Alle Artikel mit dem Schlagwort “Gnade

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Johannes Calvin über Gesetz und Gnade

Ich habe mir „als Ostervorbereitung“ das Kapitel (II,16) über Jesu Leiden, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt sowie das Kapitel (III,25) über die Auferstehung der Toten in Calvins Institutio angeschaut und bin für die Nachfolge ermutigt und geistlich gestärkt worden. Interessanterweise fängt Calvin die Betrachung von Jesu Leiden mit der Frage an, warum es nötig ist, oder vielleicht besser formuliert: Wie wir in dem Leiden der Gnade Gottes teilhaftig werden. In II.16.2 bringt er eine wunderbare Ausführung, wie Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit durch das Opfer Christi uns erst kostbar wird. Ich zitiere ausführlich und wünsche allen Lesern ein gesegnetes Osterfest.

„Aber bevor wir weitergehen, müssen wir im Vorbeigehen der Frage nachsinnen, wie es sich denn miteinander vereinbaren lässt, dass Gott, der uns mit seinem Erbar­men zuvorgekommen ist, uns doch feind ist, bis er in Christus mit uns versöhnt ist! Denn wie hätte er uns in seinem eingeborenen Sohne eine solch einzigartige Bürg­schaft seiner Liebe zu uns geben können, wenn er uns nicht schon zuvor in freier Gnade freundlich gesinnt gewesen wäre? Hier entsteht also wirklich der Schein eines Widerspruchs, und ich muss also diesen Knoten zu lösen versuchen. Der Heilige Geist sagt es in der Schrift etwa so: Gott ist den Menschen feind gewesen, bis sie durch Christi Tod bei ihm wieder zu Gnaden gekommen sind (Röm. 5,10). Oder wir hören auch, der Mensch sei unter dem Fluch, bis seine Ungerechtigkeit durch Christi Opfertod gesühnt sei (Gal. 3,10.13), oder auch, er sei von Gott getrennt, bis dass in Christi Leib die Gemeinschaft wiederhergestellt sei (Kol. 1,21f.). Diese und ähnliche Sprüche sind unserem Verständnis angepasst, damit wir besser erkennen, wie jämmerlich und notvoll unsere Lage ist außer Christus. Denn wenn es uns nicht mit klaren Worten gesagt würde, dass Gottes Zorn und Strafe und der ewige Tod auf uns gelegen, so würden wir weniger anerkennen, wie elend wir ohne Gottes Er­barmen wären, und das Geschenk der Befreiung weniger zu schätzen wissen! Ich will ein Beispiel bilden.

Es hört jemand: Wenn dich Gott, als du noch ein Sünder warst, so gehasst und dich so von sich gestoßen hätte, wie du es verdient hättest, so wärest du jämmerlich zugrunde gegangen; aber Gott hat dich von sich aus und in freiem Er­barmen in Gnaden angenommen, wollte dich nicht gänzlich verstoßen und rettete dich aus solcher Gefahr. Wer das hört, der wird gewiss davon innerlich betroffen, er wird auch zu einem gewissen Teil erwägen, was er also Gottes Erbarmen für Dank schuldig ist.

Aber wenn er nun auf der anderen Seite hört, was die Schrift lehrt: Du bist durch die Sünde wirklich von Gott abgekommen, bist ein Erbe des Zorns, bist dem Fluch des ewigen Todes verfallen, ausgeschlossen von jeder Hoffnung auf das Heil, fremd aller Segnung Gottes, Sklave des Satans, Gefangener unter dem Joch der Sünde, schrecklichem Verderben ausgeliefert, ja, schon mitten darin! — dann aber ist Christus als Fürsprecher ins Mittel getreten und hat die Strafe auf sich genommen, hat gelitten, was nach Gottes gerechtem Urteil alle Sünder leiden mussten, hat all das Böse, das sie vor Gott verhasst machte, mit seinem Blute ge­sühnt; und nun ist durch dieses Sühnopfer dem Vater Genüge getan, durch diesen Fürsprecher sein Zorn besänftigt, auf diesem Grund der Friede Gottes mit den Men­schen fest gegründet, nun ruht auf dieser Verbindung Gottes Wohlgefallen gegen uns! — ich sage, wenn der Mensch das hört, wird er nicht um so tiefer das alles zu Herzen nehmen, je deutlicher und lebendiger ihm vor Augen gestellt wird, wie groß die Not ist, aus der ihn Gott herausreißt?

Kurz, wir sind ja von Natur gar nicht so beschaffen, dass wir nach dem Leben aus Gottes Barmherzigkeit recht ver­langen und dafür genugsam danken können, wenn uns nicht zuvor der Schrecken vor dem Zorn Gottes und das Entsetzen vor dem ewigen Tode durch die Seele dringt und uns zu Boden wirft; und deshalb unterweist uns die göttliche Lehre der­art, dass wir Gott als uns feindlich erblicken, seine Hand ausgereckt sehen, um uns zu verderben — aber doch nur, damit wir seine Freundlichkeit und seine Vaterliebe allein in Christus ergreifen!

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„O felix culpa“
Aus der römisch-katholischen Osternachtsliturgie

Manchmal stößt man über ein Zitat in unterschiedlichem Kontext mehrfach. So ging es mir mit einem Ausschnitt aus der Osternachtsliturgie, der mindestens provozierend formuliert ist. Da heißt es (lateinische und deutsche Fassung von hier):

O certe necessarium Adae peccatum,
quod Christi morte deletum est!

O felix culpa,
quae talem ac tantum meruit habere Redemptorem!

Oh wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat.

O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!

Der Ausruf „O glückliche Schuld“ hat es sogar zu einem Wikipedia-Artikel geschafft. Kostbar ist der dahinterliegende Gedanke, dass die Wiederherstellung des Sünders in der Erlösung in in einen höheren Stand bringt, als den er vor dem Fall besaß. Vor allem Augustinus investierte in diese Überlegungen einige Zeit und Hirnschmalz. Darunter im Enchiridion (Dem Buch vom Glauben, der Hoffnung und der Liebe). Da heißt es unter anderem: Melius enim iudicavit de malis benefacere, quam mala nulla esse permittere – Gott hielt es für besser aus dem Bösen das Gute zu wirken, als gar kein Böses zuzulassen). Entsprechend ist der Zustand des Menschen in der Herrlichkeit ein Besserer, da er nicht sündigen kann. Die Herrlichkeit von jemanden, der nicht mehr die Möglichkeit besitzt zu sündigen ist somit besser und höher, als die, von jemanden der sie kann.

Dieses unterschiedliche  Befähigung Gutes und Böses zu tun, finden wir erneut im Westminster Bekenntnis, dass sich eng an den vier Willenszuständen des Menschen orientiert, wie es Augustinus schildert, als es das Kapitel vom freien Willen beschreibt:

  • Vor dem Fall: Fähig zu sündigen
  • Nach dem Fall: Nicht fähig nicht zu sündigen
  • Nach der Wiedergeburt: Fähig nicht zu sündigen
  • In der Herrlichkeit: Nicht fähig zu sündigen

In Kürze. Ein erneuerter Blick auf die Erlösung erneuert auch unseren Blick darauf, was „echte Freiheit des Willens bedeutet“, nämlich die, mit Gottes Willen im Einklang zu sein. Oder mit den Worten des Westminster Bekenntnisses (Artikel 9.5):

„Der Wille des Menschen wird erst im Stand der Herrlichkeit vollkommen und unveränderlich frei gemacht, nur Gutes zu tun“

Die zwei Autoren, die „felix culpa“ erwähnten, waren übrigens, zunächst Edmund Clowney, der in seinem Werk zur Christologie zeigt, dass wir erst nach dem Fall die Herrlichkeit Christi erfahren und zweitens Helmut Thielicke in einem Predigtband über die Gleichnisse Christi (unter dem Titel „Das Bilderbuch Gottes“ erschienen).

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Das Gebet eines Arminianers
polemische Apologetik von C.H. Spurgeon

In seiner Predigt „Free Will – a slave“ denkt Spurgeon darüber nach, wie wohl ein arminianisches Gebet klingen würde:

„Ihr habt bestimmt schon viele arminianische Predigten gehört, aber ihr habt noch nie ein arminianisches Gebet gehört – denn im Gebet sind die Heiligen eins in Wort, Tat und Geist.
Ein Arminianer würde auf den Knien verzweifelt beten wie ein Calvinist. Er kann nicht über den freien Willen beten: das ist schlichtweg unmöglich. Stellt euch vor, er würde beten:

„Herr, ich danke dir, dass ich nicht wie diese armen, anmaßenden Calvinisten bin. Herr, ich wurde mit einem herrlichen freien Willen geboren; ich wurde mit einer Kraft geboren, durch die ich mich dir von selbst zuwenden kann; ich habe meine Gnade verbessert. Wenn jeder mit seiner Gnade dasselbe getan hätte wie ich, wären sie alle gerettet worden. Herr, ich weiß, du machst uns nicht willig, wenn wir nicht selbst willig sind. Du gibst jedem Menschen Gnade; manche verbessern sie nicht, aber ich schon. Es gibt viele, die in die Hölle gehen werden, die genauso mit dem Blut Christi erkauft wurden wie ich; sie hatten genauso viel vom Heiligen Geist, der ihnen gegeben wurde; sie hatten eine genauso gute Chance und waren genauso gesegnet wie ich. Es war nicht deine Gnade, die uns unterschiedlich gemacht hat; ich weiß, dass sie sehr viel getan hat, dennoch habe ich den Knopf gedrückt; ich habe das genutzt, was mir gegeben wurde, und andere nicht – das ist der Unterschied zwischen mir und ihnen.“

– Das ist ein Gebet für den Teufel, denn niemand sonst würde ein solches Gebet sprechen.“ (eigene Übersetzung)

Damit fällt Spurgeon einen Punkt, den Herman Bavinck im ersten Band seiner Reformed Dogmatics ähnlich sieht. Er schreibt dort (S377): „Es ist unbestrittenes Zeugnis aller religiöser Erfahrung von Christen, dass das Heil, sowohl in einem objektiven, wie subjektiven Sinn, einzig das Werk Gottes ist. Somit mag eine Person in Theorie ein Pelagianer sein, in der Praxis des christlichen Lebens, vor allem im Gebet ist jeder Christ ein Augustinianer. Denn hier ist alle Selbstverherrlichung ausgeschlossen, und nur Gott allein bekommt die Ehre….“

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„Die Liebe Gottes findet nicht vor, sondern schafft sich, was sie liebt.“
Die Heidelberger Disputation 1518

Durch Carl Trueman (z.B. in seiner Vorlesung zur Reformationsgeschichte, in der Essay-Sammlung des Autors  „Reformation – heute noch aktuell“ im kürzlich erschienen Buch „Luther on the christian life“ geht er jeweils sehr ausführlich auf Luthers Unterscheidung zwischen Theologen der Herrlichkeit und Theologen des Kreuzes ein). wurde ich auf ein Ereignis in Luthers Laufbahn aufmerksam, dass in vielen Darstellungen des Reformators schnell untergeht. 

Im April 1518 (und noch deutlich vor der Eröffnung des Verfahrens durch die römische Kurie  im Juli 1518) fand unter Leitung Luthers eine Disputation in der Versammlung der Augustiner statt, die seine Thesen zum Ablass diskutieren sollte. Luther bereitete Thesen vor, die wohl einige überrascht haben dürften. Sehr entschieden entscheidet sich Luther für eine augustinische Darstellung des Heils. Einige der 28 Thesen (hier samt Begründung vollständig zu finden) im Wortlaut:

Die Werke der Menschen, wenn sie auch noch so sehr in die Augen fallen und gut zu sein scheinen, müssen doch als Todsünden gelten.

Der Mensch, der da meint, er wolle dadurch zur Gnade gelangen, dass er tut, soviel ihm möglich ist, häuft Sünde auf Sünde, so dass er doppelt schuldig wird.

Ganz gewiss muss ein Mensch an sich selbst verzweifeln, um für den Empfang der Gnade Christi bereitet zu werden.

Das Gesetz sagt: »Tue das!«, und es geschieht niemals. Die Gnade spricht: »An den sollst du glauben!«, und alles ist schon getan.

Nicht der ist gerecht, der viel Werke tut, sondern wer ohne Werke viel an Christus glaubt.

Die Liebe Gottes findet nicht vor, sondern schafft sich, was sie liebt. Die Liebe des Menschen entsteht nur an dem, was sie liebenswert findet.

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Wann bin ich gesetzlich? – Ein Einblick von John Colquhoun

Wenn ein Mensch zu Taten des Gehorsams gedrängt ist, weil er den Zorn Gottes fürchtet, der sich im Gesetz offenbart und nicht weil er an Seine Liebe glaubt, die sich im Evangelium offenbart… Wenn er Gott wegen Seiner Macht und Gerechtigkeit fürchtet und nicht aufgrund Seiner Güte, wenn er in Gott viel eher einen rächenden Richter, als einen leidenschaftlichen Freund und Vater sieht, und und wenn er Gott als fürchterliche Majestät vor sich sieht, statt unendlich gnädig und barmherzig wird dadurch sichtbar, dass er unter der Herrschaft eines gesetzlichen Geistes ist, oder zumindest daran leidet… Er zeigt, dass er unter dem Einfluss dieses hasserfüllten Versuchers steht … wenn sein Vertrauen auf göttliches Erbarmen durch die Lebendigkeit seiner Pflichten und nicht durch die Entdeckungen der Freiheit und der Reichtümer erlösender Gnade geprägt sind, die ihm im Evangelium angeboten werden, oder wenn er das ewige Leben nicht als Gabe Gottes durch Jesus Christus erwartet, sondern als Gottes Rekompensation für seinen Gehorsam und sein Leiden, wird schmerzhaft deutlich, dass er sich unter der Macht eines gesetzlichen Geistes befindet.

gefunden in „The Whole Christ“ von Sinclair Ferguson, der hier aus dem Werk „Treatise on the Law and Gospel“ des Purtianers John Colquhoun zitiert. 

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„Gelobt sei der Herr, der dir heute den Erlöser nicht versagt hat“

Das Buch „Five Festal Garments“ von B.G. Webb untersucht fünf Bücher des AT, die wir als Christen häufiger vernachlässigen. Webbs Überlegungen waren unter anderem die Grundlagen für nachfolgende Skizzen:

1. Episodische Struktur:

Webb macht auf die Schönheit des Aufbaus im Inneren des Werks aufmerksam. Es liegt eine strukturelle Parallele mit geringfügigen Varianten in Kapitel 2 und Kapitel 3 vor:

Kapitel 2: Kapitel 3:
1. Ruth bietet Naomi, ob sie gehen kann und sagt ihr was sie tun will. Naomi bietet Ruth zu gehen Naomi bietet Ruth zu gehen und sagt ihr, was sie zu tun hat.
2. Ruth geht 2. Ruth geht
3. Boas frägt, wer Ruth sei und es wird ihm erklärt 3. Boas frägt, wer Ruth sei und es wird ihm erklärt
4. Boas bittet Ruth zu bleiben und sagt, dass „Sie segnenswert sei“ und gibt ihr Nahrung 4. Boas sagt Ruth, dass „Sie segnenswert sei“ und bittet sie zu bleiben und gibt ihr Nahrung
5. Ruth spricht mit Naomi, erzählt ihr was passiert sei und bekommt von ihr Rat 5. Ruth spricht mit Naomi, erzählt ihr was passiert sei und bekommt von ihr Rat

Doch in dieser Parallele entwickelt sich weiter, so wie aus der Erntezeit von Kapitel zwei die Dreschzeit von Kapitel drei wird.

Dieses Zentrum wiederum ist flankiert von „Namenslisten“: Zu Beginn finden wir mindestens drei Namen, die keinerlei Rolle mehr spielen sollen. Die Genealogie zum Schluß kann jedoch kaum bedeutender sein, verknüpft sie Ruth doch als Bindeglied zwischen der Mose-Richter Zeit mit der Zeit des großen Königs Davids. Entsprechend spiegeln auch diese Namenslisten die Entwicklung von der Leere zur Fülle wider, die Naomi und Ruth als Individuen widerfährt für einen größeren Kontext wieder

2. Thematische Entwicklung und Kanonische Einbindung

Damit wären wir mitten im Plot des Buches. Wer Ruth als an Richter anschließend liest, dem wird auffallen, dass die zwei abschließenden Horrorgeschichten des Richter-Buches damit Anfangen, dass Jemand Bethlehem (= Haus des Brotes) verlässt ( Ri 17,9 und Ri 19,2 bzw. 19,18). Wer das Haus des Brotes verlässt, steht in der Gefahr eine Katastrophe auszulösen. Ruth als Abschließender Teil dieser Trilogie bietet nun die „Kontra-Erzählung“ dafür. Dabei war die Ironie besonders groß, dass im „Haus des Brotes“ eine Hungersnot herrscht (Rt. 1,1). Im Übrigen dürfen wir auch sonst Umstände der Richter-Zeit erwarten: Ein jeder tut was ihm recht vor Augen scheint. Das gerade eine fremde Migrantin ein beliebtes Opfer für ein kurzes Sexabenteuer werden kann, scheinen Rt2,21 und Rt2,15 zumindest anzudeuten.

Doch zehn Jahre nach Verlassen des verheißenen Landes ausgerechnet in Richtung Moab, muss Ruth Buße übend zurückkehren und bekennt, als die Frauen rufen: „Ist das die Naomi?“:

„Nennt mich nicht Naomi(Lieblich), sondern Mara (Bitter). Denn der Allmächtige hat mich sehr betrübt. Voll zog ich aus, aber leer hat mich der HERR wieder heimgebracht.“  Weiterlesen

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„Alle hoffen, dass der Teufel jenseits des Meeres ist und wir Gott in der Tasche haben“

Book as Artifact, Artifact as Book: Part Four • Southwestern UniversityEigentlich ist es eine logische Schlussfolgerung von Luthers rigoroser Verteidigung von sola fide und sola gratia, dass man den Sinn des Gesetzes völlig in Frage stellt. So tat es auf jeden Fall auch Johannes Agricola, ein lutherischer Theologe, auf den Luther so viele Hoffnungen setzte, dass er ihn in seinem Heim in Wittenberg ließ, und sich von ihm selbst für Predigten und Vorlesungen vertreten ließ. Agricola war nun der Ansicht, dass die Predigt des Gesetzes für Christen unnötig ist, da man nun im neuen Bund, nämlich im Bund der Gnade lebt. Entsprechend gehören das Gesetz Gottes bzw. die Zehn Gebote aus der Kirche (…) verstoßen und in das Rathaus (…)verwiesen;“

Wie aber sollte die Predigt des Evangeliums ohne Gesetz möglich sein? „Lieber Gott, kann man es denn nicht ertragen, dass die heilige Kirche sich als Sünderin erkennt, die an die Vergebung der Sünden glaubt und dazu im Vaterunser um die Vergebung der Sünden bittet? Woher weiß man aber, was Sünde ist, wenn es das Gesetz und das Gewissen nicht gibt? Und woher will man lernen, was Christus ist, was er getan hat für  uns, wenn wir nicht wissen sollen, was das Gesetz ist, das er für uns erfüllt hat, oder was Sünde ist, für die er an unserer Stelle genuggetan hat?“ Agricolas Vorschlag das Evangelium nur aus dem Trost der Tat Christi zu predigen, lehnt Luther entschieden ab.

Luther listet auf, wie wichtig das Gesetz für ein protestantisches Programm der Bildung und Erziehung eines Christen wichtig ist, auch verwurzelt im lutherischen Bekenntnis: „Und es wundert mich sehr, wie man mir unterstellen kann, dass ich das Gesetz bzw. die Zehn Gebote verwerfen wollte, wo es doch von mir so viele Auslegungen der Zehn Gebote und nicht nur eine gibt, die man in unseren Kirchen auch täglich predigt und lehrt, ganz zu schweigen von der Confessio Augustana und der Apologie und unseren anderen Büchern.“

Luther hält in seiner Schrift vehement fest, dass er sowohl Gnade, wie das Gesetz erhalten nebeneinander und zusammen erhalten möchte:

Für Luther geht es dabei nicht um Details. Eine Ablehnung des Gesetzes wäre Grund genug für ein Schisma: „Selbst wenn ich unterstelle, dass ich gelehrt oder gesagt hätte, man sollte das Gesetz nicht in der Kirche lehren – obwohl doch alle meine Schriften es anders zeigen und ich von Anfang an immer den Katechismus behandelt habe –, sollte man mir darum so stur anhängen? Oder sollte man nicht mir selbst widersprechen – da ich doch alle Zeit sehr anders gelehrt habe – und von mir selbst abfallen, wie ich es mit der Lehre des Papstes getan habe?“ Weiterlesen

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Walfisch, Rizinus und Niniveh

Für eine Andacht über das Gebets Jonas, habe ich mich durch etwas Material gebohrt. Eine kurze Auflistung:

The Prodigal Prophet: Jonah and the Mystery of God's Mercy„The Prodigal Prophet“ von Tim Keller, habe ich als Hörbuch bei Audible angehört. Keller hat nach eigener Aussage drei mal über das Buch Jona gepredigt und verfasste das Buch auf Wunsch seiner Frau. Vorteil des Werkes: Ausführlicher Anhang, in dem Jona thematisch, biblisch theologisch betrachtet wird. Nachteil: Ich denke Keller zieht am Schluß doch zu schnell Sprünge zu unserer Zeit. Dies kann aber auch am Fehlen der Fußnoten in der Hörbuchfassung liegen. Hier bezieht Keller zahlreiche weitergehende Kommentare mit ein.

Übrigens: Im Predigt Podcast von Keller findet sich auch eine Predigt über Jona aus den 90ern Jahren. Zusätzlich zum „Prodigal Prophet“, kann man so auch eine Entwicklung des Themas bei Keller betrachten. Eine aktuellere Predigt findet sich in youtube.

Wenn wir schon bei Predigten sind. Der Vierteiler von Dick Lucas über Jonah schien mir den größten Tiefgang zu besitzen. Lucas bleibt wirklich hartnäckig dabei, den Konflikt Jonas und Gottes Handeln mit diesem ungehorsamen Propheten zu verfolgen. Die Links zu den vier Teilen finden sich hier bei monergism. Weiterlesen

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„Nicht den Gegenstand, der mir zum Falle wurde, nein, den Fall selbst liebte ich“

Auf diesen Auszug aus den Bekenntnissen von Augustinus bin ich durch eine sehr gelungen Predigt von Paul Koch aus der St. Martini Kirche in Bremen aufmerksam geworden. Dieser Text findet sich im Vierten Kapitel des zweiten Buches. Die deutsche Übersetzung der Confessiones  findet man lizenzfrei im Internet.

„Bekannt ist, dass dein Gesetz, o Herr, den Diebstahl bestraft, und zwar sogar das in die Herzen der Menschen eingegrabene Naturgesetz, das nicht einmal ihre Bosheit auszulöschen vermag. Denn welcher Dieb ertrüge, auch wenn er begütert ist, gleichmütig den Diebstahl eines, den Not dazu treibt? Ich aber wollte einen Diebstahl begehen und habe ihn auch begangen, nicht durch irgendwelche Notwendigkeit veranlasst: an Gerechtigkeit fehlte es mir, ja ich hatte Ekel vor ihr, und vor Bosheit erstickte ich. Denn ich stahl, was ich im Überfluß, ja noch viel besser besaß. Auch wollte ich nicht, was der Diebstahl mir verschaffte, genießen, sondern den Diebstahl selbst und die Sünde.

Nahe unserm Weinberg stand ein Birnbaum mit zwar zahlreichen, jedoch häßlichen und unschmackhaften Früchten. Diese abzuschütteln und hinwegzuschleppen, machten wir jungen Leute uns ohne Scham- und Ehrgefühl bei tiefer Nacht auf – so lange hatten wir unser verderbliches Spiel auf dem Platze getrieben – und trugen gewaltige Lasten von dort hinweg, nicht um sie zu essen, sondern um sie den Schweinen vorzuwerfen. Und wenn wir auch eine Kleinigkeit davon aßen, so geschah es nur deshalb, weil wir damit etwas Unerlaubtes tun konnten.

Sieh mein Herz, o mein Gott, sieh mein Herz, dessen du dich erbarmt hast in der Tiefe seiner Bosheit. Sieh, mein Herz soll dir nun sagen, was es dort suchte, dass ich nämlich ohne jeden Grund böse und meiner Bosheit Grund nur die Bosheit selbst war. Abscheulich war sie, und trotzdem liebte ich sie, liebte mein Verderben, liebte meinen Fehltritt.; als ich in der Verworfenheit meines Gemütes. mich von deiner Grundfeste ins Verderben stürzte, da begehrte ich nicht schimpflich irgendeinen Gegenstand, sondern die Schande selbst.“

Augustinus, der auch seine sexuellen Ausschweifungen vor seiner Bekehrung bereut, wählt doch gerade ein Ereignis seiner Kindheit als Generalexempel für seine abgrundtief böse Veranlagung. Trueman weist in Grace Alone  (S. 58, eigene Übersetzung) zurecht darauf hin, dass, „diese Passage eine wunderschöne Vereinigung aus Erzählung und Theologie ist. Die trivialen Details der Erzählung ziehen den Leser in die Begebenheit hinein, ganz subtil aber auch persönlich. Hätte Augustinus ein Schwerverbrechen, z.B. einen Mord, einen Raubüberfall oder einen Staatsverrat, wäre der Leser wohl schockiert, würde sich aber kaum mit dem Protagonisten identifizieren. Nur wenige Leser hätten Erfahrung gehabt solche Verbrechen zu begehen noch das Verlangen gespürt so etwas zu tun. Doch die Handlung eines kindlichen Diebstahls ist die Art von Sünde, die jedes Kind entweder begangen hat oder versucht hat. Die Erzählung zieht den Leser in etwas hinein, mit der er sich identifizieren kann: Den Diebstahl einer Frucht vom Baum des Nachbarn. Wir lesen den Abschnitt und wir erkennen etwas von uns selbst. Die Erzählung stellt eine theologische Falle dar.“

 

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Allein Gnade!

Carl Trueman hat einen Band zur fünfbändigen Reihe „5 Solas Series“ von Herausgeber Matthew Barrett beigetragen. Aktuell lässt sich „Grace Alone – Salvation as a Gift of God“ sehr günstig als Logos-Buch erwerben. Wie kann das Heil gleichzeitig allein aus Gnaden und allein aus Glauben und allein in der Schrift zu finden sein? Ein spannendes Statement dazu habe ich bei Donald Carson in „Collected Writings on Scripture“ gefunden (im Essay: „Recent Developments in the Doctrine of Scripture“):“Als ich ein Junge war, habe ich mich immer gewundert wie diese drei Aussagen (sola gratia, sola fide und sola scriptura) logisch sein können, wenn jedes für sich einen Alleinstatus beansprucht, doch im Laufe der Zeit lernte ich, dass die Gnade der einzige Grund für das Heil, der Glaube das einzige Mittel des Heils und die Schrift die einzige Autorität für Glauben und Leben ist“. Doch zurück zu Trueman.  Der Autor überzeugt neben guten Argumenten auch durch eine feine Ausdrucksweise und bildgeladene Sprache. Ich habe versucht ein etwas längeres Zitat zu übersetzen:

„Entgegen billiger Gefühlsduselei ist die Gnade Gottes im Alten Testament viel mehr als eine Marotte oder sich ergebende Kapitulation gegenüber menschlicher Rebellion. Gott ignoriert das Problem der Sünde nicht und tut nicht so, als existiere diese nicht. Er verspürt einen heiligen Zorn gegenüber der Sünde und kann diese Ablehnung seiner Herrschaft nicht einfach zur Seite wischen, als wäre sie nie geschehen. Somit etabliert Gott unter Mose ein Opfersystem (…) Diese Tatsache – das Gott es ist der das Opfersystem etabliert und reguliert – sollte nicht übersehen werden. Sie ist bedeutend, weil sie uns lehrt, dass die alttestamentlichen Opfer nicht ein Versuch menschlicher Wesen waren, etwas zu finden, dass einen zornigen Gott beruhigen oder ihm schmeicheln könnte. Weiterlesen