die Verkündigung, für unser Gottesbild, als Wirkung für unsere Heiligung und dem Sieg über dem Bösen, aber auch als Antwort auf ungelöste Fragen nach dem Leid, die Stott zu Ende seines Werkes betrachtet Hier findet sich die Kurzgeschichte „das Lange Schweigen“. An dieser Stelle ist keine Quelle angegeben und ich konnte auch in der englischen Fassung keinen Ursprung ausmachen, nehme also an, dass diese lesenswerte Kurzgeschichte von John Stott selbst stammt (ich hoffe der Verlag verzeiht mir ein etwas zu großes Zitat):

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