Alle Artikel von “Sergej Pauli

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Gewinnspiel/Umfrage Westminster Theological Journal

Seit 5 Jahren bekomme ich das Westminster Theological Journal und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nie auch nur in eines der Hefte reingeschaut habe.

Ein Freund meinte mal, was man mehr als ein Jahr nicht nutzt, muss weg. Dem möchte ich nachkommen. Das WTJ wäre dabei zu Schade für den Müll und es bekommt hier noch eine Chance:

Unter jedem, der unter diesen Artikel kommentiert, wer sein Lieblings-Presbyterianer sei und welches presbyterianische Werk er am besten empfindet, wird jeweils ein Jahrgang der Zeitschriften verlost. Genauer habe ich von 80.1- bis 85.2 sämtliche Hefte bis auf 82.2 (wobei ich das vielleicht auch noch auffinden könnte). Der Zustand ist nahezu neuwertig.

Das Gewinnspiel läuft bis 31.01.2024

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„Denk ich an Deutschland in der Nacht“ und der Kontext

Die beiden Eröffnungszeilen von Heinrich Heines Gedicht Nachtgedanken eignen sich wohl als ein gutes Beispiel dafür, wie sehr ein Zitat aus dem Kontext gerissen werden kann.

Denn die Intention des Gedichts ist nicht, dass der Zustand Deutschland so furchtbar sei, dass Heine nicht einmal mehr schlafen könne, wenn er diesen überdenkt, sondern ein Ausdruck von Heimweh im langjährigen französischen Zwangsexil. Dabei muss Heine zugeben, dass es vor allem seine Mutter ist, die er vermisst. Das Gedicht ist natürlich, wie man es von Heine erwarten würde, nicht frei von gut platzierter Ironie, wenn Heine seine Mutter („die alte Frau (…) mit zitternder Hand„) mit Deutschland vergleicht, das „ewigen Bestand“ hat und ein „kerngesundes Land“ sei:

„Nach Deutschland lechzt‘ ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.“

Vor allem zum Schluss seines Gedichtes macht sich Heine schließlich auch über seine Emotionen lustig und das Gedicht wird ein gutes Beispiel für seinen Abschied vom Stil der Romantik, dessen deutsche Spielart Heine zunächst maßgeblich geprägt hat:

„Gottlob! Durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.“

Heines Gedicht macht deutlich, das der Kontext auch gut bekannte Zeilen in ein ganz anderes Licht stellen kann. Gerade bei biblischen Texten erlebt man da manches. Wir können ja mit Amos 4,4 anfangen, dort heißt es: „Ja, kommt her nach Bethel und sündigt, nach Gilgal und sündigt noch mehr! Bringt eure Schlachtopfer am Morgen und eure Zehnten am dritten Tage“ – Ein eindeutiger Aufruf Gottes an den Menschen umso fleißiger zu sündigen, oder? Auf deeperchristian.com hat der Autor seine Lieblingsstellen gesammelt, die aus dem Kontext gerissen werden:

Deeperchristian bringt ein Beispiel wie es einem ergehen kann, der versucht, Gottes Willen kontextlos „zu orakeln“:

Es wird ein humorvolles (und verstörendes) Beispiel über einen Mann erzählt, der versuchte, Gottes Willen für sein Leben zu erkennen. In Verzweiflung rief er zu Gott: „Zeige mir deinen Willen!“ und schlug seine Bibel auf, um zufällig eine Stelle zu finden, in der Hoffnung, dass Gott ihm Richtung und Inspiration geben würde. Er las: „Judas ging hinaus und erhängte sich.“ Besorgt schloss er die Bibel, ließ sie erneut aufklappen und setzte zufällig seinen Finger auf eine andere Stelle. Diese lautete: „Geh und tu dasselbe.Offensichtlich ist dies nicht der beste Weg, um Gottes Willen zu suchen.

Um etwas ernster zu werden. Über alles, was die drei Freunde sagen steht schließlich Gottes Urteil aus Hi. 42,7: „“Mein Zorn ist entbrannt über dich und über deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob.“

Die Katholische Kirche hat ja einige recht gute kontextlose Brecher. Da wird das Priestertums des AT einfach weitergeführt. Und dass der Bischof Mann einer Frau sein soll, wird dadurch gelöst, dass er ja mit „seiner Gemeinde“ verheiratet sei. Wie er wohl seinem Hausstand dabei vorstehen soll(1. Tim. 2,5)?

Überhaupt scheint mir, dass eigentlich alle seltsamen christlichen Extremen ob nun unter Christen oder eindeutig unter Sekten sich eigentlich durch eine gewisse Kontextlosigkeit auszeichnen. Da reiht sich die apostolische Sukzession ähnlich ein, wie die Entdeckung des Sabbats oder das Zweifeln an der Gottheit Jesu (wenn auch in unterschiedlich großer Schwere). Insgesamt scheint es mir aber nicht nur die Kontextlosigkeit als Ursache zu bestehen, sondern auch eine Überbetonung schwieriger/seltener Bibelstellen.

Manchmal wird Kontext unnötig kompliziert gemacht. Mir ist jedes Gerede vom Kontext suspekt, dass so weit geht, dass dann eigentlich niemand mehr den Text verstehen kann. Oder, und ich fürchte, es ist eine fast hinterhältigere Variante, nur „Experten“, ob sie nun Doktoren oder Priester seien, können den Text wahrlich recht deuten. Ich denke, dass eine Aussage wie „Gott ist Liebe“ auch völlig vom Kontext losgelöst eine tiefe Aussage hat und manch ein Bauer hat das besser verstanden, „als er sich über sein Vieh erbarmte“ (Spr. 12,10) als manch ein Professor, der in all seinem Kontext nicht mehr wusste, was Liebe eigentlich ist.

Dann wiederum kann die Suche nach dem Kontext geradezu lebenswichtig werden. Ich denke da an die alttestamentlichen Verheißungstexte. Ist man in einem Mindset verhaftet, dass das alte Testament nur für das Volk Israel gültig sieht, welchen Trost mag da auch die beste und schönste Verheißung haben (Wie wäre es mit Jesaja 49, 15 als Text zur Probe: “Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen.”)? Schließlich gilt das ja womöglich nicht für die Gemeinde. Der unmittelbare Kontext scheint das zunächst zu bestätigen(vgl. V.14) Dabei macht der weite Kontext der Bibel deutlich, dass für die, die in Christus sind, alle Verheißungen in Christus ja und Amen sind (2. Kor. 1,19-20).

Schließlich sind wir so fies, dass wir den Kontext vor allem bei Texten suchen, die uns unangenehm werden wollen. Ich muss sagen, dass mir das z.B. beim Thema der Kopfbedeckung der Fall zu sein scheint. Da wurde in der Moderne viel Kontext entdeckt, und plötzlich wird das Tragen des Schleiers zu einer gesetzlichen Praxis. Dabei war das für viele Jahrhunderte eine gängige Praxis in der Christenheit über die Denominationen hinweg. Doch schwupp kommt ein Professor und schreibt über den Kampf des Paulus gegen den Schleier und fertig ist ein neues Mindset, dass überzeugt ist, den Kontext näher zu beachten, ohne sich wesentlicher mit dem biblischen Text an dieser Stelle auseinandergesetzt zu haben, als die „Väter“ es taten.

Mein Fazit also: Keine Angst vor dem Kontext. Fleißig in der Bibel geforscht und widerstehend der Versuchung, sie plump, extravagant oder gleichgültig auszulegen, werden wir die Botschaft des Wortes Gottes von Tag zu Tag näher und besser ergreifen.

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Believer’s Baptism: Sign of the New Covenant in Christ

In der Nähe meines Wohnortes entschied die Gemeindeleitung einer bis dahin reformierten Baptistengemeinde, dass sie nun „die Sache mit der Bundestheologie“ (Zitat) besser verstehe und jetzt auch Kinder taufen wolle. Ich fand es auf mehreren Ebenen befremdlich: Zum einen sind Konversionen von Pädobaptisten zu Credobaptisten üblicher, zum anderen war mir gerade diese Gemeinde dafür bekannt ,hartnäckige Vertreter der Bundestheologie schon als Credobaptisten gewesen zu sein.

Wie dem auch sei, das Ereignis bildete für mich den Trigger, sich die Sache „mit der Taufe“ noch einmal näher anzuschauen. Die Entscheidung dafür „Believer’s Baptism: Sign of the New Covenant in Christ“ zu wählen, erwies sich dabei als der richtige Schritt. Das Buch wurde von Thomas Schreiner und Shawn D. Wright herausgegeben und enthält zehn Essays bekannter baptistischer Theologen, wie Köstenberger, Wellum, Caneday, Dever, Schreiner und anderen.

Tatsächlich ist es die Absicht des Buches sich vor allem mit der pädobaptistischen Position auseinanderzusetzen, wie sie von presbyterianischen Christen vertreten wird. Treffend hält J.H. Rainbow im Essay über die baptistische Lehre der frühen Anabaptisten fest:

„Im Dialog mit reformierten Pädobaptisten haben Baptisten oft das seltsame Gefühl, „so nah und doch so weit weg“ zu sein.“

(Thomas R. Schreiner und Shawn D. Wright, Believer’s baptism: sign of the new covenant in Christ (Nashville, TN: B&H Publishing Group, 2006), S. 204., eigene Übersetzung)

Schreiner schreibt im Einführungskapitel zur Dringlichkeit des Themas, sowohl nach außen, wie auch nach innen. Ob man nun Säuglinge tauft oder nicht, ist keine zweitrangige Frage für einen Baptisten:

Wir glauben nicht, dass die Säuglingstaufe nur ein kleiner Fehler ist, auch wenn wir uns über die evangelikalen Bekenntnisse vieler freuen, mit denen wir nicht übereinstimmen. Paul Jewett bringt die Bedeutung der Gläubigentaufe auf den Punkt, wenn er sagt: „Die Taufe von Säuglingen unabhängig vom Glauben bedroht die evangelikalen Grundlagen des Evangelikalismus“.

(ibid. S. 2)

Gleichzeitig ist man nicht „aus dem Schneider“, nur weil man Erwachsene tauft. Nur weil Michael Servetus eine strenge und konservative Haltung bzgl. der Taufe von gläubigen Erwachsenen vertrat, schützte ihn das nicht davor, die Lehren von der Dreieinigkeit und der Jungfrauengeburt Jesu zu verwerfen (ibid, im Vorwort). Absicht des Buches ist es, eine belastbare und gründliche biblische Lehre von der Taufe aufzurichten.

Das versucht das Buch auf vier Wegen. Die ersten drei Kapitel betrachten die Entwicklung der Taufe in den Evangelien, in der Apostelgeschichte und den Briefen. Drei Kapitel betrachten die Taufe in der direkten Auseinandersetzung mit bekannten presbyterianischen Positionen. Und jeweils Zwei Kapitel betrachten die Taufe im historisch-theoloigschen Kontext und in praktischen Fragen.

Dadurch, das wirklich jede Erwähnung und Allusion der Taufe untersucht wird, entsteht ein ganzheitliches Bild: So wurden die vorhandenen Parallele zwischen der christlichen und der johannitischen Taufe deutlicher. Oder aber auch die eindeutige sprachliche Nähe von „baptizo“ zum „untertauchen“ (und nicht zum besprengen). So steht in Markus 7,4 („und wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, bevor sie sich gewaschen haben…) für „gewaschen haben“ βαπτίσωνται (baptizontai).

Leider vertreten gerade Baptisten oft eine sehr redundante und oberflächliche Darstellung der Taufe und reduzieren sie gerne zu „einem zweiten Gehorsamsschritt“. Die Betrachtung von Stellen wie Mk 1,4;Joh. 3,5; Apg. 2,38; 1. Kor. 6,11; Eph. 4,5; Kol. 2,11-12, 1Pet. 3,21 und weiteren mehr, die in diesem Buch sehr ausführlich begangen wird, ist sehr hilfreich um eine tiefe, gesunde und zufriedenstellende Theologie von der Taufe zu entwickeln. Deswegen bleibt das Buch vor allem für kirchliche Mitarbeiter und Pastoren empfehlenswert.

Eine große Bereicherung waren Kapitel 5 und 6, die die Positionen zur Kindertaufe während der Zeit der Kirchenväter und der Reformationszeit beleuchten. Meines Erachtens gelingt es Kapitel 5 präzise genug aufzuzeigen, dass die Taufe von Säuglingen in der Kirche erst seit der Zeit von Augustinus zur Praxis wurde. Die häufig vorgebrachte These, dass Haustaufen auch die Haushaltsmitglieder einschloss, wird gründlich widerlegt. Wird der ganze Haushalt getauft, wieso kennt dann 1. Kor. 7,12) ungetaufte Frauen und Phlm. 9-10 einen ungetauften Sklaven? Es wäre seltsam „ausschließlich Säuglinge“ aus dem Haushalt zum Inhalt von „mit seinem ganzen Hause“ mitzuzählen. Sprechen Kirchenväter (so wie Tertulian) von Kindertaufe meinen sie mündige Kinder nicht Säuglinge. (Niemand geringeres als der evangelische Theologe Kurt Aland hat in dieser Frage die gleiche Position, die er in „Die Säuglingstaufe im Neuen Testament und in der alten Kirche“ darstellt)

Die Autoren zeigen das Ringen der Presbyterianer mit diesen Stellen und die Versuche hierfür kreative Lösungen zu entwickeln. Z.B. die Lösung von Meredith Kline, der in der Taufe nicht ein Zeichen des Bundessegens, sondern des Bundesfluches sieht. Die Frage der Kindertaufe hängt für Presbyterianer mit der Frage nach der Beziehung von Altem und Neuen Bund zusammen. Darstellungen klingen hier häufig so, als wäre der neue Bund nur eine Weiterentwicklung des alten Bundes. So sind Formulierungen möglich, wie: „The new covenant is but a new—though more glorious—administration of the same covenant of grace.” („Der neue Bund ist eigentlich nur eine, wenn auch herrlichere neue Administration des gleichen Bundes der Gande ibid. S. 103). Formulierungen dieser Art finden sich immer wieder in der reformierten Literatur, wobei die Unterschiede im Kapitel 4 des Buches auch genannt werden. Für mich wurde deutlich, dass auch im presbyterianischen Lager die Positionen nicht so „monolitisch“ sind, wie oft vermittelt. So verstanden z.B. Berkhof und Warfield den Beginn des Neuen Bundes im Bund mit Abraham (nicht, wie im Westminster Bekenntnis ab Gen 3.15, vgl. diese Aussage von Warfield: „The argument in a nutshell is simply this: God established His church in the days of Abraham and put children into it. They must remain there until He puts them out. He has nowhere put them out. They are still then members of His Church and as such entitled to its ordinances“)

Dabei ist der Unterschied zur Baptistischen Position nicht nur in der Frage der „Neuheit“ des Neuen Bundes zu suchen, sondern auch in dem Umfang der Bundesgenossen (Sind wie im Alten Bund auch nicht Erwählte Mitglieder des Bundes? ) und natürlich auch der Bundeszeichen:

„Niemand bestreitet, dass das Herzstück des Neuen Testaments der neue Bund zwischen Gott und den Menschen ist, aber es ist zweifelhaft, dass man ihn als „das Muster der Erneuerung von Bündnissen durch die Ausstellung neuer Vertragsdokumente“ (Anm. d.Ü.: die Position von Meredith Kline) bezeichnen kann. Der neue Bund von Jeremia 31 ist genau das – ein neuer Bund; es handelt sich nicht um die Ausstellung neuer Vertragsdokumente mit ein paar Änderungen“ (ibid. S. 260, eigene Übersetzung)

Kapitel 9 untersucht die Taufe in der „Stone-Campbell“ Bewegung. Für mich war das ein ganz neues Thema, ich habe davor noch nie etwas von dieser Bewegung gehört und es war interessant zu sehen, wie sich eine christliche Gruppe gerade an der Tauffrage radikalisierte. Das Buch hört mit einem Essay von Mark Dever über die praktischen Fragen der Taufe auf.

Jeder der eine fundierte baptistische Position zur Glaubenstaufe sucht, sollte mit diesem Buch anfangen. Ansonsten kann man viele Säuglingstäufer-Positionen gerade aus der Reformationszeit finden. Diese sind gelegentlich völlig unzufriedenstellend und mangelhaft(wie z.B. Luthers Wider die Anabaptisten) oder faszinierend gut ausgearbeitet, bis auf die Irritation, die man hat, wenn die Autoren die Frage beantworten, „ob man den Säuglinge taufen sollte“. Ich denke so geht es jedem Baptisten, der z.B. den Heidelberger Katechismus liest. Da finden sich wundervolle Ausführungen zur Taufe, bis der Autor versucht gerade diese Frage zu beantworten.. Mit Calvins Ausführungen in der Institutio geht es einem ähnlich wie Karl Barth: „Nach Calvins eigener und an sich ausgezeichneter Tauflehre besteht die Taufe nicht nur darin, dass wir das Symbol der Gnade empfangen, sondern sie ist zugleich, in unserem consentire cum omnibus christianis, in unserem öffentlichen affirmare unseres Glaubens, in unserem iurare in Gottes Namen, auch der Ausdruck einer menschlichen velle. Das muss sie zweifellos sein, aufgrund des kognitiven Charakters der sakramentalen Kraft. Aber in diesem Fall kann die Taufe keine Art von Kindertaufe sein. Wie seltsam, dass Calvin dies in seinem nächsten Kapitel zu vergessen scheint, in dem er seine Verteidigung der Kindertaufe darlegt und dort eine Taufe empfiehlt, die ohne Entscheidung und Bekenntnis ist“

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Ein Aufruf zum fleißigen Bibellesen

„Das große Problem mit dem Bibelstudium heute ist,mit der Einstellung, dass wir es für einfacher halten, als andere Dinge, die wir tun. Wir studieren Rezepte für gute Mahlzeiten, Anleitungsbücher für alle möglichen Dinge – Schreinerarbeiten, Klempnerarbeiten, Autoreparatur und so weiter – und lesen eifrig für unsere Hobbys. Warum denken wir, dass die Bibel das einzige Fach ist, das wir nicht studieren müssen?! Ich möchte euch herausfordern: Macht die Bibel zu eurem Hobby. Auf der einen Seite gefällt mir diese Analogie nicht; die Bibel muss so viel mehr sein als ein Hobby! Aber was wäre, wenn wir für das Bibelstudium genauso viel Zeit und Geld aufwenden würden wie für unsere Hobbys? Was wäre, wenn wir den gleichen Betrag, den wir für Golfschläger und -kurse oder für Skiausrüstung und Skireisen ausgeben, in das Bibelstudium stecken würden? Ja, Enzyklopädien, Kommentare und andere Nachschlagewerke sind teuer. Aber das gilt für alles, was wir tun. Es geht um die Frage der Prioritäten: Das was uns wichtig ist, darf uns Zeit und Geld kosten. Ich möchte euch ermutigen, sich die Hilfsmittel anzuschaffen und zu benutzen, die es uns ermöglichen, eine Brücke zurück in die biblische Zeit und zu den Absichten der (biblischen) Autoren zu schlagen“

aus „Grant R. Osborne, The hermeneutical spiral: a comprehensive introduction to biblical interpretation, Rev. and expanded, 2nd ed. (Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2006), S. 25.“ Eigene Hervorhebung und eigene Übersetzung

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„Wiedergeburt durch die Taufe“ von C.H. Spurgeon

Mit noch 29 Jahren hielt C.H. Spurgeon eine Predigt, die die theologischen Artikel seiner Zeit noch jahrzehntelang prägen sollte. Einen Überblick der Debatte gibt G. Beasley-Murray im Einführungskapitel zu „Did the Early Church Baptize Infants„. Thema dabei war ausgerechnet die Taufe.

Spurgeon rechnet mit den unter Eid verbrieften Aussagen innerhalb der anglikanischen Taufpraxis ab, die dem Getauften die Wiedergeburt zusagt. Die Durchführung dieser Praxis kann Spurgeon nur in sehr entschiedenen Tönen verwerfen:

„Ich kann verstehen, dass ein einfältiger, unwissender, ungelehrter Mensch dies alles auf die Forderung eines Priesters hin tut; aber ich kann nicht verstehen, wie gottesfürchtige, verständige Leute am Taufstein stehen und den so gnädigen Vater mit Gelübden beleidigen können, die nach einer Erdichtung zusammengestellt wurden und praktisch Falschheit beinhalten. Wie dürfen verständige Gläubige es wagen, Worte zu sprechen, von denen sie in ihren Gewissen überzeugt sind, dass sie sich weit von der Wahrheit entfernen? Selbst wenn ich imstande sein sollte, den Prozess zu verstehen, durch welchen gottesfürchtige Menschen ihre Gewissen mit solchem Tun in Übereinstimmung bringen können, selbst dann werde ich den festen Glauben haben, dass der Gott der Wahrheit niemals einen geistlichen Segen höchster Art mit dem Hersagen solcher falschen Versprechungen und unwahren Gelübde in Verbindung bringen könnte und dass Er es niemals tun wird. Meine Brüder, fällt es euch nicht auf, dass solche unehrlichen Erklärungen nicht mit einer neuen Geburt verbunden sein können, die von dem Geist der Wahrheit gewirkt wird? Ich bin mit diesem Punkt noch nicht ganz fertig, denn ich muss einen anderen Fall annehmen und voraussetzen: Dass Paten und Patinnen gottlos sind, und das ist keine harte Voraussetzung, da wir in vielen Fällen wissen, dass Paten und Eltern nicht mehr über den Glauben nachdenken als der abgöttisch geheiligte Stein, um den sie sich versammeln. Was sind diese Sünder zu sagen bereit, wenn sie ihren Platz eingenommen haben? Nun, sie sind bereit, die ernsten Gelübde abzulegen, die ich bereits erwähnt habe. Total ungläubig, wie sie sind, versprechen sie dennoch für den Säugling, was sie selber niemals getan und worüber sie nie nachgedacht haben. Sie versprechen an Stelle dieses Kindes, »dass es dem Teufel und allen seinen Werken entsagt und beständig Gottes heiliges Wort glauben und gehorsam seine Gebote halten werde«.

Meine Brüder, denkt nicht, dass ich hier hart spreche. Ich denke wirklich, dass hier etwas ist, dass den Dämonen Anlass zum Gespött gibt. Jeder ehrliche
Mensch sollte es beklagen, dass Christen so etwas dulden und dass es gläubige Leute gibt, die sich schmerzlich getroffen fühlen, dass ich in aller Freundlichkeit des Herzens die Abscheulichkeit strafe. Unwiedergeborene Sünder versprechen für einen armen Säugling, dass er alle heiligen Gebote Gottes halten werde, die sie selbst tagtäglich in ausgelassener Weise brechen! Dies kann nur die Langmut Gottes ertragen. Und man sollte nicht dagegen sprechen? Die Steine auf der Straße könnten sich über solche Niedertracht gottloser Männer und Frauen beklagen, welche versprechen, dass ein anderer dem Teufel und allen seinen Werken entsagt, während sie selber dem Teufel dienen und seine Werke mit wahrer Begierde tun. Und der Höhepunkt von dem allen ist, dass ich glauben soll, dass Gott das gottlose Versprechen annimmt und infolgedessen das Kind wiedergeboren wird. Ihr könnt an eine Wiedergeburt durch diese ›Operation‹ nicht glauben, egal ob die Paten Heilige oder Sünder sind. Wenn sie Gläubige sind, so tun sie unrecht, indem sie tun, was ihr Gewissen verdammen muss; wenn sie Gottlose sind, so tun sie unrecht, wenn sie etwas versprechen, von dem sie wissen, dass sie esnicht halten können, und in keinem Fall kann Gott solchen Dienst annehmen, noch viel weniger die Wiedergeburt unfehlbar an eine solche Taufe knüpfen.“

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Sermon von den guten Werken von Martin Luther

Der Sermon von den guten Werken, war damals das erste Werk, dass ich von Luther gelesen habe. Ich bin froh, dass ich mich nun etwa zehn Jahre später auf ein Rereading entschieden habe und halte das Buch weiterhin für ein besonders wertvolles Werk. Hier ist so viel dass mit der katholischen Kirche des späten Mittelalters aneckt in einer unerwarteten Einfachheit und einer geradezu unangenehmen Deutlichkeit ausgedrückt. Dabei spricht Luther ja gar nicht von Gnade, sondern von Werken! Gerade der Blick durch das Evangelium rückt die echten evangelischen guten Werke in den Mittelpunkt. Urquell seiner Struktur sind dabei die zehn Gebote, die Zentrum einer evangelischen Ethik sind. Da dem Christen die Gunst Gottes nun aus Gnaden zuteil ist, kann er freien Mutes Gott und seinem Nächsten dienen. So fängt das kurze Werk (gepriesen sei Luther für seine Kürze) schon sehr steil an:

„Zum ersten ist zu wissen, dass nur das gute Werke sind, was Gott geboten hat, wie auch nur das Sünde ist, was Gott verboten hat. Darum, wer gute Werke wissen und tun will, der braucht nichts anderes als Gottes Gebote zu wissen. So spricht Christus Matthäus 19, 17: »Willst du selig werden, so halte die Gebote!« Und als der Jüngling dort fragte, was er tun sollte, dass er selig würde, hielt ihm Christus nichts anderes vor als die zehn Gebote. Demnach müssen wir die guten Werke nach den Geboten Gottes beurteilen lernen und nicht nach dem Anschein, der Größe oder Menge der Werke an sich selber, auch nicht nach dem Gutdünken der Menschen oder menschlicher Gesetze oder Weisen, wie es, wohin wir auch sehen, gesche­hen ist und noch immer geschieht wegen unserer Blind­heit, unter großer Verachtung der göttlichen Gebote.

Zum zweiten: Das erste und höchste, alleredelste gute Werk ist der Glaube an Christus, wie er sagt Johannes 6, 25f., als die Juden ihn fragten: »Was sollen wir tun, dass wir gute, göttliche Werke tun?« Da antwortete er: »Das ist das göttlich gute Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.« Nun, wenn wir das hören oder predigen, gehen wir rasch drüber weg und halten’s für ganz gering und leicht zu tun, wo wir doch hier lange stehen und gut darüber nachdenken sollten. Denn in diesem Werk müssen alle Werke ergehen und das Einströmen ihres Gutseins wie ein Lehen von ihm empfangen. Das müssen wir kräftig her­vorheben, damit sie’s begreifen können. Wir finden viele, die beten, fasten, Stiftungen machen, dies und das tun, ein gutes Leben fuhren vor den Men­schen. Doch wenn du sie fragst, ob sie auch gewiss seien, dass es Gott wohl gefalle, was sie so tun, sprechen sie: Nein. Sie wissen’s nicht oder zweifeln daran. Darüber hinaus gibt es auch etliche große Gelehrte, die sie verfuhren und sagen, es sei nicht nötig, dessen gewiss zu sein, die doch sonst nichts anderes tun, als gute Werke zu lehren! Nun sieh, diese Werke gehen alle außerhalb des Glaubens vor sich; darum sind sie nichts und ganz tot. Denn wie ihr Gewissen zu Gott steht und glaubt, so sind auch die Werke, die daraus geschehen. Nun ist da kein Glaube, kein gutes Gewissen zu Gott. Darum ist den Werken der Kopf abgeschlagen und all ihr Leben und Gutsein ist nichts. Daher kommt es, wenn ich den Glauben so sehr hervorhebe und solche ungläubigen Werke verwerfe, beschuldigen sie mich, ich verbiete gute Werke, wo ich doch gern rechte, gute Werke des Glaubens lehren wollte!

Zum dritten: Fragst du sie weiter, ob sie das auch als gute Werke erachten, wenn sie arbeiten in ihrem Hand­werk, gehen, stehen, essen, trinken, schlafen und allerlei Werke tun zur Leibesnahrung oder gemeinem Nutzen, und ob sie glauben, dass Gott auch dabei ein Wohlgefallen an ihnen habe, so wirst du wieder finden, dass sie Nein sagen und die guten Werke so eng fassen, dass nur das Beten in der Kirche, das Fasten und Almosengeben übrig bleiben; die ändern halten sie für vergeblich, Gott sei nichts daran gelegen. Und so verkürzen und verringern sie wegen ihres verdammten Unglaubens Gott seine Dienste, dem doch alles dient, was im Glauben geschehen, geredet, gedacht werden kann. So lehrt es der Prediger: »Gehe hin fröhlich, iss und trink und wisse, deine Werke gefallen Gott wohl. Allezeit lass dein Kleid weiß sein und das Öl deinem Haupt nimmer gebrechen. Gebrauche dein Leben mit deinem Weib, das du lieb hast, alle Tage dieser unbeständigen Zeit, die dir gegeben sind.« (Prediger 9, 7ff.) Dass das Kleid allezeit weiß sei, das meint, dass alle unsre Werke gut seien, wie sie genannt werden mögen, ohne allen Unterschied. Aber nur dann sind sie weiß, wenn ich gewiss bin und glaube, sie gefallen Gott. Und so gebricht dem Haupt meiner Seele des Öl eines fröhlichen Gewissens nimmermehr. So sagt auch Christus Johannes 8, 29: »Ich tue allezeit, was ihm wohlgefällt.« Wie tat er das allezeit, wenn er doch aß und trank und schlief zu seiner Zeit? …“

Das vollständige Werk kann man hier downloaden.

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Morgen-, Abend- und Tischgebete aus Luthers kleinem Katechismus

Während der Vorbereitung zu einem Vortrag über Martin Luthers Leben und Werk bin ich auch auf manch ein Kuriosum gestoßen, z.B. diese Gebete aus dem Kleinen Katechismus:

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren morgens und abends sich segnen.

Der Morgensegen

 Des Morgens, so du aus dem Bette fährst, sollt du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: „Das walt Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen.“

 Darauf knieend oder stehend den Glauben und Vater unser. Willst du, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen: „Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch JEsum Christum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht vor allem Schaden und Fahr behütet hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Uebel, daß Dir alle mein Thun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde! Amen.“

 Und alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen, oder die zehen Gebot oder was dein Andacht gibt.

Der Abendsegen

 Des Abends, wenn du zu Bette gehst, sollt du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walt Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen. Darauf knieend oder stehend den Glauben und Vater unser. Willtu, so magst du dies Gebetlein dazu sprechen: „Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch JEsum Christum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast, – und bitte Dich, Du wollest mir vergeben alle meine Sünde, wo ich unrecht gethan habe, und mich diese Nacht gnädiglich behüten. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seel und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde! Amen.“

 Und alsdann flugs und fröhlich geschlafen.

Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren das Segensgebet und das Dankgebet zu sprechen.

 Die Kinder und Gesinde sollen mit gefalteten Händen und züchtig vor den Tisch treten und sprechen: „Aller Augen warten auf Dich, HErr, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust Deine milde Hand auf und sättigest alles, was lebt, mit Wohlgefallen.„(Erklärung: Wohlgefallen heißt, dass alle Tiere so viel zu essen kriegen, dass sie fröhlich und guter Ding darüber sind; denn Sorgen und Geiz hindern solch Wohlgefallen.)

Darnach das Vater unser und dies folgende Gebet: „HErr Gott, himmlischer Vater, segne uns und diese Deine Gaben, die wir von Deiner milden Güte zu uns nehmen, durch JEsum Christum, unsern Herrn! Amen.“

Also auch nach dem Essen sollen sie gleicher Weise tun, züchtig und mit gefalteten Händen sprechen: „Danket dem HErrn, denn Er ist freundlich und Seine Güte währet ewiglich, der allem Fleische Speise gibt, der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die Ihn anrufen. Er hat nicht Lust an der Stärke des Rosses, noch Gefallen an jemandes Beinen. Der Herr hat Gefallen an denen, die Ihn fürchten und auf Seine Güte warten.“

 Darnach das Vaterunser und dies folgende Gebet: „Wir danken Dir, HErr Gott Vater, durch JEsum Christum, unsern HErrn, für alle Deine Wolthat, der Du lebst und regierest in Ewigkeit! Amen.“

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Calvin schreibt an Bullinger über Luther

„…Ich höre, Luther sei kürzlich mit furchtbarem Schelten nicht nur über Euch, sondern über uns alle hergefahren. Es ist ja schon an sich traurig, dass wir, gering an Zahl und rings von Gegnern umgeben, noch in unserer eigenen Mitte im Kampf zusammenstoßen. Aber zu unpassender Zeit konnte es wirklich nicht dazu kommen als gerade jetzt. Ich kann mich daher nicht anders ausdrücken als: Gott hat dem Satan die Zügel gelockert. Luther hat darin freilich, außer seinem eigenen, maßlos leidenschaftlichen und kecken Charakter, den Amsdorf zum Ratgeber, einen geradezu verrückten Menschen ohne Nachdenken. Er lässt sich von ihm lenken ,oder besser: Auf Abwege führen. Es ist aber gut, wenn wir anerkennen, dass auch mit dieser Geißel der Herr uns schlägt. Wir werden dann geduldiger tragen, was sonst entsetzlich herb wäre.

Ich weiß nicht, ob Luther durch irgendeine Schrift von Euch gereizt worden ist. Aber wenn ein Charakter wie der seine, der nicht nur reizbar, sondern verbittert ist, auch aus geringfügiger Ursache aufbraust, zu solchem Toben und Lärmen konnte er sicher keinen genügenden Grund haben.

Nun wage ich kaum Euch zu bitten, Ihr möchtet stillschweigen, denn es wäre nicht recht, Unschuldige so schimpflich behandeln zu lassen und ihnen Gelgenzeit zur Rechtfertigung zu verweigern. Auch wäre es schwer zu sagen, es wäre gut zu schweigen. Aber das ist mein Wunsch, dass Ihr Euch darauf besinnt, welch großer Mann Luther doch ist, durch  welche außerordentlichen Geistesgaben er sich auszeichnet. Wie tapfer und unerschütterlich, wie geschickt, wie gelehrt und wirksam hat er bisher gearbeitet an der Zerstörung der Herrschaft des Antichrist und an der Ausbreitung der Lehre zur Seligkeit. Ich habe schon oft gesagt: Wenner mich einen Teufel schölte, ich würde ihm doch die Ehre antun, ihn für einen ganz hervorragenden Knecht Gottes zu halten, der freilich auch an großen Fehlern leidet, wie er an herrlichen Tugenden reich ist.

Hätte er sich doch bemüht, sein stürmisches Wesen besser im Zaum zu halten, mit dem er überall herausplatzt! Hätte er doch die Leidenschaftlichkeit, die ihm angeboren ist, stets gegen die Feinde der Wahrheit gekehrt, statt sie gegen Knechte des Herrn blitzen zu lassen! Hätte er sich doch mehr Mühe gegeben, seine Fehler einzusehen! Am meisten haben ihm die Schmeichler geschadet, da er schon von Natur zu sehr dazu neigt, sich selbst milde zu behandeln. Doch ists unsere Pflicht, was fehlerhaft an ihm ist, so zu tadeln, dass wir seiner genialen Begabung etwas zu gut halten. Denk also vor allem daran, das bitte ich dich wie deine Kollegen, dass ihr es zu tun habt mit einem Erstling unter den Knechten Christi, dem wir alle viel schulden. Ihr werdet ja euch, wenn Ihr in feindlichen Kampf mit ihm tretet, nichts erreichen, als dass ihr den Ungläubigen ein Vergnügen bereitet, so dass sie dann triumphieren werden, nicht so sehr über unsere Personen, als über die Sache des Evangeliums. Wenn wir uns gegenseitig herunterreißen, dann schenken sie uns mehr wie genug Glauben. Wenn wir aber einmütig und einstimmig Christus predigen, dann wollen sie uns die Glaubwürdigkeit absprechen du missbrauchen dazu eben unsere Anschuldigungen gegeneinander, denen sie mehr glauben als recht ist. Ich möchte, du sähest es und bedächtest es mehr als das, was Luther seiner maßlosen Heftigkeit wegen verdiente. Es soll doch bei uns nicht eintreten, was Paulus tadelt (Gal. 5,1), dass wir uns gegenseitig beißen und fressen und dabei selbst verzehrt werden. Auch wenn Luther uns gereizt hat, ist es besser, abzustehen vom Kampf, als den Schaden größer zu machen zum Nachteil der ganzen Kirche…“


Diesen Brief schrieb Johannes Calvin am 25.11.1544 an Heinrich Bullinger. Dieser und viele weitere lesenswerte Briefe Calvins finden sich hier.

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Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch – Erstlingswerk von Alexander Solschenizyn

Eigentlich ist es eine seltsame Führung, dass das erste Werk von Alexander Solsschenizyn, selber zunächst jahrelang Häftling im Gulag, später bis zur seiner Rehabilation 1957 in „ewiger Verbannung“ in Sibirien, offiziell von der sowjetischen Regierung zur Veröffentlichung zugelassen wurde, ja von Chruschtschow, dem Führer der UdSSR höchstpersönlich, der sich sogar mit dem Buch beschäftigt hat. Da die Zensurbehörde weitere Probleme fürchtet, erscheint die russische Erstauflage gar mit einem Vorwort von Chrutschtschow höchstpersönlich.

Chrustschow war ein entschiedener Kritiker des Stalinismus, und es passte wohl in das politische Klima, Stalinistische Auswüchse wie die Gulags zu kritisieren. Entsprechend wünschte sich die Zensurbehörde sogar mehr „Stalin-Kritk“. Solchenzin berichtet später selbst:

„Und das Lustigste für mich, den Feind von Stalin, war, dass ich zumindest einmal den Namen Stalins als Verursacher von Katastrophen erwähnen musste. (Und tatsächlich wurde er im Bericht kein einziges Mal erwähnt! Das geschah natürlich nicht zufällig, denn ich sah das sowjetische Regime, nicht nur Stalin allein.) Ich machte diese Zugeständnis: Ich erwähnte ‚Väterchen Schnurrbart‘ einmal…“

Das Buch schildert einen Tag des Häftlings Ivan Denisovich Schuchow, im Lager nur unter der Nummer Щ-854 bekannt. Die Idee zum Buch hatte der Autor im Lager. Er wollte etwas über die sowjetische Straflager-Kultur schreiben und im wurde klar, dass ihm das viel besser gelingt, wenn er einen einzigen Tag eines durchschnittlichen Gefangenen vom morgen bis zum Abend schildert. Entsprechend fängt das Buch an:

„“Um fünf Uhr morgens, wie immer, ertönte der Weckruf – mit einem Hammer auf die Schienen am Stabsgebäude.“

Der Tag fängt alles andere als gemütlich an. Schuchow fühlt sich kränklich, kommt nicht so recht aus den Federn, und bei der ersten Lagerkontrolle führt das zur ersten Strafmaßnahme: Dem Wischen des Bodens im Verwaltungsgebäude. Schwach bekleidet, unsicher tritt Schuchow diese Arbeit bei beißender Kälte von -30°C an.

Eine Katastrophe kündigt sich an, so denkt man als Leser dieser etwa 70 Seiten langen Novelle. Doch die Katastrophe bleibt aus. Schuchow gelingt es doch noch pünktlich am Frühstück dazu sein. Die Arbeit die seiner Kolonne zugeteilt wird entspricht ganz seinen Vorstellungen: Er muss mauern, was einen Schutz vor dem beißenden Wind bietet, außerdem verbreitet die Heizung, die für das Auftauen des Zementsandes benötigt wird, etwas Wärme. Ja die Arbeit macht ihm so viel Freude (und wärmt dabei), dass er fast zu spät zum „Gong-Ende“ kommt.

Um Schuchow, die Zentralperson der Novelle entwickeln sich viele kleinere Aspekte. So lernen wir Aljoscha kennen, der wegen seinem baptistischen Glauben sitzt und mit dem Schuchow zuletzt gar über den Glauben spricht. Oder Cäsar, einen Inhaftierten, der nicht nur leichte Büro-Tätigkeiten hat, sondern auch „gut“ von der Verwandtschaft mit vielen Paketen versorgt wird. Man bekommt Einblick in die Bestechungsstrukturen im Lager, die Kriminalität und die Versuche der Wärter jegliche Privatsphäre zu unterbinden.

„Ein Tag verging, ungetrübt von irgendetwas, fast glücklich. In seiner Dienstzeit gab es insgesamt dreitausendsechshundertdreiundfünfzig solcher Tage, von Klingelton zu Klingelton. Aufgrund der Schaltjahre kamen drei zusätzliche Tage hinzu…“

Gerade durch den optimistischen ja freudevollen Verlauf des Werkes gelingt dem Buch ein wichtiger Punch! Die Gulags und Unterdrückungen konnten eben nicht die Freude am Leben, die Lust am Handeln, das selbstständige und verantwortungsvolle Denken unterbinden.

Das Buch zeigte Wirkung. Die Regierung wurde auf die Zustände in den Gefängnissen sensibilisiert und unternahm Maßnahmen. Solschenizyn selbst erhielt unzählige Briefe von Mitgefangenen und Mitgelittenen. Letztlich führte es auch zu einen höheren Vernetzungsgrad von antisowjetischen Dissidenten und so sollte das Buch auch die Geschichte der Sowjetunion mitprägen. Für mich ist hier eine große Ermutigung, dass sich auch „versteinert wirkende“ Systeme verändern lassen.

Nur 8 Jahre nach der Veröffentlichung seines Werkes bekam Solzhenizyn den Literatur-Nobelpreis und nur 4 weitere Jahre später wurde er aus der Sowjetunion verbannt. Allzu viel Systemkritik konnte die Sowjetunion vor allem unter Chrustschows Nachfolger Breschnew nicht dulden…

Insgesamt ein lesenswertes Buch, dass gerade aufgrund seiner Kürze ein guter Einstiegspunkt in das große Werk Solschenizyns darstellt.

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„The Flow of the Psalms“ von O. Palmer Robertson

O. Palmer Robertson ist vor allem durch sein Werk „The Christ of the Covenants“ bekannt. In der Vorbereitung für eine Predigt zum 111 Psalm (erscheint demnächst auf glaubend.de) bin ich auf „The Flow of the Psalms, Discovering their Structure and Theology“ gestoßen. Von vielen Kommentarwerken, die ich bis dato für unterschiedlichste Psalmen referenziert habe, war dieses Werk das hilfreichste. Und das, weil es sowohl auf die Entwicklung innerhalb der Psalmen selbst, wie auch die Entwicklung in genauer analysierten Abschnitten bzw. den Fünf Büchern der Psalmen blickt und doch gleichzeitig auch die Stellung der Psalmen im Kanon, wie auch den Sitz im Leben der Texte betrachtet. Um es an den sieben Hallelujah- Psalmen zu illustrieren, die uns in Psalm 111-117 begegnen:

Hier fällt uns zunächst eine ausgefallene: Chiastische Struktur auf. Psalm 111 und 112 haben jeweils zu Beginn ein Hallelujah. Psalm 113 zu Beginn und zum Schluss, Psalm 114 gar keines, während Psalm 115 und 116 jeweils zum Ende des Textes ein Hallelujah enthalten und Psalm 117 sowohl zu Beginn, wie zum Schluss. Was entsteht ist eine gespiegelte Struktur an Psalm 114. Dieser steht sozusagen im Zentrum dieser Loblieder. Interessant dabei: das aller erste Mal wird der Aufruf an alle, Gott zu loben (Bedeutung von „Hallelu-Jah“), erst in Psalm 106, dem letzten Psalm des vierten Buches der Psalmen laut. Fast exklusiv bleibt der Ruf zum Gotteslob auf das fünfte Buch beschränkt.

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