Alle Artikel mit dem Schlagwort “Calvin

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Was für ein Segen ist das? Johannes Calvin und die Reichgotteserwartung im Alten Testament

In Calvins Institutio findet sich in Buch 2 ein über drei Kapitel (9-11) gehender Themenblock, der die Beziehung, Ähnlichkeit und Unterschiede vom Alten und Neuen Testament bespricht. Schwerpunkt vom 10 Kapitel („Von der Ähnlichkeit des Alten und Neuen Testaments“) ist dabei die Frage, ob die Menschen im Alten Testament eine irdische oder eine himmlische Herrlichkeit erwarteten. Wollte Mose sein Volk in das irdische Kanaan führen oder in das himmlische. Und wenn in das himmlische, wie viel wussten die Väter tatsächlich davon, oder wusste vielleicht nur Gott von der ewigen Seligkeit und hat sie den Patriarchen und Gläubigen des Alten Testaments verborgen. Dieses Ziel des Glaubens, das Reich Gottes zu ererben, davon geht Calvin entschieden aus, ist im Neuen Bund das gleiche wie im Alten Bund. Die Väter ererbten nicht eine andere Zukunft als wir, ihre Kinder im Neuen Bund. Eine zentrale Stützstelle ist für Calvin dabei Heb. 11,13-16 (siehe II,10,13), ein Text der davon spricht, dass die Patriarchen eben gar keine erfüllenden irdischen Segnungen bekamen und die zukünftige Heimat erwarteten. Zentral ist aber auch die Phrase „Ich bin euer Gott“. Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten. Gottes Gegenwart unter seinem Volk war schon seine größte Zusage seiner über den leiblichen Tod anhaltenden Gemeinschaft mit diesem. Calvin schreibt dazu (II,10,8): „Und wäre ihnen (Anm.: Dem Volk Israel in der Wüste) nichts weiter gesagt worden, so hätten sie doch eine vollgültige Verheißung des geistlichen Lebens an dem einen Wort gehabt: „Ich bin euer Gott“ (Ex. 6,7). Denn er hat sich nicht allein für unseren Leib zum Gott gegeben, sondern in besonderer Weise für die Seele; diese müsste aber von ihm ferne im Tode verbleiben, wenn er sie nicht in Gerechtigkeit mit sich verbände! Ist aber diese Verbindung da, so bringt sie ewiges Heil mit sich!“

Dieses Kapitel ist für jeden lesenswert, der sich die Frage stellt, wie viel von der ewigen Seligkeit den „Vätern“ bekannt war. Die Menge an Zitaten, die Calvin aus den Liedern Davids und aus prophetischen Texten anbringt, ist erschlagend. Ich sehe in diesem Kapitel aber auch ein wichtiges Korrektiv für die Bewertung der irdischen Segnungen im Leben der Patriarchen. Wie oft verkündigen auch Prediger „des neuen Bundes“, wie großartig z.B. Jakob gesegnet war, und konzentrieren sich dabei ausschließlich auf sein irdisches Leben. Doch was für ein Segen ist das? Ein Leben voll Elend, Ängsten, Todeserfahrungen, Betrug? Calvin bittet uns darum, den Segen Jakobs genauer anzuschauen. Was für ein Segen ist das? Calvin führt zum Schluss von II,10,12 an, dass Jakob entweder undankbar war, als er von der „bösen Zeit seines Lebens“ zeugt, oder gerade den Kern der Sache trifft. Doch lest selbst im nächsten großen Abschnitt aus II,10,12, das uns auch einen Einblick in die illustrierende Kunst Calvins zeigt und wie nah er uns die Erlebnisse Jakobs bringt:

„Und nun ist Jakob gar das Urbild furchtbarsten Elendes. Unruhig ist seine Jugend daheim — unter dem Drohen des erstgeborenen Bruders, das ihn schließlich zur Flucht zwingt. So war er denn ein Flüchtling, und es ist schon allein bitter ge­nug, fern von Eltern und Vaterland leben zu müssen; aber bei seinem Onkel, dem Laban, wird er keineswegs freundlicher und menschlicher aufgenommen. Daß er sie­ben Jahre so harten und rauhen Dienst tut (Gen. 29,20), wäre noch ein Geringes, wenn er nicht mit böser List noch um die Frau betrogen würde! So muß er denn um des zweiten Weibes willen abermals in den Dienst hinein, und da dörrt ihn nach seiner eigenen Klage am Tage die Sonne mit ihrer Glut, und des Nachts quält ihn schlaflos die Kälte! (Gen. 31,40). Zwanzig Jahre trägt er dies harte Leben, und alle Tage erlaubt sich sein Schwiegervater neue Ungerechtigkeiten gegen ihn. Auch zu Hause hat er keine Ruhe: seine Weiber zerreißen und zerstören ihm mit Haß und Streit und Eifersucht das ganze Hauswesen. Dann trifft ihn der Befehl, in die Heimat zurückzuziehen. Aber sein Abschied sieht eher schnöder Flucht ähnlich; und sein Schwiegervater treibt das Unrecht gegen ihn so weit, daß er ihn noch mitten auf dem Wege mit Vorwürfen quält! (Gen. 31,23). Aber bald droht ihm noch größere Not. Denn er zieht ja seinem Bruder entgegen — und er sieht den Tod vielfältig vor Augen, weil Esau in seiner Grausamkeit und seinem Haß ihn eben vielfältig bedroht. Furcht und Bangigkeit macht ihm das Herz schwer, solange er auf das Kommen seines Bruders wartet (Gen. 32,12). Und als er ihm gegen­übertritt, da fällt er ihm wie halbtot zu Füßen — bis er merkt, daß Esau versöh­nungsbereiter ist, als er zu hoffen gewagt! Aber dann wird ihm Rahel, sein einzig geliebtes Weib, gleich beim Betreten des Landes durch den Tod entrissen (Gen. 35,16-20). und dann erhält er bald die Botschaft, daß der Sohn, den Rahel ihm ge­geben und den er mehr liebte als die anderen alle, von einem wilden Tier zerrissen sei (Gen. 37,32). Wie furchtbar sein Schmerz über den Tod des Sohnes war, das sagt er uns selber: er weinte lange Zeit um ihn und wollte sich nicht trösten lassen, hatte auch nichts anderes mehr vor, als „mit Leid hinunterzufahren in die Grube zu seinem Sohn“. Unterdessen nimmt einer seiner Tochter die Ehre (Gen. 34,2), und seine Söhne üben grausame Rache an dem Übeltäter. Dadurch kommt nun der Vater in Verruf bei allen Landesbewohnern, und die Gewalttat der Söhne droht ihn selbst ins Unglück zu stürzen! Was für Angst und Not und Herzeleid macht ihm das alles! Dann erlebt er die unerhörte Freveltat seines erstgeborenen Sohnes Ruben — furchtbarste Schande! (Gen. 35,22). Denn es ist an sich schon schrecklich, die eigene Frau entehrt zu sehen — was soll man aber sagen, wenn der eigene Sohn solchen Frevel begeht? Aber bald darauf besudelt neue Blutschande die Familie (Gen. 38,18); es müßte gar ein Mann, den alle Not sonst nicht hätte beugen und knicken können, unter soviel Schande zusammenbrechen! Und gegen Ende seines Lebens, als er dem Hunger der Seinen Abhilfe tun will, da streckt ihn eine neue Unglücksbot­schaft zu Boden: der eine Sohn liegt in Fesseln — und um ihn wiederzubekommen, soll er seinen Liebling Benjamin fremden Händen überlassen! (Gen. 42,34). Wie soll er in so viel Kummer und Not auch nur einen Augenblick fröhlich aufgeatmet haben? Er selbst ist dafür der beste Zeuge: er versichert dem Pharao: „wenig und böse ist die Zeit meines Lebens“ (Gen. 47,9). Ist er aber nach seinem eigenen Zeugnis alle Lage seines Lebens in Jammer und Elend gewesen, so bezeugt er damit klar, daß er das Glück noch nicht empfangen hatte, das ihm der Herr verheißen. So war denn Jakob entweder ein böser, undankbarer Mensch, der Gottes Gnade nicht zu schätzen vermochte — oder er gab mit diesen Worten ein wirkliches Zeugnis für sein Elend auf Erden ab. War es aber ein wirkliches Zeugnis, so folgt daraus, daß er seine Hoffnung nicht an das Irdische geheftet hat!

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Calvin schreibt an Bullinger über Luther

„…Ich höre, Luther sei kürzlich mit furchtbarem Schelten nicht nur über Euch, sondern über uns alle hergefahren. Es ist ja schon an sich traurig, dass wir, gering an Zahl und rings von Gegnern umgeben, noch in unserer eigenen Mitte im Kampf zusammenstoßen. Aber zu unpassender Zeit konnte es wirklich nicht dazu kommen als gerade jetzt. Ich kann mich daher nicht anders ausdrücken als: Gott hat dem Satan die Zügel gelockert. Luther hat darin freilich, außer seinem eigenen, maßlos leidenschaftlichen und kecken Charakter, den Amsdorf zum Ratgeber, einen geradezu verrückten Menschen ohne Nachdenken. Er lässt sich von ihm lenken ,oder besser: Auf Abwege führen. Es ist aber gut, wenn wir anerkennen, dass auch mit dieser Geißel der Herr uns schlägt. Wir werden dann geduldiger tragen, was sonst entsetzlich herb wäre.

Ich weiß nicht, ob Luther durch irgendeine Schrift von Euch gereizt worden ist. Aber wenn ein Charakter wie der seine, der nicht nur reizbar, sondern verbittert ist, auch aus geringfügiger Ursache aufbraust, zu solchem Toben und Lärmen konnte er sicher keinen genügenden Grund haben.

Nun wage ich kaum Euch zu bitten, Ihr möchtet stillschweigen, denn es wäre nicht recht, Unschuldige so schimpflich behandeln zu lassen und ihnen Gelgenzeit zur Rechtfertigung zu verweigern. Auch wäre es schwer zu sagen, es wäre gut zu schweigen. Aber das ist mein Wunsch, dass Ihr Euch darauf besinnt, welch großer Mann Luther doch ist, durch  welche außerordentlichen Geistesgaben er sich auszeichnet. Wie tapfer und unerschütterlich, wie geschickt, wie gelehrt und wirksam hat er bisher gearbeitet an der Zerstörung der Herrschaft des Antichrist und an der Ausbreitung der Lehre zur Seligkeit. Ich habe schon oft gesagt: Wenner mich einen Teufel schölte, ich würde ihm doch die Ehre antun, ihn für einen ganz hervorragenden Knecht Gottes zu halten, der freilich auch an großen Fehlern leidet, wie er an herrlichen Tugenden reich ist.

Hätte er sich doch bemüht, sein stürmisches Wesen besser im Zaum zu halten, mit dem er überall herausplatzt! Hätte er doch die Leidenschaftlichkeit, die ihm angeboren ist, stets gegen die Feinde der Wahrheit gekehrt, statt sie gegen Knechte des Herrn blitzen zu lassen! Hätte er sich doch mehr Mühe gegeben, seine Fehler einzusehen! Am meisten haben ihm die Schmeichler geschadet, da er schon von Natur zu sehr dazu neigt, sich selbst milde zu behandeln. Doch ists unsere Pflicht, was fehlerhaft an ihm ist, so zu tadeln, dass wir seiner genialen Begabung etwas zu gut halten. Denk also vor allem daran, das bitte ich dich wie deine Kollegen, dass ihr es zu tun habt mit einem Erstling unter den Knechten Christi, dem wir alle viel schulden. Ihr werdet ja euch, wenn Ihr in feindlichen Kampf mit ihm tretet, nichts erreichen, als dass ihr den Ungläubigen ein Vergnügen bereitet, so dass sie dann triumphieren werden, nicht so sehr über unsere Personen, als über die Sache des Evangeliums. Wenn wir uns gegenseitig herunterreißen, dann schenken sie uns mehr wie genug Glauben. Wenn wir aber einmütig und einstimmig Christus predigen, dann wollen sie uns die Glaubwürdigkeit absprechen du missbrauchen dazu eben unsere Anschuldigungen gegeneinander, denen sie mehr glauben als recht ist. Ich möchte, du sähest es und bedächtest es mehr als das, was Luther seiner maßlosen Heftigkeit wegen verdiente. Es soll doch bei uns nicht eintreten, was Paulus tadelt (Gal. 5,1), dass wir uns gegenseitig beißen und fressen und dabei selbst verzehrt werden. Auch wenn Luther uns gereizt hat, ist es besser, abzustehen vom Kampf, als den Schaden größer zu machen zum Nachteil der ganzen Kirche…“


Diesen Brief schrieb Johannes Calvin am 25.11.1544 an Heinrich Bullinger. Dieser und viele weitere lesenswerte Briefe Calvins finden sich hier.

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Johannes Calvin über das Streben nach Heiligung

Schon länger arbeite ich mich Kapitel für Kapitel durch Calvins Institutio durch. In Buch III bespricht Calvin das „Leben eines Christenmenschen“ in Kapitel 6ff (Man findet die Institutio a.k. Unterricht in der christlichen Religion vollständig kostenfrei auf der Webseite calvinismus.ch). Übrigens ist es überraschend, wie Calvin das Thema Heiligung platziert. Nach Glaube und Buße aber noch vor Rechtfertigung und Erwählung. Über Gründe für diese ungewöhnliche und unerwartete Reihenfolge hat David Gibson einen großartigen Artikel geschrieben, den zwei Brüder freundlicherweise für glaubend.de übersetzt haben. Calvin macht sehr schnell aus, dass der Kern echter Heiligkeit darin besteht, dass man nicht sich selbst, sondern Gott gehört. Das ist Selbstverleugnung. In Kapitel 7 schreibt er sehr eloquent:

Sind wir nun aber nicht unsere eigenen Herren, sondern gehören wir dem Herrn – so wird sofort klar, welchen Irrtum wir zu meiden haben und worauf alle unsere Werke in unserem ganzen Leben zu richten sind.

Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also darf bei unseren Plänen und Taten weder unsere Vernunft noch unser Wille die Herrschaft führen. Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also dürfen wir uns nicht das Ziel setzen, danach zu suchen, was uns nach dem Fleische nütze! Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also sollen wir uns und alles, was wir haben, soweit irgend möglich, vergessen!

Auf der anderen Seite: Wir sind Gottes Eigentum – also sollen wir ihm leben und ihm sterben! Wir sind Gottes Eigentum – also muß seine Weisheit und sein Wille bei all unserem Tun die Führung haben! Wir sind Gottes Eigentum – also muß unser Leben in allen seinen Stücken allein zu ihm als dem einzigen rechtmäßigen Ziel hinstreben! (Röm. 14, 8). Wie weit ist der schon fortgeschritten, der erkannt hat, daß er nicht sein eigener Herr ist – und der deshalb seiner eigenen Vernunft Herrschaft und Regiment entzogen hat, um sie Gott allein zu überantworten! Denn die schädlichste Pestilenz, die die Menschen nur zugrunderichten kann, herrscht da, wo der Mensch sich selber gehorcht – und der einzige Hafen des Heils liegt dementsprechend darin, daß wir von uns aus nichts denken, von uns aus nichts wollen, sondern einzig dem Herrn folgen, wie er uns vorangeht!

Der erste Schritt soll also darin bestehen, daß der Mensch von sich selber abscheidet, um alle Kraft seines Geistes daran zu setzen, dem Herrn zu Willen zu sein.

Calvin, Institutio. III, 7,1

Wie so oft trifft Calvin das Mittelgewicht sehr gut. Hier spricht er von Heiligung als echte Tatsache in der Willensentscheidung des Christen ohne Heiligung mit chirstlichem Perfektionismus einerseits oder einer „sich an der Rechtfertigung genügen lassen-Haltung“ andererseits gleichzusetzen. Das macht vor allem das sechste Kapitel deutlich:

Indessen verlange ich nicht, daß die Lebensführung eines Christenmenschen nichts als das vollkommene Evangelium atme – obwohl das zu wünschen ist und wir uns notwendig darum mühen müssen. Ich stelle die Forderung nach der „evangelischen Vollkommenheit“ (Evangelica perfectio) nicht mit solcher Härte, daß ich einen Menschen, der sie noch nicht erreicht hat, deshalb nicht als Christen anerkennen würde. Denn in solchem Falle würden ja alle Menschen von der Kirche ausgeschlossen; ist doch kein einziger zu finden, der von jenem Ziel nicht noch gar weit entfernt wäre; viele aber sind noch recht wenig vorwärtsgekommen, und doch hätten sie es nicht verdient, daß man sie ausschlösse.

Was soll nun aber geschehen? Wir sollen uns jenes Ziel vor Augen stellen und nach ihm allein unser Trachten richten. Es soll uns jenes Zielzeichen gesetzt sein, nach dem all unsere Anspannung, all unser Rennen sich ausrichten soll! Es gebührt sich nämlich nicht, zwischen Gott und dem Menschen in der Weise zu teilen, daß man von dem, was er uns in seinem Worte vorschreibt, einen Teil annimmt, einen anderen aber nach eigenem Ermessen beiseiteläßt. Denn er befiehlt uns überall an erster Stelle die Rechtschaffenheit als das vornehmste Stück seiner Verehrung; darunter versteht er die aufrichtige Einfalt des Herzens, der aller falsche Schein und alle Heuchelei fern ist; der Gegensatz dazu ist das geteilte Herz. Er will also sagen: der geistliche Anfang rechten Lebens liegt darin, daß wir uns ohne Heuchelei mit der inneren Regung unseres Herzens Gott hingeben, um der Heiligkeit und Gerechtigkeit zu dienen.

Es hat aber kein Mensch in diesem irdischen Kerker des Leibes Kraft genug, um mit rechter Freudigkeit seinen Lauf dahinzueilen, ja, die meisten leiden unter solcher Schwachheit, daß sie nur wankend und hinkend, ja auf dem Boden kriechend, bescheiden vorankommen. So sollen wir denn alle nach dem Maß unserer kleinen Kraft unseren Gang tun und den angefangenen Weg fortsetzen! Niemandes Weg wird so unglücklich sein, daß er nicht alle Tage ein Stücklein hinter sich bringen könnte. Wir wollen aber nicht aufhören, danach zu streben, daß wir auf dem Wege des Herrn beständig etwas weiterkommen, wollen auch bei der Geringfügigkeit des Fortschrittes nicht den Mut sinken lassen. Mag auch das Weiterschreiten unseren Wünschen nicht entsprechen, so ist doch die Mühe nicht verloren, wenn nur der heutige Tag über den gestrigen Sieger bleibt. Wir wollen nur in aufrichtiger Einfalt auf unser Ziel schauen und nach dem Zielzeichen uns ausstrecken, wir wollen nicht schmeichlerisch an uns selber Gefallen haben, auch unserer bösen Art nicht nachgeben, sondern in unablässiger Mühe danach ringen, besser zu werden, als wir waren, bis wir dann endlich zur Güte selber hindurchgedrungen sind: sie suchen wir, ihr jagen wir nach durch die ganze Zeit unseres Lebens – dann aber werden wir sie erreichen, wenn wir die Schwachheit unseres Fleisches von uns getan haben und in die vollkommene Gemeinschaft mit Gott aufgenommen sind!

Calvin, Institutio, III,6,5
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„Unser ganzes Heil, ist allein in Christus beschloßen…“

Bei der Besprechung des Erlösungswerkes Christi (genauer: „Wie Christus das Werk des Erlösers getan und uns das Heil erworben hat. Hier ist also vom Tod, von der Auferstehung und von der Himmelfahrt Christi die Rede“),führt Calvin (Institutio II.16,19) aus, dass wir alles, was wir zum Heil benötigen in Christus finden. Es folgt eine umfassende Aufzählung, die ich mit euch teilen möchte. Es ist die Aufzählung des Reichtums des Evangeliums:

Unser ganzes Heil, alles, was dazu gehört, ist allein in Christus beschlossen (Apg. 4,12). Deshalb dürfen wir auch nicht das geringste Stücklein anderswoher ab­leiten. Suchen wir das Heil, so sagt uns schon der Name Jesus: es liegt bei ihm! (1. Kor. 1,30). Geht es uns um andere Gaben des Geistes, so finden wir sie in seiner Salbung! Geht es um Kraft — sie liegt in seiner Herrschaft, um Reinheit — sie beruht auf seiner Empfängnis, um Gnade — sie bietet sich uns dar in seiner Geburt, durch die er uns in allen Stücken gleich geworden ist, auf daß er könnte Mit­leiden haben mit unseren Schwachheiten (Hebr. 2,17; 4,15). Fragen wir nach Er­lösung — sie liegt in seinem Leiden, nach Lossprechung — sie liegt in seiner Ver­dammnis, nach Aufhebung des Fluchs — sie geschieht an seinem Kreuz (Gal. 3,13), nach Genugtuung — sie wird in seinem Sühnopfer vollzogen, nach Reinigung — sie kommt uns zu in seinem Blut, nach Versöhnung — wir haben sie um seines Ab­stieges zur Hölle willen, nach der Absterbung unseres Fleisches — sie beruht auf seinem Begräbnis, nach dem neuen Leben — es erscheint in seiner Auferstehung, nach Unsterblichkeit — auch sie wird uns da zuteil. Wir möchten Erben des Himmels sein — wir können es; denn er ist in den Himmel eingegangen; wir begehren Schutz und Sicherheit, Reichtum aller Güter: in seinem Reich finden wir sie! Wir möchten zuversichtlich dem Gericht entgegensehen: wir dürfen es, denn ihm ist das Gericht übertragen! Und endlich: in ihm liegt ja die Fülle aller Güter, und deshalb sollen wir aus diesem Brunnquell schöpfen, bis wir satt werden, nicht aus einem anderen! Denn wer sich mit ihm allein nicht zufrieden gibt, sondern sich von allerlei Hoff­nungen hin und her treiben läßt — mag er auch „besonders“ auf ihn schauen! — der verfehlt den rechten Weg, weil er mit seinem Dichten und Trachten zum Teil in anderer Richtung geht! Freilich kann diese Art Unglaube gar nicht einschleichen, wenn man einmal die ganze Unermeßlichkeit seiner Güter recht erkannt hat!

(Link zum Vollständigen Text von Band II)
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Von der ewigen Vorherbestimmung Gottes

Calvin widmete diese Schrifte, deren Teile später auch in die 1559- Auflage der Institutio bildeten, der Stadt Genf. Die Schrift wurde Anfang 1552 als gemeinsame Erklärung der Genfer Pastoren. Calvin setzt sich mit dieser Schrift mit zwei katholischen Widersachern, Pighius und Siculus auseinander, aber er stellt sich auch der Ablehnung der doppelten Prädestination im protestantischen Lager. Die Schrift, ist in 47 kleinere Abschnitte eingeteilt, die immer wieder für ein „Deja-Vu“ gesorgt haben. Immer wieder ernüchternd festzustellen, wie uralt „moderne“ Einwände gegen die Prädestinationslehre sind.

Das Buch ist sicherlich eines der anspruchsvollsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe, das aber weniger durch das gewählte Thema zurückzuführen ist, als darauf, dass Calvin ständig Bezug auf die Thesen seiner Kritiker Pighius und Siculus nimmt. Man müsste eigentlich ihre Werke ebenfalls zur Hand haben. Aus diesem Grunde musste ich regelmäßig Abschnitte wiederholt durchlesen und kam relativ langsam durch das Werk voran.

Dennoch empfinde ich das Buch in mehrfacher Hinsicht als Bereicherung:

1.Wenn Calvin davon spricht, dass „Augustinus totus noster“ (Augustinus völlig unser) sei, dann ist das weniger ein Schmücken mit Federn der Kichenvätern sondern tatsächlich sattelfeste Kenntnis der unterschiedlichsten Werke von Augustinus. Bestimmt nimmt er etwa hundert Mal Bezug zu den Werken Augustins. Das spiegelt auch Calvins Absicht wieder, keine originellen theologischen Konzepte entwickeln zu wollen, sondern „klassisches Christentum“ zu vermitteln. Eine Köstlichkeit aus Augustinus´Enchiridion, dass ich durch Calvins Werk entdeckt habe:

„Es geschieht also nichts, wenn nicht der Allmächtige will, dass es geschieht, sei es, indem er zulässt, dass es geschieht, oder indem er es selbst tut (…) Und man darf nicht zweifeln, dass Gott gut tut, indem er geschehen lässt, was Böses geschieht. Denn er lässt es nur nach gerechtem Gerichte zu… Obgleich also nun das Böse, insofern es böse ist, nicht gut ist, so ist es dennoch gut, dass es nicht nur Gutes, sondern auch Böses gibt. Denn wenn es nicht gut wäre, dass auch Böses ist, so würde auf keine Weise von dem guten Allmächtigen zugelassen werden, dass Böses wäre. Ihm ist es ohne Zweifel ebenso leicht, zu tun, was er will, wie nicht zuzulassen, was er nicht will. wenn wir dies nicht glauben, so ist der Anfang unseres Glaubens selbst in Gefahr, mit dem wir an den allmächtigen Gott zu glauben bekennen.“

Nach der Lektüre habe ich unterschiedliche Werke von Augustinus auf meine Leseliste genommen. Weiterlesen

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Inmitten von Büchern glücklich zu sein…

Selderhuis-Johannes-CalvinDer Niederländer Hermann J. Selderhuis ist nicht nur ein profilierter Kenner reformierter Theologie, sondern auch ein wortgewandter Autor. Er schrieb eine Biografie über Calvin, die unter Bezugnahme zahlreicher Quellen – insbesondere seiner Briefe – kurzweilig, allgemein verständlich und dennoch fundiert ist.

In Hermann J. Selderhuis‘ leicht zu lesender Calvin-Biografie habe ich folgenden Abschnitt gefunden, in dem er Calvins Liebe zu Büchern beschreibt. Ich hoffe, dass diese Einstellung nicht nur bei Calvinisten oder Refomierten zu finden ist.

Auszug aus dem Buch: Johannes Calvin: Mensch zwischen Zuversicht und Zweifel – Eine Biografie, von Herman J. Selderhuis, S. 52-53: Weiterlesen